• Russlands Krieg in der Ukraine hat auch auf die Sportwelt und ihre Sportlerinnen und Sportler große Auswirkungen.
  • Viele von ihnen kämpfen mittlerweile an der Front.
  • Einige ukrainische Athletinnen und Athleten haben bereits ihr Leben verloren.

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Sergej Stachowski war mal Tennisprofi, vier Turniersiege auf der ATP-Tour feierte der Ukrainer. Seine Sternstunde aber war ein Sieg in einem Zweitrundenmatch. 2013 in Wimbledon, gegen einen gewissen Roger Federer. Stachowskis Schicksalstag ist trotzdem der 24. Februar 2022. Tennis spielt er nämlich nicht mehr, auch wenn er in seinem Instagram-Profil anderes behauptet.

Das Profilfoto zeigt einen Mann in Uniform mit Sturmgewehr. Seine letzten Beiträge lassen keinen Zweifel aufkommen: Stachowski ist Soldat. Er zeigt die Uhren gefallener Kameraden und fotografiert patriotisch die blau-gelbe Landesflagge. Der Tenniscourt? Hat nur noch in seinen Gedanken Platz.

"Ich weiß, dass ich sterben kann. Und ich bin bereit, alles zu tun, was nötig ist", sagt Stachowski. Er ist einer von vielen Ukrainern, die adhoc eine Grundsatzentscheidung treffen mussten, als Russland vor einem Jahr mithilfe von Belarus ihre Heimat überfiel.

Seither starben Tausende Ukrainer, darunter viele Zivilisten, und angeblich auch mehr als 200 Sportler. Häuser sind ebenso zerstört wie Arenen und Trainingsstätten, Sirenen gehören zur alltäglichen Geräuschkulisse.

Sport tritt in den Hintergrund

Der Sport ist in diesem Kontext nicht das Wichtigste. Doch auch er hat ein Jahr nach dem Beginn der vom Kreml gemachten Katastrophe und wenig mehr als 500 Tage vor Beginn der Olympischen Sommerspiele in Paris eine knifflige Frage zu beantworten: Wie geht es weiter?

"Wir wollen Olympische Spiele ohne Russland und Belarus feiern. Vielleicht müssen wir ein Ultimatum stellen - entweder Russland oder wir", machte Polens Sportminister Kamil Bortniczuk in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" deutlich.

Der Ton ist scharf, mittlerweile nicht mehr nur aus der Ukraine, wo das große Wort Boykott seit Wochen schon gezielt eingesetzt wird. Seit immer deutlicher wird, dass das IOC in Paris gern einen Start von Aktiven aus Russland und Belarus sähe - unter neutralem Status zwar, aber wohl auch ohne Frieden als Bedingung.

In diesem Spannungsfeld verbittet sich IOC-Präsident Thomas Bach jegliche Einmischung. Es stehe "den Regierungen nicht zu, zu entscheiden, wer an welchen Sportwettbewerben teilnehmen darf", sagte der 69-Jährige Anfang Februar am Rande der alpinen Ski-WM. "Die Geschichte" werde "zeigen, wer mehr für den Frieden tut. Diejenigen, die versuchen, Grenzen offen zu halten und zu kommunizieren. Oder diejenigen, die isolieren und spalten wollen", betonte der IOC-Vorsitzende nicht ohne Polemik.

Die Sportwelt am Scheideweg

Und so befindet sich auch die Sportwelt am Scheideweg. Eine laut Bach große Mehrheit von Sportnationen und -verbänden begrüßt die Idee der Wiedereingliederung. Eine vergleichsweise kleine, aber mächtige Gruppe von Nationen um Deutschland und die kommenden drei Olympia-Gastgeber Frankreich, Italien und USA fordert vom Sport ein Beibehalten des harten Kurses gegen Russland. Stichwort: Propaganda durch die Hintertür.

Die entscheidende Macht in dieser Frage geht aber ohnehin von der Ukraine aus. Der Schaden für das IOC und die Olympischen Spiele wäre enorm, wenn aus Protest kein Ukrainer in Paris am Start wäre.

Russland solle erst auf die Weltbühne gelassen werden, "wenn der Krieg beendet ist und sie dafür bezahlen, was sie angerichtet haben", sagte Biathlet Dimitro Pidruschni zuletzt der Zeitung "Neues Deutschland". Für den Fall einer Rückkehr der Russen rechnet er mit einem "großen Boykott. Ganz ehrlich, auch ich würde das tun, egal, wie viel ich vorher in diesen Traum investiert hätte." (sid/ska)

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