Lange galt Wladimir Klitschko als unschlagbar. Gegen Anthony Joshua ist er plötzlich der große Außenseiter. Gut möglich, dass er nach dem Kampf seine Karriere beendet.

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17 Monate sind vergangen, seitdem Wladimir Klitschko überraschend gegen Tyson Fury unterlag und seine WM-Titel verlor. Zweimal bereitete sich der Ukrainer auf einen Rückkampf vor. Beide Male sagte der Gegner ab.

Nun boxt er am Samstag in London gegen den britischen Weltmeister Anthony Joshua – und ist erstmals seit mehr als zehn Jahren wieder in der Außenseiterrolle.

Ist Klitschkos Zeit vorbei?

Klitschko hat großen Respekt vor seinem Gegner. "Ich glaube, dass er die Schwergewichtsklasse nach meiner Zeit dominieren wird", sagte er im Interview mit der Zeitschrift Boxsport. Joshua ist ein echter K.O.-Schläger. Er gewann all seine 18 Profikämpfe vorzeitig, 16 sogar innerhalb der ersten drei Runden. Zudem ist er rund 13,5 Jahre jünger als der 41-jährige Klitschko.

Bei den Wettanbietern ist Joshua der klare Favorit. Auch viele Experten bezweifeln, dass Klitschko noch einmal Weltmeister wird. "Wladimirs Zeit ist, glaube ich, vorbei. Sein letzter Kampf gegen Fury grenzte an Arbeitsverweigerung", sagte der ehemalige Box-Weltmeister Sven Ottke gegenüber der Sport Bild.

US-Boxer Shannon Briggs sieht bei dem Ukrainer sogar ein mentales Problem: "In Klitschkos Kampf gegen Tyson Fury ist uns allen aufgefallen, dass er nicht getroffen werden wollte. Sobald du Angst hast, Schläge abzubekommen, kann alles passieren. Daher hat Joshua eine gute Chance, Wladimir auszuknocken."

Erfahrung als einziger Vorteil

Tatsächlich scheint Joshua gegenüber Klitschko einige Vorteile zu haben: Er ist schneller, hat mittlerweile mehr Schlagkraft und boxt variabler. Während Klitschko auf seinen Boxstil festgefahren ist, passt Joshua seine Strategie immer wieder an den Gegner an und schlägt aus allen Lagen.

Für Klitschko spricht eigentlich nur die Erfahrung. "Egal, wie gut man ist: Erfahrung kann man sich nicht im Geschäft kaufen. Man erhält sie durch mehr und mehr Kämpfe", verriet er in der Boxsport. Klitschko blickt auf 68 Profikämpfe zurück.

Im Gegensatz zu Joshua kennt er auch das Gefühl, in einem großen Stadion zu boxen. Die 90.000 Zuschauer im Wembley-Stadion dürften ihn also weniger beeindrucken als den Gegner.

Ob das aber genügt, um noch einmal die Weltspitze zu erklimmen? Bei jedem großen Schwergewichtsboxer kam irgendwann der Zeitpunkt, ab dem sie ihr Potential nicht mehr abrufen konnten. Bei den Box-Legenden Mike Tyson und Muhammad Ali geschah das um den 36. Geburtstag herum. Klitschko hingegen hat längst die 40 überschritten.

Rückzug oder Kampf?

Fragen über seine weitere Karriereplanung beantwortet Klitschko nicht. Seine Planung gehe nur bis zum Kampf gegen Joshua, sagte er immer wieder. Gewinnt er, wäre das eigentlich der perfekte Zeitpunkt, um als Weltmeister zurückzutreten. Aber vielleicht will er noch gar nicht aufhören.

Dann wäre ein Kampf gegen den US-amerikanischen Weltmeister Deontay Wilder eine Option. Mit ihm ließe sich in den USA, dem größten Boxmarkt der Welt, richtig Kasse machen.

Wilder wäre jedenfalls nicht abgeneigt, will sich den Kampf zwischen Klitschko und Joshua sogar live in London anschauen. "Ich möchte die beiden genau beobachten. Vielleicht können wir danach einen großen Titelvereinigungskampf machen", kündigte Wilder gegenüber der Zeitung USA Today an.

Oder gibt es einen Rückkampf zwischen Klitschko und Joshua? Zumindest im Falle eines knappen Ausgangs wäre das eine Möglichkeit. Bereits jetzt kassieren beide Boxer jeweils rund 20 Millionen Euro. Heiß erwartete Rückkämpfe sorgen meist für noch höhere Börsen.

Vom Boxer zum Geschäftsmann und Dozenten

Sollte Klitschko gegen Joshua allerdings wirklich unterlegen sein, scheint ein Karriereende unausweichlich. Ex-Weltmeister Henry Maske sagte gegenüber dem Sport-Informations-Dienst (SID): "Bei einer klaren Niederlage wüsste ich nicht, welche Motivation er noch hätte. Irgendwann ist deine Ära vorbei."

Angst vor seinem Karriereende hat Klitschko jedenfalls nicht. "Ich werde nicht auf dem Sofa sitzen, Bier trinken und TV schauen", verspricht er im Interview mit der Sport Bild. "Die Rolle als Geschäftsmann und Dozent bereitet mir schon jetzt großen Spaß."

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