Die Virologen warnen, die japanische Bevölkerung protestiert, den Rest der Welt interessiert’s nur am Rande. Dennoch finden sie statt: die 32. Olympischen Sommerspiele in Tokio.

Eine Kolumne
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Ein Sommer ohne Corona. Endlich wieder unbeschwert reisen, entspannen, genießen. Darauf hatten wir alle so sehr gehofft. Doch Pandemie und Egoismus machen uns erneut einen Strich durch die Rechnung. Die Infektionszahlen steigen - und damit die Sorge, dass das Virus uns auch noch die nächsten Monate, wenn nicht Jahre begleitet.

Das Leben muss weitergehen, irgendwie. Oder nicht?! Dazu gehören für viele Menschen auch Sportveranstaltungen – allen voran die größte, älteste, prestigeträchtigste von ihnen: die Olympischen Spiele.

„Tokyo 2021“ im Corona-Notstand

Bis 8. August wetteifern Athletinnen und Athleten aus aller Welt in Tokio um olympisches Metall; zum ersten Mal in der Geschichte der Spiele ohne Zuschauer vor Ort. Die 68.000 Plätze im über eine Milliarde Euro teuren Olympiastadion von Tokio bleiben leer, denn in der Stadt und drei benachbarten Präfekturen wurde kürzlich der Corona-Notstand ausgerufen – zum vierten Mal. Mit den bisherigen Maßnahmen gelang es der japanischen Regierung nicht, die Pandemie im Land einzudämmen.

Lasset die Spiele beginnen

Na gut, dann eben ohne Fans. Besser als gar nicht. Das sehen zumindest viele Sportlerinnen und Sportler so, das Internationale Olympische Komitee (IOC) und die japanische Regierung ebenso. Immerhin mussten die Spiele Corona-bedingt bereits um ein Jahr verschoben werden. Lasset die Spiele beginnen! Aber um jeden Preis?

„Tokyo 2021“ wird vermutlich ein Verlustgeschäft, allein aufgrund der Pandemie stiegen die Kosten um mehrere Milliarden Euro, während Ticketeinnahmen ausbleiben und auch die Erlöse rund um den Olympia-Tourismus wegfallen. Viel unberechenbarer indes sind die Auswirkungen, die das Großevent auf den Verlauf der Pandemie haben wird.

Olympisches Super-Spreader-Event?

Rund 100.000 Athletinnen und Athleten, Betreuerinnen und Betreuer, Journalistinnen und Journalisten, Funktionärinnen und Funktionäre aus 206 Ländern werden in den nächsten Tagen in Tokio erwartet. In einer Zeit also, in der die Verbreitung der gefürchteten Delta-Variante die Welt in Atmen hält. Selbst die IOC-Verantwortlichen gehen deshalb davon aus, dass es Infektionen geben wird – trotz eines ausgeklügelten Sicherheitskonzepts, regelmäßiger Testungen und Schutzmaßnahmen.

Die Olympischen Spiele könnten zu einem Super-Spreader-Event werden, warnen Virologen. Schon jetzt ist bekannt: Die Wirksamkeit der Impfstoffe gegen die Delta-Variante fällt geringer aus als gegen das ursprüngliche Virus.

Zeichen der Solidarität – mit wem?

Kaum überraschend, dass die japanische Bevölkerung verunsichert und die Stimmung im Land angespannt ist. Umfragen im Vorfeld zufolge befürwortete die Mehrheit der Japanerinnen und Japaner, dass die Spiele erneut verschoben oder gar abgesagt werden. Doch die japanische Regierung hielt an ihren Plänen fest, verkündete, man wolle mit den Sommerspielen 2021 eine Botschaft des Gemeinschaftsgeistes und Zusammenhalts in die Welt hinaustragen, ein Zeichen der Solidarität setzen. Fragt sich nur mit wem?

Diese große Geste könnte sich bald als große Dummheit entpuppen. Doch die olympische Fackel brennt längst. Und uns, zuhause vor den Bildschirmen, bleibt nur noch eines: Unseren Athletinnen und Athleten in Tokio die Daumen zu drücken. Damit sie sich Medaillen holen und kein Virus.

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