• Als Haven Shepherd 16 Monate alt ist, sprengen sich ihre Eltern in die Luft.
  • Sie überlebt, aber ihre Beine müssen unterhalb der Knie amputiert werden.
  • Nach ihrer Adoption durch eine US-Familie findet sie den Weg zum Schwimmen.
  • 2021 nimmt sie als 18-Jährige an den Paralympischen Spielen in Tokio teil.

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Es gibt sie, die Momente, in denen Haven Shepherd ihre Situation brutal realisiert. Dann wird sie von einer riesigen Gefühlswelle erfasst. "Dann wache ich auf und realisiere: 'Wow, ich habe keine Beine'", gibt Shepherd in einem Interview auf dem YouTube-Kanal "Truly" zu. Doch das sind tatsächlich nur Augenblicke. Der Rest ist "Faith" – Glaube, ihr zweiter Vorname.

Ihre Eltern sprengten sich in die Luft

Sie war 16 Monate alt, als ihre Eltern 2004 in Vietnam Suizid begingen. Beide sollen eine außereheliche Affäre gehabt haben. Ein Tabu in Vietnam, weshalb beide offenbar keine andere Lösung sahen, als sich mit Haven auf dem Arm mit einer Bombe in die Luft zu sprengen. Die Kleine wurde durch die Luft geschleudert, überlebte aber wie durch ein Wunder.

Es gibt allerdings auch eine andere Version, in der es heißt, dass der Vater die tödliche Entscheidung traf, nachdem Havens Mutter herausfand, dass er bereits eine Familie hatte und ihn verlassen wollte.

"Ein Leben, das ich nie gelebt habe"

Fakt ist das schreckliche Ergebnis: Wegen schwerer Verbrennungen mussten Havens Beine unterhalb der Knie amputiert werden. Die heute 18-Jährige sieht das nüchtern – sie kennt die Geschehnisse nur aus Erzählungen. "Das ist ein Leben, das ich nie gelebt habe, ich erinnere mich nicht daran", sagt sie dem "People"-Magazin.

Was ihr heute in schweren Situationen oft hilft: ihr Sinn für Humor. "Weißt du, was Michael Jordan und ich gemeinsam haben?" wird Haven im "Kansas City Star" zitiert: "Wir sind beide durch die Luft geflogen." Was ihr auch half: Glückliche Zufälle und Liebe auf den ersten Blick.

Denn Shelly und Rob Shepherd verliebten sich 2004 sofort in Haven, als sie auf Einladung eines befreundeten Ehepaares in Vietnam waren. Das befreundete Paar hatte die Stiftung "Touch a Life" gegründet und die Shepherds sich nach langem Überlegen dazu entschieden, ein Kind zu adoptieren – obwohl sie bereits sechs leibliche Kinder haben. Doch das erste Treffen zwischen den US-Amerikanern und der kleinen Haven war wegweisend.

"Ihre Schwester brachte sie und ich streckte meine Hände nach ihr aus und sie streckte ihre Hände nach mir aus und in diesem Moment war es, als wüssten wir beide Bescheid", erinnert sich Shelly Shepherd bei der BBC. Für sie war klar: Haven würde die Familie komplett machen.

Shepherd arbeitet auch als Model

Haven nahm ihre zweite Chance an. In ihrer neuen, extrem sportlichen Familie war der Weg im Grunde vorgezeichnet, der sie über die Leichtathletik schließlich 2012 zum Schwimmen brachte. Im großen Pool im heimischen Garten fing die Karriere an, die sie über Erfolge 2017 bei den Can-Am Open oder 2018 und 2019 bei den World Para Swimming World Series zu den Paralympics führte.

"Wenn ich im Wasser bin, fühle ich mich völlig frei, ich kann ganz ich selbst sein“, sagt Haven, die auch als Model arbeitet, zum Beispiel für das US-amerikanische Modelabel Tommy Hilfiger. Sie will damit anderen Menschen helfen. "Mir wurde klar, dass es den perfekten Körper nicht gibt; nur eine Handvoll Menschen hat diese Art von Körper und diesen Lifestyle", sagt sie.

"Wenn man an sich selbst glaubt, kann man es schaffen"

Die Teilnahme in Tokio hatte sie sich schon mit 13 als Ziel gesetzt. Unter Druck setzt sie sich bei ihren Einsätzen über 100 Meter Brust und 200 Meter Lagen aber nicht. "Meine Ziele sind, ich selbst zu sein und Spaß zu haben", sagte sie in einem Interview auf der offiziellen Paralympics-Seite. "Ich werde nicht mit großen Erwartungen an mich selbst antreten, denn wenn man Erwartungen aufstellt, wird man immer enttäuscht werden."

Das wohl wichtigste Ziel hat sie ja schon längst erreicht: andere zu inspirieren. 33.000 Menschen folgen ihr und ihrer positiven Attitüde auf Instagram. Tendenz steigend. "Wenn man an sich selbst glaubt, kann man es schaffen", sagt sie: "Glaube bedeutet, dass man glaubt, ohne etwas zu sehen und ich habe daran geglaubt, dass ich gut abschneiden werde." Schließlich ist "Glaube" ihr zweiter Vorname.

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Verwendete Quellen:

  • YouTube.com: I Lost My Legs In A Bomb Explosion
  • People.com: She Survived Suicide Bombing in Vietnam as a Baby — Now Paralympian Haven Shepherd Is Competing for Team USA
  • BBC.co.uk: The girl who was never meant to survive
  • Kansascity.com: From bomb survivor in Vietnam to life in Missouri, this paralympian is a living miracle
  • Paralympic.org: Blast survivor Shepherd relishing second chance in Tokyo
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