Mit der spektakulären Besetzung des Brandenburger Tores hat die Identitäre Bewegung einen Mediencoup gelandet - wieder einmal. Wer verbirgt sich hinter der neurechten Gruppierung mit der Vorliebe für symbolische Inszenierungen?

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Etwa 15 Aktivisten enterten am vergangenen Wochenende das Brandenburger Tor in Berlin. Was auf den ersten Blick wie eine Aktion linker oder grüner Aktivisten aussah, entpuppte sich beim Blick auf die Transparente schnell als eine Aktion der neurechten "Identitären Bewegung" (IB). Neben Transparenten mit Parolen wie "Grenzen schützen! Leben retten!" und "Sichere Grenzen – sichere Zukunft" war dort auch die schwarze Fahne mit dem gelben, griechischen Buchstaben Lambda zu sehen - das offizielle Symbol der Identitären Bewegung.

Seitdem die Bewegung in Deutschland aktiv ist, hat sie immer wieder durch öffentlichkeitswirksame Aktionen von sich Reden gemacht: Bei einem Flashmob im Ostseebad Warnemünde verteilten mit Burkas verkleidete Anhänger im Frühjahr Flyer, Vergleichbares geschah im Sommer in Prien am Chiemsee. 2015 besetzten Aktivisten gar die SPD-Parteizentralen in Berlin und Hamburg.

Immer mit dem Ziel, auf eine von ihnen befürchtete Überfremdung und Islamisierung Deutschlands aufmerksam zu machen. "Die Identitäre Bewegung ist eine ernste Herausforderung für die demokratische Kultur", betont David Begrich von der Arbeitsstelle Rechtsextremismus von "Miteinander e.V." im Gespräch mit unserer Redaktion.

Verfassungsschutz: "Islam- und fremdenfeindliche Positionen"

Nicht von ungefähr wird die Gruppierung in zwölf Ländern und auf Bundesebene vom Verfassungsschutz beobachtet. Etwa 400 Personen in 15 regionalen Gruppen werden ihr mittlerweile zugeordnet. Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen sieht "Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung".

Zuwanderer islamischen Glaubens oder aus dem Nahen Osten würden "in extremistischer Weise diffamiert". Auch der Hamburger Verfassungsschutz ist aktiv geworden. "Die Identitäre Bewegung fällt seit einigen Jahren durch Aktionen und Positionen auf, die islam- und fremdenfeindlich geprägt sind", sagte Torsten Voß, Leiter des Hamburger Landesamtes "Zeit Online".

Ihr Vorgehen ist auf eine junge, eher akademisch ausgebildete Zielgruppe zugeschnitten. "Die IB antwortet von rechts auf die Modernisierung der Popkultur durch Social Media und Do it yourself-Formate", erklärt Experte Begrich. Auch Musik oder Elemente der Ultra-Kultur aus dem Fußball werden eingesetzt. So sollen "rassistische Inhalte in einer popkulturellen Verpackung vermittelt und rechtsautoritäre Lösungen für gesellschaftliche Widersprüche der Globalisierung" angeboten werden, sagt Begrich.

Die IB entstand 2003 in Frankreich, sie hat mittlerweile Anhänger und Aktive in ganz Europa. Hierzulande mischen die meist jungen Aktivisten, die äußerlich kaum als rechts auszumachen sind, seit vier Jahren mit. Seit 2014 besteht ein eingetragener Verein.

Rückkehr zum Prinzip der europäischen Nationalstaaten

Die IB hat sich dem Kampf gegen Masseneinwanderung und Islamisierung verschrieben, sie plädiert für den sogenannten Ethnopluralismus. Einfach gesagt: Frankreich den Franzosen, Deutschland den Deutschen oder Syrien den Syrern. Eine einheitliche Volksidentität müsse erhalten bleiben. Begriffe wie Heimat, Freiheit, Kultur und Volk sind von zentraler Bedeutung.

Die Identitäre Bewegung trete für eine "Rückkehr zum Prinzip der europäischen Nationalstaaten" ein, erklärt Begrich von Miteinander e.V. Und für einen Kulturbegriff, wie er im 19. Jahrhundert in Deutschland gang und gäbe war: Kultur als Nationalkultur.

Man wolle "Patriotismus wieder frei von irgendwelchen überkommenen Ideologien erfahrbar machen", sagte dagegen IB-Bundessprecher Leon Degener "Zeit Online". Den Vorwurf, antidemokratisch und anti-pluralistisch zu sein, wies er zurück. Die IB bekenne sich zur demokratischen Grundordnung und verstehe sich als außerparlamentarische Opposition - mit einem Weg des "friedlichen, aktiven Widerstands gegen die vorherrschende Politik".

Die Identitäre Bewegung sei zwar keine Massenbewegung, meinte der Sozialwissenschaftler Alexander Häusler im "Deutschlandfunk". Aber in Kombination mit der AfD und der steigenden Anzahl flüchtlingsfeindlicher Proteste sei sie "dennoch gefährlich".

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