Milliarden will die Bundesregierung an der Börse investieren – und so die Rente stabil halten. Das Konzept des Generationenkapitals soll die wachsende Kluft zwischen Arbeitnehmern und Rentner zumindest zum Teil schließen. Was es damit auf sich hat und warum Experten am Erfolg der Maßnahme zweifeln.

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Christian Lindner und Hubertus Heil hatten aus ihrer Sicht Großes zu verkünden. In dieser Woche haben die Minister für Finanzen und Soziales ihre Rentenreform vorgestellt. Zentraler Kern des Pakets: Das Generationenkapital. Damit wollen sie ein neues Kapitel in der Rentenpolitik aufschlagen.

Doch warum muss sich bei der Rente überhaupt etwas ändern? Und wie soll das Generationenkapital dazu beitragen, die Rente in Deutschland zu sichern? Die Probleme der Rente und der Sinn des Generationenkapitals, einfach erklärt.

Der Generationenvertrag gerät ins Wanken

Bislang steht die gesetzliche Rente auf zwei finanziellen Standbeinen. Das erste sind die Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die in die Rentenkasse einzahlen. Wer seinen Lebensabend im Ruhestand genießt, erhält seine Rente aus diesem Topf.

Allerdings krankt das System seit Jahren. Das hat zwei Gründe: Es werden immer weniger Kinder geboren und die Menschen leben immer länger – beziehen also auch länger Rente. Das bringt den sogenannten Generationenvertrag ins Wanken. Denn in Deutschland zahlt die jüngere, arbeitende Bevölkerung, die Renten der Menschen im Ruhestand. Doch durch die zunehmende Überalterung der Gesellschaft geht die Gleichung nicht mehr auf: Immer weniger Beitragszahler müssen für immer mehr Rentner aufkommen.

Ausgeglichen wird dieses Problem bislang durch das zweite Renten-Standbein: Zuschüsse des Bundes. Aktuell bezuschusst der Staat die Rentenbeiträge mit mehr als 110 Milliarden Euro pro Jahr – Tendenz steigend. Zum Vergleich: Das Gesamtvolumen des Bundeshaushalts für 2024 beträgt 476,8 Milliarden. Dass die Rente immer größere Teile des Geldes des Staats frisst, sorgt logischerweise dafür, dass weniger Geld für andere Dinge zur Verfügung steht.

Das Generationenkapital soll diese Spannung nun entschärfen und den Bund bei der Rente entlasten. Die Rechnung geht wie folgt: Der Staat nimmt Schulden auf, um einen Geldvorrat aufzubauen. Dieses Geld, auch Kapitalstock genannt, wird dann genutzt, um einen Fonds aufzubauen.

Das darin enthaltene Geld wird in die Aktien vieler verschiedener Unternehmen weltweit investiert. Den Gewinn aus diesen Aktiengeschäften, also die Rendite, will der Bund künftig für die Stabilisierung der Beitragssätze in der Rentenversicherung verwenden. Das Generationenkapital soll die Belastungen für die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler stabil halten. Wichtig: Steigende individuelle Rentenauszahlungen oder sinkende Rentenbeiträge sind nicht das Ziel.

Wird die Rente an der Börse verspekuliert?

Für den Bund soll das Konzept künftig Entlastung bringen. Aber nicht jeder sieht das Generationenkapital positiv. Vor allem aus linken Kreisen heißt es immer wieder: Der Staat verzockt künftig die Rente an der Börse!

Doch diese Kritik vermischt zwei Dinge – das Generationenkapital und die einst von der FDP geforderte Aktienrente. Die Idee hinter der Aktienrente: Ein Teil der Rentenbeiträge der Arbeitgeber wird direkt abgeschöpft und am Aktienmarkt investiert. Mit dieser Idee kokettiert die FDP zwar noch immer, hat sich bislang aber nicht damit in der Ampel durchsetzen können.

Beim Generationenkapital wird hingegen kein Geld der Rentenkasse, für die Investitionen an der Börse verwendet – sondern ein neues Vermögen dafür aufgebaut. Der Bund kann also gar nicht die Rente "verzocken".

Natürlich sind Investitionen am Aktienmarkt immer mit Risiken behaftet. Ein Wertpapier kann von heute auf morgen drastisch an Wert verlieren. Doch, dass der Bund mit dem Generationenkapital eine Börsen-Bruchlandung hinlegt, diese Gefahr sieht kaum ein Experte.
Das liegt daran, dass die Investitionen breit gestreut und auf viele Unternehmen aufgeteilt werden. Zudem wird das Geld auch langfristig angelegt. Spontane Kursschwankungen fallen so nicht stark ins Gewicht. "Natürlich wird bei kapitalbasierten Systemen die Rendite schwanken und der Fonds kann auch mal Verlust machen", erklärte Johannes Geyer, Rentenexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, etwa 2023 im Gespräch mit unserer Redaktion. "Aber über eine lange Frist sind die Renditen gut und positiv." Das Risiko eines Totalverlustes sei "überschaubar bis nicht vorhanden".

Mit Mietspekulationen die Renten stabil halten?

Es gibt aber auch berechtigte Kritik am Generationenkapital. So lässt der Gesetzesentwurf der Bundesregierung noch viele Fragen offen. Etwa was passiert, wenn der Generationenkapital-Fond wirklich Verluste macht. Arbeitsminister Heil verspricht zwar, man habe "Vorsorge getroffen, falls uns der Himmel auf den Kopf fällt" und die Bürger würden nicht belastet. Trotzdem müsste der Bund etwaige Verluste ausgleichen – und damit letztendlich doch die Bürger.

Dazu kommt: In welche Unternehmen soll investiert werden? Die Bundesregierung betont in ihrem Entwurf, dass das Gesetz "mit der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung" in Einklang steht. Anders gesagt: Es sollen bei den Investitionen auch ökologische und soziale Aspekte beachtet werden. Doch ob das in der Realität so einfach aufgeht, daran lässt ein praktisches Beispiel zweifeln.

Das Generationenkapital verwalten soll nämlich die Kenfo-Stiftung. Diese betreut derzeit bereits den Staatsfonds zur Finanzierung der Atommüllentsorgung. Und die Kenfo steht jetzt schon wegen wenig nachhaltigen Investments, etwa beim Öl-Riesen Shell, in der Kritik. Ein Blick in das Portfolio des Atom-Fonds zeigt auch, dass die Kenfo in Immobilienkonzerne wie die Vonovia investiert. Vielen Rentnern reichen ihre Bezüge schon heute nicht, weil die Mieten in Deutschland so teuer sind. Investitionen hier durch das Generationenkapital könnten die Spekulation mit Mieten noch weiter befeuern.

Ökonomen schätzen Generationenkapital als zu niedrig ein

Und obwohl viele Rentenexperten das zusätzliche Standbein für die Altersvorsorge für sinnvoll halten, betonen sie auch: Es wird nicht reichen.

Bis Mitte der 2030 Jahre will der Bund insgesamt 200 Milliarden für das Projekt zusammentragen. Die Renditen, die sich aus einem Kapitalstock dieser Höhe erwirtschaften lassen, schätzen viele Ökonomen als viel zu gering ein. Nennenswerte Entlastungen bei den Rentenzuschüssen würden sich so nicht erwirtschaften lassen. Dafür bräuchte es deutlich mehr Geld.

Auch die Bundesregierung kann das nicht von der Hand weisen. "Das ist noch nicht die alleinige Lösung für die Herausforderung der langfristigen Finanzierung der Rente", erklärte Lindner bei der Vorstellung des Gesetzesentwurfs. Aber das Generationenkapital sei ein Baustein, der einen Unterschied mache. Rentenexperte Geyer vom DIW sieht das anders. Er bezeichnete die Dimension des Konzepts gegenüber unserer Redaktion als "Peanuts".

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