Im olympischen Eiskanal waren deutsche Athleten im Rodeln und Bob mal wieder kaum zu schlagen, auch beim Skeleton gab es Edelmetall. Aber woher kommt diese urdeutsche Dominanz in diesen Disziplinen eigentlich?

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Bob Jamaika war mal ein Exot, so wurde das vor 30 Jahren jedenfalls eingestuft. Eine Mannschaft aus der Karibik im Eiskanal bei Olympia: Das war ebenso wenig vorstellbar wie eine Tasse Kaffee für zehn D-Mark oder ein Kunstprojekt wie RB Leipzig in der Bundesliga.

Heute erscheint das völlig normal. Inzwischen treten sogar Langläufer aus Ecuador und Skifahrer aus Osttimor bei olympischen Wettbewerben an.

Auch ins Alpensia Sliding Center, der Bob- und Rodelbahn der Olympischen Spiele von Pyeongchang, haben sich wieder ein paar ungewöhnliche Gäste getraut. Akwasi Frimpong zum Beispiel, ein Skeletonpilot aus Ghana. Oder Bob Nigeria, ein Frauenteam aus einem Land, in dem keine einzige Schneeflocke zu Boden fällt.

Die Exoten formulieren die Herzensgeschichten im Alpensia Sliding Center aus. Die Erfolgsgeschichten schreiben aber weiterhin die Athleten aus Deutschland.

Natalie Geisenberger (Rodeln/Einsitzer), Tobias Wendl/Tobias Arlt (Rodeln/Doppelsitzer), Rodel-Team (Mannschaftswettbewerb), Francesco Friedrich/Thorsten Margis (Zweierbob), Mariama Jamanka/Lisa-Marie Buckwitz (Zweierbob) haben Gold geholt.

Dazu kommen Silbermedaillen von Dajana Eitberger (Rodeln/Einsitzer) und Jacqueline Lölling (Skeleton), sowie Bronzemedaillen von Johannes Ludwig (Rodeln/Einsitzer) und Toni Eggert/Sascha Benecken (Rodeln/Doppelsitzer). Wie eigentlich immer dominieren deutsche Athleten in der Eisrinne. Aber warum ist das so?

Ganz viel Tradition

Es gibt eine ganze Reihe von Gründen für den dauerhaften Erfolg deutscher Rodler, Bob- und Skeletonpiloten bei Großereignissen und in den Weltcups. Der wichtigste dürfte ein ganz banaler sein: die Tradition.

Deutschland ist ein klassisches Wintersportland, was schon mal ein großer Unterschied zu rund 90 Prozent aller anderen Nationen der Welt ist. Kaum ein Kenianer oder Brasilianer dürfte je mit natürlichem Eis und Schnee in Berührung kommen, geschweige denn mit einem Sportgerät wie dem Bob oder einem Rennrodel.

Aus dieser jahrhundertelangen Tradition mit wilden Bergabfahrten, mittlerweile auch eine große Gaudi für Flachländler, ist ein Sportzweig entstanden, der seither gehegt und gepflegt wird.

Die Konkurrenz in den Disziplinen der Eisrinne ist nicht besonders groß. Angeblich zählt der Rodelsport weltweit nur rund 7000 aktive Fahrer. Die Zahl der aktiven Fußballspieler wird auf rund 270 Millionen geschätzt.

Der Kreis an Kandidaten ist selbst im Rodelland Deutschland überschaubar. Der Bob- und Schlittenverband hat knapp 7000 Mitglieder, inklusive aller Bob-, Skeleton- und Naturbahnfahrer. Damit ist er einer der kleinsten Sportverbände des Landes, noch hinter Minigolf oder Darts.

Und trotzdem bekommen die Sportarten eine vergleichsweise großzügige Förderung - weil die Erfolge eben für sich sprechen.

Hervorragende Infrastruktur

In keiner Wintersportübertragung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens dürfen die Dauer-Erfolge der Rodlerinnen und Rodler fehlen. Felix Loch ist trotz seiner verpassten Goldmedaille zuletzt ein Star im deutschen Profisport. Früher hatten Georg Hackl oder die Piloten aus der ehemaligen DDR diese Rollen eingenommen.

Die Zusammenlegung beider Rodelverbände nach der Wende hat die deutschen Fahrer auf Jahre hinaus nahezu unschlagbar gemacht.

Der Kreislauf aus Erfolgen und Subventionierung wurde nie durchbrochen, junge Talente haben in Deutschland zudem in bestens präparierten Bahnen die Möglichkeiten, sich zu entwickeln.

Die Ski- oder Snowboard-Freestyler etwa schimpfen seit Jahren über die schlechten Trainingsbedingungen in Deutschland, nicht mal anständige Halfpipes gebe es da, um den meilenweiten Vorsprung der US-Amerikaner wenigstens ein bisschen aufzuholen.

In den USA gibt es die höchsten und besten Halfpipes überhaupt - das nötige Kleingeld, um sich selbstfinanziert dort aufzuhalten und trainieren zu können, hat aber kein deutscher Athlet. Und so lange die Erfolge fehlen, ist mit großen Zuschüssen vom Sportbund oder der Sporthilfe kaum zu rechnen.

Das Land der Tüftler

Und dann ist da ja noch die Sache mit der Technik. Im Hämmern und Schrauben und Tüfteln sind die Deutschen immer noch Weltmeister. Ingenieurskunst ist ein großes Thema und in den schnellsten Speed-Disziplinen der Welt ist der beste Athlet nichts ohne ein mindestens ebenso überragendes Gefährt.

Das gilt in der Formel 1 wie beim Ski alpin und natürlich auch bei Rodeln, Skeleton oder Bob. Kufenschliff und -präparation sind eine Wissenschaft für sich, das Werkeln an den Boliden und Schlitten kultiviert offenbar kein anderer Verband so wie der deutsche.

Das Know-How wird von Generation zu Generation weitergegeben, die ehemaligen Weltklasse-Fahrer sind eingespannt in den Trainerteams und bei den Serviceleuten. Das zementiert den Status quo im Kampf um Hundertstel oder sogar Tausendstel. Die Teilbereiche Start, Fahrgeschick und Technik sind als Dreiklang zu verstehen.

Fällt eine Komponente aus, war es das mit den Siegen. Als die deutschen Bobs in Sotschi zu langsam waren, holte sich der Verband einen externen Dienstleister, der Bobs lieferte. Auch das kann sich kaum ein Konkurrent leisten.

Also bleiben die Disziplinen im Eiskanal für Deutschland das, was das Tischtennis für die Chinesen oder das Eisschnelllaufen für die Niederländer ist: eine Domäne.

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