Von Montag bis Donnerstag weilte der norwegische Kronprinz Haakon in Deutschland, zum Abschluss kam seine chronisch lungenkranke Frau Mette-Marit hinzu. Adelsexperte Michael Begasse erklärt, warum er diesen Staatsbesuch als "eine Ehre für Deutschland" empfunden hat.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Dennis Ebbecke sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Er überraschte und begeisterte bei einem festlichen Dinner in der Münchner Residenz mit bayerischem Dialekt ("Verehrte Gäste, grüß Gott alle mitnand"). Er beschwor in Hamburg den "gemeinsamen hanseatischen Geist" und machte deutlich, dass "die Nordsee immer Norwegens Highway nach Europa und Hamburg unser Tor zur Welt war".

Mehr News zum Thema Adel

Und er reiste klimaneutral mit der Bahn von Hamburg Dammtor zu seiner letzten Station nach Berlin, wo seine nachgereiste Ehefrau laut Michael Begasse "den sehr gelungenen Staatsbesuch krönen konnte". Wir haben den Adelsexperten um eine Einschätzung zu der viertägigen Deutschland-Reise des norwegischen Kronprinzenpaares Haakon und Mette-Marit gebeten – unter politischen, repräsentativen und emotionalen Gesichtspunkten.

Begasse von Mette-Marits politischer Rede überrascht

Von Montag bis Donnerstag hatten drei deutsche Großstädte den royal-roten Teppich für die Delegation aus dem skandinavischen Land ausgerollt, um die Beziehungen zwischen Norwegen und der Bundesrepublik zu stärken sowie diverse Kernthemen zu erörtern. Den Höhepunkt, nämlich eine Rede von Kronprinzessin Mette-Marit, hat man sich für den Abschluss aufgehoben – zumal diese durchaus überraschend kam.

Auch RTL-Adelsexperte Begasse, ein langjähriger Beobachter der europäischen Königshäuser, zeigte sich überrascht: "Mette-Marit hat eine politische Rede gehalten, die ich so von ihr noch nie gehört habe. Denn eigentlich ist das in ihrer Funktion als Kronprinzessin gar nicht ihre Aufgabe. Politische Reden sind eigentlich dem künftigen König vorbehalten."

"Unerschütterliche Freundschaft" deutlich zum Ausdruck gebracht

Doch genau dieser Kniff, der 50-Jährigen in Berlin verbal das Feld zu überlassen, habe der Ansprache einen deutlich emotionaleren Anstrich gegeben. Bei einer Gedenkveranstaltung der Gedenkstätte Berliner Mauer sagte Mette-Marit am Donnerstag: "Heute ist Deutschland ein Garant für Frieden und Freiheit in Europa." Laut Begasse habe die Kronprinzessin uns damit ein großes Kompliment gemacht.

"In ihrer Rede stellte sie zum einen die unerschütterliche Freundschaft zwischen den beiden Ländern in den Vordergrund und lobte uns Deutsche zum anderen dafür, dass wir unsere Vergangenheit nach wie vor aufarbeiten, dass wir aus unserer Geschichte gelernt haben", sagt der Experte, der von der in Kristiansand geborenen Norwegerin "wirklich angetan" war.

Darum war dieser Staatsbesuch eine große Ehre für Deutschland

Sowohl sie als auch ihr Ehemann Haakon, der künftige König, zeigten ein gutes Gespür und ein perfektes Timing für ihren Besuch, wie Begasse mit einem kleinen Exkurs in die Geschichte einordnet: "Es ist für Deutschland eine große Ehre, dass die beiden Berlin ausgerechnet an diesem 9. November einen Besuch abgestattet haben. Denn dieser Tag ist in dreifacher Hinsicht historisch: An jenem Tag des Jahres 1918 wurden der Kaiser gestürzt und die Republik ausgerufen. Der 9. November 1938 wiederum war der Abend der Reichspogromnacht – ein Thema, das mit Blick auf Anfeindungen gegen Menschen jüdischen Glaubens leider aktueller denn je ist. Und am 9. November 1989 wurde mit der legendären Schabowski-Rede der Weg für den Fall der Mauer freigemacht."

Insofern haben Haakon und Mette-Marit mit ihrer Anwesenheit in Berlin gezeigt, "dass dieser Tag nicht nur für uns Deutsche, sondern auch für unsere Freunde aus Norwegen von Bedeutung ist".

Der offene Umgang mit der schweren Krankheit Mette-Marits

So wie Mette-Marit Deutschland in ihrer Rede ein Kompliment ausgesprochen hat, möchte Begasse auch ihr ein Kompliment aussprechen: "Wir dürfen nicht vergessen, dass die Kronprinzessin unter einer unheilbaren Lungenerkrankung leidet. Ich habe den größten Respekt vor ihrem Auftritt in Berlin. Sie war, soweit das ihre chronische Krankheit zulässt, in ihrer Kraft, hatte jederzeit einen klaren, fokussierten Blick. Und ich habe immer mal wieder einen Blick von ihrem Mann erhaschen können und gesehen, wie stolz er seine Frau angeschaut hat."

Begasse war bei der royalen Hochzeit im Jahr 2001 in Oslo vor Ort. Laut seiner Einschätzung gibt es keinen Zweifel daran, dass es dem Paar gelungen ist, die Herzen seiner Landsleute in den mehr als zwei Jahrzehnten zu erobern: "Ganz am Anfang waren nur etwa 50 Prozent der Norweger und Norwegerinnen der Meinung, dass Mette-Marit die richtige Frau für Haakon ist – auch weil sie zu diesem Zeitpunkt bereits ein Kind zur Welt gebracht hatte (Marius Borg Høiby; Anm.d.Red.). Die Stimmung hat sich mittlerweile total geändert. Heute wissen alle, dass sie genau die richtige Frau an der Seite des künftigen Königs ist."

Begasse hat keine Sorge, dass die beiden eines Tages ein ganz tolles und modernes Königspaar abgeben werden. "Und zwar nicht, obwohl Mette-Marit gesundheitliche Probleme hat, sondern weil Mette-Marit gesundheitliche Probleme hat." Der offene und liebevolle Umgang mit dieser Erkrankung hat das Ansehen des Kronprinzenpaares erheblich gestärkt. "Sie haben daraus weder ein Geheimnis noch eine billige PR-Show gemacht", sagt Begasse und stellt klar: "Alles, was Haakon und Mette-Marit daraus gemacht haben, war und ist Ehrlichkeit den Menschen gegenüber."

"Smart und dennoch staatsmännisch": So hat der Adelsexperte Haakon erlebt

Haakon von Norwegen weiß in vielerlei Hinsicht ganz genau, was auf ihn zukommen wird – und das hat man ihm laut dem Experten auch während der vergangenen Tage in Deutschland deutlich angemerkt: "Ich habe einen norwegischen Kronprinzen gesehen, der sich bewusst ist, dass die Zeit der Übernahme der Krone immer näher rückt. Es gab wirklich eine Veränderung zwischen heute und vor ein paar Jahren, als ich ihn gemeinsam mit Mette-Marit bei der Frankfurter Buchmesse gesehen habe. Damals wirkte er unbedarfter und unbeschwerter." Das bedeute jedoch nicht, dass der 50-Jährige die Leute heute nicht mehr mit seiner coolen und lockeren Art begeistern könne.

Auch diese Seite habe er den Deutschen klar gezeigt. "Er hat Selfies gemacht und in München versucht, mit bayerischem Dialekt zu sprechen", lobt Begasse, der Haakon als "einen sehr smarten, offenen und dennoch staatsmännischen und modernen künftigen König erlebt" hat. Der Adelsexperte ist überzeugt: "Diese Nähe zum Volk und diese Freude an Menschen sowie das Wissen um die Verantwortung werden Haakons Regentschaft eines Tages auszeichnen."

Haakons Biografie laut Experte "eine mutige und menschliche Seelenbeichte"

Der Zeitpunkt der Übernahme der Krone ist mit Blick auf seinen 86-jährigen, relativ kranken Vater Harald V. absehbar. "Natürlich ist Haakon nicht naiv. Er weiß, dass seine Zeit bald kommen wird", erklärt Begasse und verweist auf die kürzlich erschienene Biografie des Kronprinzen ("Haakon. Geschichten über einen Thronfolger"), an der Haakon höchstpersönlich mitgearbeitet hat. "Dieses Buch ist eine mutige und menschliche Seelenbeichte, die ihn mir noch sympathischer gemacht hat, als er mir ohnehin schon war."

Zum Beispiel habe er darin offen davon erzählt, dass die Beziehung zwischen Mette-Marit und ihm auch mal auf des Messers Schneide stand. Begasse: "Seine Biografie hat mir noch einmal vor Augen geführt, dass er ehrlich zu seinen Untertanen sein möchte und muss – auch mit Blick auf den Gesundheitszustand seiner Frau. Denn nur wenn die Menschen wissen, wie es ihr geht, können sie Verständnis dafür aufbringen, wenn sie einen Termin mal nicht wahrnehmen kann."

Vor diesem Hintergrund ist der gemeinsame Besuch von Haakon und Mette-Marit noch höher zu bewerten – und, wie von Begasse eingangs erläutert – umso mehr als Zeichen der Freundschaft und Hochachtung vor dem deutschen Volk zu verstehen. Diese vier Tage in München, Hamburg und Berlin werden auch als politischer Besuch in Erinnerung bleiben, wie der Adelsexperte analysiert: "In diesen Zeiten, in denen Krieg mitten in Europa und in Israel herrscht, hat Haakon als künftiges Staatsoberhaupt eines Nato-Mitglieds deutlich darauf hingewiesen, dass Norwegen und Deutschland Schulter an Schulter die gemeinsame Zukunft gestalten müssen."

Über den Gesprächspartner:

  • Michael Begasse ist Adelsexperte und verfolgt die Königshäuser seit Jahrzehnten.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.