• Es heißt immer, ein Erfolg wie der Gewinn einer Medaille wirke sich befreiend auf das gesamte Team aus.
  • Nach Denise Herrmanns Olympiasieg im ersten Biathlonrennen passiert bei den deutschen Frauen genau das Gegenteil.
  • Sie erleben im Sprintrennen ein historisches Debakel.

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Dem Jubel um den Gold-Coup von Denise Herrmann folgte massiver Frust über den schlechtesten Sprint der deutschen Biathletinnen in der Olympia-Geschichte. Nur vier Tage nach dem Einzel-Triumph von Herrmann bei den Winterspielen in China hat sich die Stimmung komplett gewandelt. Weil sich bei der 33-Jährigen unabsichtlich der erste Schuss löste und sie so das Ziel verfehlte, hatte Herrmann schon früh keine Chance mehr auf ein Top-Resultat. Auch ihre Teamkolleginnen erlebten am Freitag ein desaströses Rennen, Vanessa Voigt war ohne Fehler als 18. noch die Beste des Quartetts.

"Der Spaß ist weg, die Lockerheit ist weg, da hat man die Schnauze gerade ganz schön voll", sagte Franziska Preuß, die den Tränen nah war. "Ich sehe gerade keinen Sinn mehr, noch weiterzumachen." Mit drei Fehlern wurde die Bayerin 30., Herrmann drehte zwei Strafrunden und wurde 22. - diese Ergebnisse bedeuten, dass auch im Verfolgungsrennen am Sonntag (10:00 Uhr) keine realistische Chance mehr auf Medaillen besteht. Vanessa Hinz (drei Fehler) musste als 55. sogar froh sein, dass sie im Jagdrennen überhaupt noch dabei ist.

Vanessa Hinz begeht "Kindergarten-Fehler"

"Solche Kindergarten-Fehler dürfen einer erfahrenen Sportlerin wie mir nicht passieren. Ich bin von meiner Biathlon-Leistung enttäuscht", sagte Hinz offen. Vor vier Jahren in Pyeongchang war sie noch überraschend Fünfte geworden, während Laura Dahlmeier sich in Südkorea den Olympiasieg holte. Nun lieferten die Skijägerinnen über 7,5 Kilometer ihr schwächstes Resultat ab, seit sie 1992 bei Winterspielen antreten dürfen. Bislang war ein elfter Rang von Evi Sachenbacher-Stehle 2014 in Sotschi das schlechteste Ergebnis.

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Und während die Norwegerin Marte Olsbu Röiseland überlegen ihr zweites Gold in Zhangjiakou einfuhr, hatten die deutschen Frauen nicht nur Probleme am Schießstand, sondern auch in der Loipe. 50,5 Sekunden lag Herrmann alleine bei der Laufzeit hinter Röiseland, auch ihre Teamkolleginnen liefen hinterher. Während Herrmann andeutete, dass es an der falschen Ski-Wahl liegen könnte, wollte Hinz davon nichts wissen. "Ich war definitiv selbst schuld. Wenn eine schwache Läuferin, die ich gerade bin, drei Fehler schießt, hat man da vorne nichts zu suchen", sagte die dreimalige Staffel-Weltmeisterin.

Olympiasiegerin Denise Herrmann hat keine Erklärung für ihren Einbruch

Herrmann konnte sich ihren Leistungseinbruch hingegen nicht erklären. "Rein physiologisch ist es nicht möglich, so viel Zeit zu verlieren", sagte sie. Richtig bitter fand sie ihren Fehler beim Liegendanschlag. "Ich war ein bisschen straff am Abzug, da ist mir der Schuss gleich rausgekommen, obwohl ich noch gar nicht schießen wollte und noch gar nicht auf der Scheibe war", sagte die Einzel-Olympiasiegerin: "Von daher hätte ich den wohl blind besser getroffen als so."

Im Interview: Denise Herrmann genießt ihren Gold-Coup

In insgesamt acht Olympia-Sprints seit 1992 gab es sieben deutsche Medaillen, dabei holten Kati Wilhelm (2002) und Dahlmeier (2018) im kürzesten Rennen der Skijägerinnen jeweils Gold. In China gewann die Schwedin Elvira Öberg 30,9 Sekunden hinter der fehlerfreien Röiseland Silber, Bronze ging an Dorothea Wierer aus Italien mit 37,2 Sekunden Rückstand. Voigt war 1:31,4 Minuten langsamer als die Siegerin, Herrmann benötigte 1:45,1 Minuten mehr. "Wir geben nicht auf und werden da als Team angreifen und zurückschlagen. Wir wissen, was wir können", sagte Herrmann zu den Aussichten in der Verfolgung trotzig.

Die als starke Schützin bekannte Voigt blieb zwar fehlerfrei, war in der Loipe aber deutlich langsamer als die Schnellsten. Am Montag im Einzel hatten ihr nur 1,3 Sekunden zu einer Medaille gefehlt. Nach dem Sprint klagte die Thüringerin nun über Kreislaufprobleme und erschien deswegen nicht zu den sonst obligatorischen Interviews.

Franziska Preuß hat ein Kopf-Problem und "überhaupt keinen Spaß" mehr

Die zu Saisonbeginn als größte deutsche Hoffnung geltende Preuß, die wochenlang mit den Folgen eines Treppensturzes und einer Corona-Infektion zu kämpfen hatte, zeigte beim zweiten Start in China lange ein solides Rennen, ehe ihr im Stehendschießen zwei Fehler passierten. "Ich bin viel zu verkopft. Mich nervt es richtig, weil ich nicht der Biathlet sein kann, der ich bin und sein möchte", sagte die Bayerin Preuß. Die Gesamtweltcup-Dritte der Vorsaison zeigte sich "ziemlich frustriert, mir macht es auch überhaupt keinen Spaß gerade. Da fehlt gerade einfach alles", ergänzte die 27-Jährige.

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Die momentan gedrückte Stimmung im Biathlon-Team könnten an diesem Samstag (10:00 Uhr) die Männer wieder aufhellen. Ex-Weltmeister Benedikt Doll, Johannes Kühn, Roman Rees und Philipp Nawrath haben im Sprintrennen die nächste Chance auf eine weitere deutsche Medaille. (dpa/hau)

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