Der NFL-Draft (in der Nacht von Donnerstag auf Freitag ab 1:45 Uhr auf ProSieben MAXX und ran.de) ist das wohl größte Sportereignis im gesamten April. Football-Kommentator Patrick Esume spricht mit uns über die Talentziehung, über den Wechsel von Superstar Tom Brady und über Unterschiede zwischen Fußball und Football.

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Im Nachwuchs liegt die Kraft: Der NFL-Draft im American Footballl steht bevor. Die 32 NFL-Teams wählen in insgesamt sieben Runden die besten Talente aus dem College-Football aus.

Dabei gilt grundsätzlich: Das schlechteste Team aus der Vorsaison (diesmal die Cincinnati Bengals) darf zuerst einen Wunschspieler auswählen, der amtierende Super-Bowl-Champion (Kansas City Chiefs) zuletzt. Auf diese Weise soll für Chancengleichheit gesorgt werden.

In Zeiten von Corona steht der NFL-Draft allerdings unter ganz besonderen Vorzeichen. Wir haben mit ran-Experte Patrick Esume darüber gesprochen.

Herr Esume, ist es für Sie die richtige Entscheidung, den NFL-Draft während der Coronakrise überhaupt stattfinden zu lassen?

Patrick Esume: Ja, ich denke schon. Ich glaube nämlich nicht, dass sich die Situation in den Vereinigten Staaten in den nächsten Monaten großartig verbessern wird. Und je weiter man den Draft nach hinten schieben würde, desto schwieriger würde es, noch rechtzeitig vor dem Saisonstart die Verträge mit den Spielern auszuhandeln. Dass der Draft nun virtuell stattfindet, ist die richtige Lösung.

Was genau ist ein virtueller Draft?

Normalerweise findet der Draft auf einer Bühne vor einem großen Publikum statt. Das ist in Zeiten von Corona nicht möglich. Daher sitzen sowohl die Verantwortlichen der NFL-Teams als auch die Spieler zu Hause. Die Manager der jeweiligen NFL-Teams schalten sich online per Konferenz zusammen und besprechen, welchen Spieler sie nehmen möchten. Das Problem ist, dass jedes Team nur wenige Minuten Zeit hat, um sich für einen Spieler zu entscheiden. Bei Abstimmungsproblemen oder technischen Schwierigkeiten könnte es eng werden. Ein weiteres Problem könnte durch Hacker entstehen.

Inwiefern?

Ich könnte mir vorstellen, dass sich einige Menschen aus Spaß in die Teamsitzungen hacken werden, den NFL-Boss anrufen oder Leitungen blockieren. Das gab es früher schon: Der ehemalige deutsche NFL-Profi Björn Werner wurde bei seinem Draft im Jahre 2013 Opfer von einem Hacker-Anruf und dachte, er wäre bereits von einem Team ausgewählt worden. Dabei war das nur ein Fake.

Könnte es auch sein, dass die NFL-Teams Hacker beauftragen, die sich in die Teamsitzungen der anderen Vereine einwählen und Informationen herausbekommen sollen?

Das kann ich mir weniger vorstellen. Aber wer weiß: Es gibt einige NFL-Teams, die bei Gelegenheit gerne einmal schummeln.

Inwiefern wurde die Suche nach dem besten College-Spieler durch Corona erschwert?

Es gab für die NFL-Teams wenig und teilweise überhaupt keine Möglichkeit, sich die jungen Spieler auf dem Trainingsplatz anzuschauen, mit ihnen zu sprechen und sie von einem Mannschaftsarzt untersuchen zu lassen. Das ist sehr wichtig. Ich bringe mal ein Beispiel: Der Quarterback Tua Tagovailoa gilt als einer der besten Spieler beim NFL-Draft, zog sich allerdings eine schwere Hüftverletzung zu. Normalerweise hätten die NFL-Teams ihn einfliegen und untersuchen lassen. Das war nicht möglich. Daher wissen die interessierten Vereine jetzt nicht, ob er körperlich überhaupt gesund ist. Es wird interessant, ob er trotzdem von einem Team als einer der ersten fünf oder sechs Spieler ausgewählt wird oder ob er nach unten rutscht.

Auf welche Spieler sollte der Football-Laie beim NFL-Draft ansonsten noch achten?

Die besten Spieler sind Quarterback Joe Burrow und Defensive End Chase Young. Die beiden dürften an Position eins und zwei ausgewählt werden.

Die NFL-Saison 2020 soll im September beginnen. Nun ist American Football ein Vollkontakt-Sport. Glauben Sie, dass die Saison in Zeiten von Corona überhaupt wie gewohnt stattfinden kann?

Ich bin kein Virologe und kann das daher schwer abschätzen. Ich glaube aber, dass die Saison in irgendeiner Form stattfinden wird. Die Liga ist so groß und einflussreich, da steckt so viel Geld hinter. Die Frage ist, in welcher Form die Spielzeit stattfindet. Beginnt die Saison vielleicht einen Monat später im Oktober und wird verkürzt? Gibt es ausschließlich Geisterspiele? Ich weiß es nicht.

Die NFL produzierte im März durch den Wechsel von Tom Brady auch in Deutschland Schlagzeilen. Der sechsmalige Super-Bowl-Sieger hat die New England Patriots nach 20 Jahren verlassen und wagt im Alter von bald 43 Jahren einen Neuanfang bei den zuletzt eher erfolglosen Tampa Bay Buccaneers. Warum macht er das?

Weil er Tom Brady ist und weil ihn genau das ausmacht. Deshalb hat er sechs Super-Bowl-Siege. Er ist niemals zufrieden. In einem Interview hat er verraten, dass es ihm nie um sein Vermächtnis ging. Er will einfach Football spielen. Er fühlt sich noch immer gut genug, um auf dem höchsten Level zu spielen. Die New England Patriots sind einen anderen Weg gegangen. Das ist völlig legitim. Aber ich glaube, dass sich einige Skeptiker darüber wundern werden, was der alte Brady in Tampa abliefern wird.

Welche NFL-Teams könnten in der kommenden Saison ansonsten noch für eine Überraschung sorgen?

Ich traue neben Tampa Bay auch den Las Vegas Raiders und den Arizona Cardinals eine Überraschung zu. Die beiden Teams sind auf einem guten Weg.

Sie haben auch Erfahrungen beim Fußball gesammelt, haben zum Beispiel kürzlich eine Trainer-Hospitanz beim Hamburger SV gemacht. Würden Sie sich einige Regelungen aus der NFL, zum Beispiel den Draft oder eine Gehaltsobergrenze, auch für den Fußball wünschen?

Auf jeden Fall. Einen Draft kann es im deutschen Fußball zwar nicht geben, weil das Sportsystem ein völlig anderes ist. In den USA werden die Spieler von den Colleges ausgebildet, in Deutschland von den Vereinen. Aber eine Gehaltsobergrenze könnte ich mir gut vorstellen. Das sorgt für eine Ausgeglichenheit, damit die Liga nicht langweilig wird. Es wäre im Fußball allerdings schwieriger umzusetzen, weil es internationale Wettbewerbe wie die Champions League gibt. Daher müsste die Gehaltsobergrenze zumindest europaweit gelten. Allerdings droht dann die Gefahr, dass die besten Spieler nach China oder Russland wechseln. Daher habe ich Zweifel, dass es im Fußball jemals eine Gehaltsobergrenze geben wird – auch wenn der Sport dadurch spannender wäre.

Patrick Esume wurde am 3. Februar 1974 in Hamburg geboren. Er arbeitet als Experte und Kommentator für "ran Football", ist ehemaliger Nationaltrainer Frankreichs und lief selbst in der höchsten deutschen Football-Liga als Spieler auf. In der Vergangenheit hospitierte er unter anderem bei dem NFL-Team der Las Vegas Raiders (damals noch Oakland Raiders).

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