Mit der Vierschanzentournee vom 28. Dezember bis 6. Januar steht der Saisonhöhepunkt der Skispringer kurz bevor. Die Chancen der DSV-Adler sind gut: Im Gesamtweltcup liegen Andreas Wellinger, Pius Paschke und Karl Geiger auf den Plätzen zwei, drei und vier. Für Youngster Philipp Raimund ist es die zweite Tournee-Teilnahme und sein erstes richtiges Weltcup-Jahr.

Ein Interview

Herr Raimund, Ende Dezember startet die Vierschanzentournee. Ein Ereignis, auf das Sie hinfiebern?

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Die Vorfreude ist riesig bei mir. Letztes Jahr bin ich Zwölfter geworden. Die Tournee war eine mega Erfahrung für mich, die sehr viel Spaß gemacht hat. Trotzdem liegt mein Fokus erst einmal darauf, mich zu entspannen und mit meiner Familie über die vergangenen Wochen zu reden. Danach geht es logischerweise mit meinen Gedanken in Richtung Tournee. Jetzt ist ein Zeitpunkt, an dem ich mich nicht mehr riesig auf die Tournee vorbereiten kann, das muss schon passiert sein. Ich bin ein Typ, der sich nicht noch mehr Stress machen möchte. Denn auch die Wochen nach der Tournee werden hart, da gibt es keine Pause mehr zwischendrin.

Eine ereignisreiche Saison für Raimund

Wie fällt Ihr persönliches Zwischenfazit in dieser Saison aus?

Sehr positiv. Dass ich direkt zum ersten Weltcup mitkonnte, ist eine Steigerung zum letzten Jahr. Er lief auch direkt sehr gut: Den Wettkampf auf Platz sieben zu beenden, war für mich sehr cool. Danach hat es ein bisschen an der Konstanz gehapert. Ich hatte schon im Sommer das Problem, dass die Sprünge im Wettkampf nicht so leicht von der Hand gingen wie im Training. In Lillehammer hatte ich die ersten Krankheitssymptome, bis Klingenthal hat es mich komplett zerspult. Wahrscheinlich habe ich den Infekt verschleppt. Die Sprünge in Lillehammer waren nicht auf dem besten Niveau, aber so, dass es für den zweiten Durchgang gereicht hat. Letztes Jahr wäre ich ausgeschieden.

Am 16. Dezember wurden Sie in Engelberg wegen Ihres Anzugs disqualifiziert. Wie kam es dazu?

Genau, es gab eine Kleinigkeit am Anzug, über die ich verwundert war. Für den zweiten Tag haben wir das geändert, dann war die Sache erledigt. Ich habe den Fokus auf den nächsten Tag gelegt, weil ich nach einer Disqualifikation sowieso nichts anderes machen kann, als den Anzug zu überarbeiten.

Die Kontrollen der Anzüge sind immer wieder Gesprächsthema bei den Sportlern, vor allem, weil sie nicht immer nachvollziehbar sind. Ärgert man sich da nicht?

In meinem Fall konnte ich es nicht nachvollziehen. Ich war davor oft in der Kontrolle und mein Anzug war nie ein Problem. Nach dem ersten Durchgang wäre ich Vierter gewesen, vielleicht hätte ich die Chance gehabt, in die Top sechs zu kommen oder auf das Podest zu springen. Dann einen Riegel davorgeschoben zu bekommen, ist blöd. Ich will mich davon nicht unterkriegen lassen. Es gehört dazu, diese Erfahrung zu machen und auch mal einen Rückschlag zu erfahren, wenn es sehr gut läuft.

Talent oder harte Arbeit?

Woran müssen Sie noch arbeiten in dieser Saison?

Ganz klar an meiner Konstanz. Meine Sprünge waren noch nicht auf dem Niveau, wie ich sie im Wettkampf abliefern möchte – nämlich ohne viel Amplitude im Sprungniveau. Die Grundsprünge müssen besser werden, sodass mich der durchschnittliche Sprung weiter nach vorn bringt.

Wie üben Sie das konkret?

Es ist die Wettkampfnervosität, die einen ein bisschen rausbringt. Auf die Mentalität kommt es an: Man muss im Wettkampf nicht mehr machen, man muss keine Extraschippe drauflegen. Man muss nur das machen, was man im Training schon die ganze Zeit macht. Es ist wichtig, die richtige Balance zu finden und die Konzentration auf die richtigen Dinge zu lenken.

Sie wirken immer recht locker. Ist das eine Fassade?

Ich glaube, es hat nichts damit zu tun. Ich versuche, pragmatisch an die Dinge zu gehen. Wenn etwas schlecht gelaufen ist, kann ich im Nachhinein nichts mehr ändern, ich kann es nur im nächsten Training wieder besser machen. Für mich ist das eine Lebenseinstellung, die ich von meinen Eltern mitbekommen habe.

Bundestrainer Stefan Horngacher hat über Sie gesagt, Sie hätten eine außergewöhnliche Sprungkraft. Ist das Talent oder harte Arbeit?

Beides. Talent gehört immer ein bisschen dazu, in diesem Fall ist es aber eher Genetik. Man sagt ja, ein Schnellkraftsportler wird geboren und ein Ausdauersportler wird trainiert. Wahrscheinlich habe ich Glück gehabt, aber ich muss auch sagen, dass ich mein Leben lang dafür gearbeitet und schon mit fünf Jahren mit dem Skispringen angefangen habe. Ich habe viel Krafttraining gemacht, denn auch wenn man auf dem höchsten Niveau springt, das Krafttraining muss man immer machen. Ich habe früh gemerkt, dass ich viel Sprungkraft habe. Vor dem Flugtraining habe ich oft zurückgeschreckt, weil es für mich schwieriger war, deshalb ging es für mich in den letzten Jahren darum, den Fokus zu wechseln.

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Ein Blick auf die Vierschanzentournee

Was ist Ihr nächstes großes Ziel?

In die Top sechs oder auf das Podest zu springen, wäre am coolsten. Auf das Podest zu kommen, ist aktuell eher schwierig, da mir mein Team den Weg sehr schwer macht (lacht). Ich habe ein Top-sechs-Ergebnis in Rumänien, was für mich aber nicht zählt, da die Hälfte des Feldes nicht dort war. Mein Anspruch ist gestiegen, deshalb ist das mein nächstes Ziel.

Sie haben es eben schon angesprochen, wie gut das deutsche Skisprungteam aktuell ist. Sehen Sie jemandem im Team als Tourneefavoriten?

Ja, in unserem Team hat wirklich jeder die Chance, ganz nach vorn zu springen. Ich will mich selbst nicht mal ausklammern. Keiner lässt nach, deshalb ist es schwierig, einen Favoriten herauszupicken. Meine Favoriten auf den Tourneesieg kommen aus dem deutschen Team.

Stefan Horngacher hat über Sie gesagt, dass Sie manchmal ein bisschen zu viel reden würden. Was sagen Sie ihm darauf?

Ich sage am besten gar nichts. (lacht)

Verwendete Quellen:

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