• Während die 7-Tage-Inzidenzen in Deutschland immer neue Rekordstände erreichen, sorgt die Meldung über die neue Variante "Omikron" für Sorge unter Experten.
  • Schützen die aktuellen Impfstoffe ausreichend vor der Mutante? Hersteller wie Moderna und Biontech/Pfizer forschen bereits an angepassten Impfstoffen.
  • Wie schnell könnte das gehen und welche Impfstoffe sind betroffen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Eine Analyse

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In Deutschland ist sie bereits nachgewiesen worden: Die Variante "B.1.1.529", besser bekannt als "Omikron". Erstmals in Botswana aufgetaucht und derzeit vor allem in Südafrika verbreitet, versetzt die Coronavirus-Mutation Experten in Sorge: "Keiner kann im Moment sagen, was da auf uns zukommt", sagt auch Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité.

Ob die Variante ansteckender als die derzeit vorherrschende Delta-Variante ist, wie schwer die Verläufe bei "Omikron" sein werden und ob die Mutation die Immunantwort bei Geimpften umgeht – für Antworten auf all diese Fragen liegen noch zu wenige Daten vor. Trotzdem lassen sich einige Fragen schon jetzt beantworten. Ein Überblick.

Brauchen wir neue Impfstoffe gegen "Omikron"?

Feststeht aber bereits: Erste Impfstoffhersteller, darunter beispielsweise Moderna und BioNTech/Pfizer haben bereits mit der Anpassung von Impfstoffen begonnen. Uwe Gerd Liebert ist Virologe und leitete bis im vergangenen Jahr das Institut für Virologie an der Universität Leipzig. Auch der Mediziner sagt im Gespräch mit der Redaktion: "Die Datenlage ist noch nicht ausreichend, als dass man sagen könnte, der Impfstoff muss auf jeden Fall angepasst werden."

Möglich sei das aber schon. Was Experten nämlich aufhorchen lässt: Von den über 50 festgestellten Mutationen der "Omikron"-Variante befinden sich allein 32 auf dem Spike-Protein. Mit diesem Stachel an der Oberfläche des Virus dockt es an menschliche Zellen an.

Warum war bei Delta keine Anpassung nötig?

"Weil die mRNA-Impfstoffe aber einen großen Bereich von dem Spike-Protein abdecken, ist es sehr wahrscheinlich, dass bei einem vollständig Geimpften genügend Antikörper gegen die entstehenden Varianten gebildet werden", schätzt Experte Liebert. Allerdings falle die Antikörper-Antwort nach mehreren Monaten bei Geimpften insgesamt schwächer aus.

"Die Wirksamkeit wird eventuell abfallen, aber nicht unbedingt in dem Maße, dass wir einen neuen Impfstoff benötigen", sagt Liebert. Auch bei der Delta-Variante war nach übereinstimmender Expertenmeinung keine Anpassung der Impfstoffe nötig. "Bei vollständig Geimpften, bei denen die Impfung nicht zu lange zurücklag, konnten ausreichend neutralisierende Antikörper auch gegen die Delta-Variante nachgewiesen werden", erinnert Liebert.

Was sagen die Hersteller?

Optimistisch hatte sich auch Paul Burton, "Chief Medical Officer" bei Moderna, in einem Interview mit dem britischen Sender "BBC" gezeigt: "Das ist ein gefährlich erscheinendes Virus, aber ich denke, wir haben jetzt viele Werkzeuge in unserem Arsenal, um es zu bekämpfen", so Burton. Moderna-Konzernchef Stephane Bancel schlug in der "Financial Times" wiederum einen besorgteren Ton an: Von einer Wirksamkeit wie bei der Delta-Variante gehe er derzeit nicht aus. "Ich denke, es wird ein erheblicher Rückgang sein", so Bancel. Man müsse auf mehr Daten warten. Erste Daten werden um den 10. Dezember herum erwartet.

Um dann schon einen Schritt weiter zu sein, sind auch die Hersteller BioNTech/Pfizer, AstraZeneca und Johnson&Johnson bereits jetzt mit einer möglichen Anpassung ihrer Impfstoffe in Bezug auf die Omikron-Variante befasst. "Die Anpassung wäre bei einem mRNA-Impfstoff deutlich einfacher. Die Mutationen des Virus könnten dabei relativ leicht in ein entsprechendes Template eingebaut werden, bei einem Vektor-Impfstoff wären deutlich mehr Schritte erforderlich", erläutert Virologe Liebert.

Wie wirksam sind die aktuellen Impfstoffe?

In Europa sind aktuell die zwei mRNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna sowie die zwei Vektorimpfstoffe von AstraZeneca und Johnson&Johnson gegen das Coronavirus zugelassen, weitere befinden sich im Zulassungsprozess.

"Nach aktuellem Stand sind die mRNA-Impfstoffe mit den geringsten Nebenwirkungen und der höchsten Wirksamkeit ausgestattet", sagt Liebert. Laut Robert Koch-Institut (RKI) bieten die Impfstoffe von BioNTech/Pfizer, Moderna und AstraZeneca eine Wirksamkeit von etwa 90 Prozent gegen eine schwere COVID-19-Erkrankung und eine Wirksamkeit von etwa 75 Prozent gegen eine symptomatische Infektion mit der Delta-Variante. Der Impfstoff von Johnson & Johnson bietet wiederum nur einen etwa 65-prozentigen Schutz vor einer Erkrankung.

Wie lange dauert die Herstellung?

Aus Sicht von Liebert dürfte die Herstellung angepasster mRNA-Impfstoffe bis zur Zulassung etwa drei Monate dauern. "Die Behörden benötigen ausreichende Daten, um zumindest eine vorläufige Zulassung vorzunehmen. Als Grundlage braucht man Laborwerte und klinische Tests", erinnert Liebert. Auch Moderna

Es sei zum jetzigen Zeitpunkt schwieriger, Ungeimpfte für solche Studien zu finden, aber "auch bei Menschen, die als Booster-Impfung mit dem angepassten Impfstoff geimpft werden, kann man untersuchen, wie Antikörper und T-Zellen reagieren", sagt Liebert. Auch laut Moderna-Chef Bancel könnte Monate dauern, bevor ein auf das Omikron-Virus abgestimmtes Vakzin ausgeliefert werden kann, BioNTech sprach von einer Auslieferung innerhalb von 100 Tagen.

Sollte man auf angepasste Impfstoffe warten?

Aus Sicht von Experte Liebert wäre es falsch, jetzt auf einen angepassten Impfstoff zu warten, wenn die Booster-Impfung bereits geboten ist. "Wenn die zweite Impfung vier Monate oder länger zurückliegt, sollte man sich unbedingt boostern lassen. Vor einem schweren Verlauf schützt die vollständige und aufgefrischte Impfung weiterhin", betont er. Eine Booster-Impfung egal mit welchem Impfstoff sei auf jeden Fall besser, als keine.

Einen weiteren Schritt hält er für nötig: "Auch Kinder müssen so schnell wie möglich geimpft werden, sie sind noch immer häufige Überträger. Ab einem Alter von 5 Jahren halte ich das sehr sinnvoll". Die STIKO ist mit einer offiziellen Empfehlung für Kinder unter 12 Jahren noch zurückhaltend, in den USA werden Kinder zwischen 5 und 11 Jahren bereits gegen Corona geimpft.

Über den Experten: Prof. Dr. Uwe Gerd Liebert ist Virologe und Hochschullehrer. Von 1995 bis 2020 leitete er das Institut für Virologie der Universität Leipzig.

Verwendete Quellen:

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