• Den Kampf um ihre zweite Olympia-Teilnahme hatte Alexandra Burghardt schon verloren. Doch dann wurden die Spiele in Tokio wegen der Corona-Pandemie um ein Jahr verschoben.
  • Diese Zeit hat Burghardt genutzt. Seit Saisonbeginn hat sie ihre Bestzeit viermal verbessert. Sie steht jetzt bei 11,01 Sekunden. In Tokio will sie unter elf Sekunden rennen - und mit der Staffel eine Medaille holen.
  • Im Exklusivinterview mit unserer Redaktion beschreibt Burghardt , die uns während Olympia in ihrem Blog auch Einblicke in ihr Leben bei den olympischen Spielen gewähren wird, zudem ihre Erfahrungen mit dem Thema Sexismus.
Ein Interview

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2016 in Rio de Janeiro war Alexandra Burghardt nur die Ersatzfrau für die deutsche 100-Meter-Staffel. Fünf Jahre später ist die Oberbayerin die zweitschnellste Sprinterin in Europa über 100 Meter. Sie hat nach sechs Jahren ohne persönliche Bestzeit ihre Marke bis auf 11,01 Sekunden gedrückt. Und mit der Staffel lief sie in Regensburg die Weltjahresbestzeit. Burghardt hat sich ihre Weltklasseform seit der Absage der Spiele 2020 systematisch und hart erarbeitet. Der ultimative Lohn für die Schufterei wäre eine Medaille in Tokio.

Frau Burghardt, wie schlafen Sie derzeit? Wie nervös sind Sie wenige Tage vor dem Abflug nach Japan?

Nach den Wettkämpfen schlafe ich immer recht schlecht. Ich kriege dann kaum ein Auge zu. Das liegt am Adrenalin und der Anspannung. Ansonsten aber fühle ich mich sehr gut.

Wann genau geht es ins Precamp nach Japan?

Wir fliegen am 19. Juli. Dann sind wir 100-Meter-Sprinterinnen bis 27. Juli dort. Dann geht es für uns ins olympische Dorf.

Welche Schwerpunkte werden in dem Precamp gelegt?

Die ersten zwei, drei Tage geht es vor allem darum, sich zu akklimatisieren. Wir werden bis zu 35 Grad haben, dazu eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit. Sobald wir uns an die Zeitumstellung gewöhnt haben, werden wir zwei scharfe Staffel-Einheiten machen. Dann arbeiten wir mit hohen Geschwindigkeiten an den Feinheiten. Leider ist unser letzter geplanter Staffeleinsatz in Gateshead im Rahmen der Diamond League ausgefallen. Wir haben das Rennen wegen der Delta-Variante des Coronavirus aus Sicherheitsgründen abgesagt.

Wie schwer wiegt diese ausgefallene Generalprobe?

Unsere Weltjahresbestleistung aus Regensburg besteht auch nach Gateshead noch (42,38 Sekunden in der Besetzung Alexandra Burghardt, Lisa Mayer, Tatjana Pinto und Rebekka Haase, Anmerk. d. Verf.). Das Team, das in Regensburg gelaufen ist, ist eingespielt. So sind wir auch schon 2017 auf den Bahamas Staffel-Weltmeisterinnen geworden. Ob es bei diesem Team bleibt, wird sich erst im Precamp entscheiden. Generell sind aber alle unsere Sprinterinnen sehr staffelaffin.

Gibt Ihnen die Staffel einen besonderen Kick? Denn im Grunde seid ihr ja als Einzelsportlerinnen ansonsten Konkurrentinnen.

Auf jeden Fall. Für mich war die Staffel in den letzten Jahren das einzige Thema. Denn ich habe es nicht geschafft, mich über die 100 oder 200 Meter zu qualifizieren. Es ist zwar dieses Jahr etwas anders. Aber trotzdem hat die Staffel für mich nichts an Wert verloren. Wir können Außergewöhnliches leisten. Wir sind sehr gut aufgestellt und liefern viele schnelle Einzelzeiten. Uns zeichnet unsere gute Technik aus. Deshalb können wir auch schnell wechseln. Wir brauchen uns nicht zu verstecken und können im internationalen Vergleich vorne mitmischen. Wir wollen in Tokio um die Medaillen mitlaufen.

Platz vier wäre schon eine Enttäuschung?

Ja. Außer, wir laufen deutschen Rekord oder eine krasse Zeit. Dann waren die anderen einfach besser. Ich war schon oft dabei, und am Ende war es oft der vierte und fünfte Platz. Wir haben immer von dieser Bronzemedaille geträumt (2016 und 2018 reichte es bei den Europameisterschaften dazu, 2017 und 2019 bei den Weltmeisterschaften jedoch nur zu den Rängen vier und fünf, aber jeweils ohne Einsatz für Burghardt, Anmerk. d. Verf.). Dieses Jahr darf ich das Team anführen. Ich möchte diesen Spirit übertragen und eine Staffelmedaille holen.

Vor fünf Jahren in Rio de Janeiro waren Sie bei Olympia nur als Ersatzfrau dabei. Wie erklären Sie sich Ihren Lauf, was die Verbesserung Ihrer Bestzeiten angeht, in diesem olympischen Jahr?

Dafür gibt es viele Gründe. Zu allererst bin ich eine reifere Athletin geworden. Ich kenne mich besser, ich kennen meinen Körper besser, und ich mache viele Dinge besser. Das sind oft Kleinigkeiten und kleine Stellschrauben. Seit der Verschiebung der Olympischen Spiele habe ich mir die Zeit genommen, um meine Wehwehchen hinter mir zu lassen. Von Mitte April 2020 bis Ende August 2020 bin ich im Training keinen einzigen Schritt gelaufen. Ich habe meinen Körper statt dessen mit viel Fitnesstraining gestärkt. Ich habe mich bereit gemacht für Belastungen, für das eigentliche Sprinttraining. Das ist mir auch Dank meines Superteams um mich herum gelungen. Hätten die Olympischen Spiele planmäßig stattgefunden, hätte ich das nicht gemacht. Deswegen war das letzte Jahr entscheidend für mich. Am Wettkampftag wird kein Wunder mehr passieren. Man muss die Monate im Vorfeld nutzen, die richtigen Belastungen trainieren. Ich konnte beispielsweise in den letzten Jahren nie maximales Krafttraining machen. Und die Kraft ist meine Stärke. Wenn ich sie trainieren kann, bin ich eine starke Athletin und kann meine Leistung auf die Bahn bringen.

Das haben Sie in dieser Saison mehrfach bewiesen ...

Spätestens im Trainingslager in Belek im April hat sich gezeigt, dass ich dieses Jahr richtig schnell werde. Mein Trainer (Patrick Saile, Anmerk. d. Verf.) sagte nach einer Tempolauf-Einheit, ich sei auf 11,00-Sekunden-Niveau. Das hat uns beide überrascht. Ich dachte, er habe sich vielleicht verstoppt, es war ja auch Rückenwind. Ich wusste aber, gut in Form zu sein, und dass meine sechs Jahre alte Bestzeit jetzt mal dran glauben muss. So bin ich locker und zuversichtlich und mit Vertrauen in mein Können in die ersten Rennen der Saison gegangen.

Es läuft für Sie so perfekt, dass Sie wenige Tage vor Olympia Ihre Bestzeit stehen haben (Sieg in 11,01 Sekunden in Bulle am 10. Juli, Anmerk. d. Red.). Sie stehen direkt vor der berühmten 11-Sekunden-Schallmauer. Tokio wäre der passende Moment, um sie zu durchbrechen.

Das ist auch mein Ziel. Diese 11,01 Sekunden sind unter sehr guten Bedingungen zustande gekommen. Ich hatte 1,8 Meter Rückenwind pro Sekunde. Zugelassen sind bis zu zwei Metern. Es herrschten 25 Grad Außentemperatur, perfektes Sprinterwetter. Mit zwei Metern Gegenwind kann ich diese 11,01 Sekunden aktuell nicht laufen. In Tokio kommt es auf die Bedingungen an. Aber sie sind für alle acht Atletinnen eines Laufes gleich. Am Ende geht es weniger um die Zeit, sondern um die Platzierung, darum, so weit wie möglich zu kommen.

Sie haben Ihre Bestzeit sechs Jahre lang nicht verbessern können, und dann gleich mehrmals im laufenden Jahr. Sie haben auf den Punkt geliefert, beispielsweise mit Ihrem Sieg bei den Deutschen Meisterschaften. Was macht das im Kopf mit Ihnen?

Ich konnte meine Leistung schon immer dann abrufen, wenn es zählt. Ich kann mich mental in den Zustand bringen, an dem Tag meine beste Leistung abzurufen. Ich kann mich an keinen Wettkampf erinnern, zu dem mir das nicht gelungen ist. Es stand nicht zur Debatte, dass ich das auch bei den Deutschen Meisterschaften kann. Was mich überrascht hat, war die Zeit, da ich nicht damit gerechnet hatte, ohne Rückenwind so schnell zu laufen (11,14 Sekunden, Anmerk. d. Verf.). Im großen Unterschied zu den Vorjahren aber bin ich hingefahren und wusste: 'Ich kann es schaffen.' Ich habe es mir nicht nur vorgesagt oder mich selbst angelogen. Das habe ich jahrelang gemacht. Weil ich wusste: Ich habe auch nicht genug trainiert für eine solche Topzeit. Dieses Jahr ist das anders. Ich war richtig überzeugt, weil ich sehr gut vorbereitet war. Das gibt einem ein Ur-Vertrauen. Man weiß, dass die Leistung in einem steckt.

Ihre Bestzeit spricht dafür: Aber sind Sie gerade auch auf dem Zenit Ihres Könnens?

Auf jeden Fall. Es hat sich durch meine Bestzeiten im Training schon angedeutet. Und ich habe auch im Kraftraum Bestleistungen aufgestellt. Deswegen ist es für mich auch nur logisch gewesen, dass ich es mal im Wettkampf auf die Bahn bringe. Das schätze ich auch an meiner Sportart, dass es eine objektive Einschätzung gibt, denn am Ende steht eine Zeit. Und für die ist man selbst verantwortlich. Man ist auf seiner eigenen Bahn. Man ist weder taktisch noch durch Konkurrentinnen beeinflusst. Jedes Rennen zeigt das tatsächliche Leistungsbild. Das reizt mich.

Und nach Jahren sind Sie endlich schmerzfrei.

Ja, größtenteils.

Was bedeutet größtenteils?

Muskuläre Verhärtungen treten öfters auf. Es ist immer irgendwie irgendwas. In Regensburg bin ich beim Aufwärmen leider umgeknickt und habe mir die Bänder gedehnt. Das merke ich hin und wieder, aber man kann es tapen. Dann funktioniert es. Es ist für Leistungssportler eher komisch, wenn man mal ein oder zwei Wochen lang gar nichts merkt. Dann weiß man, es kommt bald wieder was. Aber ich kann die Signale meines Körpers gut deuten. Jahrelang hatte ich große Baustellen, den Rücken, die Knie. Deswegen kann ich mit einem überdehnten Band gut leben.

Aber im Precamp sollte nichts mehr passieren.

Auf jeden Fall. Für Experimente gibt es keinen Spielraum mehr. Im Alltag bin ich hin und wieder ein kleiner Schussel. Dann nehme ich zwei oder drei Treppen auf einmal, auch abwärts. Das habe ich mir schon in den letzten ein, zwei Wochen versucht, abzugewöhnen. Ich muss vorsichtiger sein und darf nichts riskieren.

Wie reagieren Ihre Teamkolleginnen auf Ihren Leistungssprung in diesem Jahr? Ihr liegt ja von den erzielten Zeiten her eng zusammen.

Die freuen sich alle mit mir. Wir kennen uns ja teilweise schon zehn Jahre lang. In meiner Jugend war ich ja schon sehr erfolgreich und ein großes Talent. Die wussten auch, dass ich angesichts meiner körperlichen Voraussetzungen immer unter meinen Möglichkeiten geblieben bin und dass in mir viel mehr steckt. Jetzt geht es für mich auf. Für die Staffel ist es am Ende von Vorteil, wenn wir alle schnell laufen.

Für Sie erhöht sich mit dem Aufstellen von Bestzeiten auch der Druck. Die Ziele werden größer.

Große Ziele habe ich mir schon die ganze Saison gesteckt. Das ist ein großes Ding mit meinem Mentaltrainer. Wir wollen uns nicht limitieren. Deswegen gehe ich auch nicht in die Spiele und sage: 'Das Halbfinale ist mein Ziel.' Vielleicht habe ich Glück, vielleicht erwische ich den perfekten Lauf. Vielleicht passiert irgendetwas Verrücktes und es klappt mit dem Finale. Die Devise ist: Think big. Ein amerikanischer Sportler und eine jamaikanische Sprinterin fahren nicht zu den Olympischen Spielen und sagen: 'Ach, das Halbfinale wäre cool.' Die sagen, dass sie Olympiasieger werden wollen. Das geht meistens auf. Große Ziele sind wichtig. Man muss sich selbst treu bleiben. Dann darf man auch Ziele haben. So gehe ich an die Spiele und die nächsten Monate heran.

Wäre für Sie schon alles gut, wenn Sie ins Finale über 100 Meter kämen?

Da muss ich auf meinen Mentaltrainer hören und mir große Ziele setzen. Wir schauen natürlich von Rennen zu Rennen, und es muss alles passen. Für eine Finalistin aber ist es nicht die richtige Einstellung, zu sagen: 'Jetzt ist egal, was passiert.' Im Finale muss man erst recht das Beste herausholen.

Wenn alles passen muss, muss auch die Anpassung an japanische Verhältnisse passen. Wie stellen Sie sich auf die Zeitumstellung ein?

Wir waren schon einige Male in Japan. Wir hatten 2019 ein Trainingslager auf der Insel Okinawa, und dann war die Staffel-WM in Yokohama. Und auch 2011 hatte ich schon einen Wettkampf in Japan. Ich bin schon desöfteren in die Richtung geflogen. Ich komme mit der Umstellung gut zurecht. Nach der Anreise bin ich müde und erschöpft, aber wenn ich danach eine Nacht richtig gut schlafe, bin ich schon in der Zeitzone angekommen. Man wird mal müde, aber der schlimmste Fehler wäre, sich dann hinzulegen. Da ich aber kein Tagschläfer bin, gelingt es mir, abends zu schlafen, und dann schlafe ich durch.

2016 in Rio de Janeiro haben Sie bereits Olympische Spiele erlebt, damals jedoch nur als Ersatzläuferin für die Staffel. Was nehmen Sie davon mit für Tokio?

Gerade im Hinblick darauf, dass die Spiele dieses Jahr ohne Zuschauer stattfinden und viele andere Dinge, die ich von 2016 kenne, nicht so sein werden, habe ich es immerhin schon gesehen. Es ist für mich nicht der Riesen-Wermutstropfen, dass es in Tokio anders ist. Ich habe dieses olympische Erlebnis schon mal gehabt. Ich weiß, wie es im Normalfall ist. Aber ich habe bis zum Schluss gehofft und mir gewünscht, dass 10.000 Zuschauer im Stadion sein können. Gerade auch im Hinblick auf das volle Wembley-Stadion bei der EM. Ich habe das auch kritisch gesehen. Aber mit Maske und Abstand wären auch in Tokio ein paar Zuschauer im Stadion möglich gewesen. Das liegt aber leider nicht in der Hand der Athleten. Wir müssen damit leben und versuchen, dass es trotzdem für uns Olympische Spiele sind. Und das werden sie auch werden. Der Wert der Veranstaltung bleibt gleich.

Wie sehr ärgert es Sie, dass bei Olympia nicht gehen soll, was bei der Fußball-EM möglich war?

Im ersten Moment hat es mich riesig geärgert, da bin ich ganz offen. Tatsächlich hatte ich ein bisschen Unverständnis. Es war zwar seit Monaten klar, dass in Tokio keine ausländischen Zuschauer zugelassen sein werden. Damit habe ich mich schon abgefunden. Aber ich habe auf die Unterstützung des japanischen Publikums gehofft. Es ist auch ein riesiges Stadion in Tokio. Meiner Meinung nach muss es mit Corona-Tests, Abstand und Maske möglich sein, einige Leute dort hereinzusetzen. Deswegen war ich im ersten Moment sehr enttäuscht. Ich habe aber schnell versucht, diesen Gedanken aus meinem Kopf zu kriegen - weil ich es nicht ändern kann. Es bringt mir auch nichts, mich darüber aufzuregen oder traurig zu sein. Ich muss nach vorne schauen und mich auf meinen Wettkampf konzentrieren.

Vom Typ her: Ist es Ihnen egal, ob Zuschauer drumherum sind, oder würden diese Sie auch pushen?

Schwierige Frage. Wir mussten ja in den letzten Monaten ganz viel ohne Zuschauer machen, und ich konnte mich trotzdem pushen. Gerade nach dem Rennen ist es natürlich viel schöner, wenn man sich nicht nur selbst feiert, sondern mit dem Publikum. Das Interagieren mit den Fans fehlt total. Und das ist wichtig für die Sportart, für die Zuschauer, für den Nachwuchs, für alle. Das gehört einfach dazu. Ich kann meine Leistung trotzdem sehr gut abrufen. Ich bin aber gespannt darauf, was sich die Veranstalter einfallen lassen. Ich habe gehört, es könnte ein paar virtuelle Sachen geben. Ich weiß zwar nicht, ob das ankommt und vergleichbar ist. Aber ich denke nicht, dass es zu Einbußen bei der Leistung kommen wird.

Erstmals werden in der olympischen Geschichte gleich viele Athletinnen wie Atleten am Start sein. Für Sie eine überfällige Entwicklung?

Eine ultrawichtige Entwicklung. Gerade, wenn es um das Thema gleicher Berichterstattung geht. Denn die findet außerhalb der Olympischen Spiele nicht statt. Nur zu zehn Prozent wird über weibliche Sportlerinnen berichtet. Das ist ultrawenig.

In meiner Freizeit bin ich für eine Kinder-Leichtathletikgruppe verantwortlich. Die ist gemischt mit Mädchen und Jungs. Es fällt mir aber auf, dass gerade die Jungs ganz andere Vorbilder haben. Obwohl sie Leichtathletik machen, sagt jeder zweite Junge, er möchte Fußballprofi werden. Bei den Mädels sieht es ein bisschen anders aus. Aber da fehlen die sportlichen Vorbilder. Und zum sportlichen Erfolg gehören auch Schweiß und Arbeit. Das wird oft noch nicht mit weiblichen Rollenbildern verbunden. Das finde ich schade. Deswegen ist es für mich enorm wichtig, dass auch meine Trainingskinder mich im Fernsehen sehen können. Komischerweise möchten sie jetzt alle zu Olympia. Ich habe meinen Job schon getan.

Für die Jugend und die Kinder wäre es aber mal extrem wichtig, auch ein Frauenfußballspiel zu sehen, ein Frauenhandballspiel im Fernsehen zu sehen. Sehr viele Mannschaftssportarten werden in diesem Punkt sehr vernachlässigt. Die finanziellen Auswirkungen auf weibliche Sportlerinnen sind der zweite Punkt. Weniger Präsenz bedeutet weniger Sponsoren, bedeutet weniger Werbemöglichkeiten und am Ende weniger Gehalt. Dabei ist die Arbeit die gleiche. Die Leistungen sind die gleichen. Und die Erfolge sind genauso wertzuschätzen. Deswegen sollte es auch für Sportlerinnen möglich sein, von ihrem Sport zu leben, wenn sie ihn professionell betreiben. Egal, in welcher Sportart.

In einer anderen klassischen olympischen Sportart, dem Turnen, hat Kunstturnerin Sarah Voss ein Zeichen gegen Seximus gesetzte, als sie im Ganzkörperanzug antrat: Ist das für Sie auch denkbar, um auf diese Problematik aufmerksam zu machen?

Das ist ein sehr, sehr wichtiges Thema. Ich finde es super, dass die Sarah Voss dazu steht und sich im Wettkampf im Ganzkörperanzug präsentiert hat. Es gibt diese Kommentare. Sexismus ist in dieser Hinsicht Alltag. Rein auf die Kleidung bezogen, war das aber schon immer so. Ich habe schon als Kind Wettkämpfe im Zweiteiler bestritten, mich dabei aber nie unwohl gefühlt. Bodyshaming ist ein weiterer Punkt. Ich fühle mich wohl, so wie ich auftrete und bin dabei so individuell, wie ich sein kann. Mal lange Ärmel, mal kurze Ärmel, je nachdem, wie ich Lust habe. Ich bin mir noch nicht sicher, wie mein Outfit bei den Spielen aussieht, ob es ein Einteiler ist oder ein Zweiteiler. Ich sehe das ganz locker. Ich versuche, mich nicht von anderen Blickrichtungen und Sichtweisen beeinflussen zu lassen. Sobald es zu extrem wird, finde ich es aber auch super, dass man ein Statement setzt. Ich würde auch mal in einem Ganzkörperanzug antreten. Ich denke auch nicht, dass es unbequemer ist. Eventuell ist es ein bisschen heißer, wenn man sich bei 30 Grad aufwärmt.

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