Am Samstag beginnt die Tour de France. Der Radsport trotzt damit Corona. Das Damoklesschwert eines möglichen Abbruchs hängt aber ständig über der Veranstaltung. Und noch etwas anderes macht den Fahrern Sorgen: die immer häufiger vorkommenden Stürze. Der deutsche Profi Maximilian Schachmann erwartet bei der Tour sogar ein "Gemetzel".

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Anfang August, Auftakt der Polen-Rundfahrt. Die Fahrer ziehen zum Schlusssprint an. Dylan Groenewegen schneidet Fabio Jakobsen, der stürzt und kracht in die Absperrungen und gegen einen Fotografen. Der Niederländer liegt nach dem Unfall zunächst im Koma, inzwischen ist er auf dem Weg der Besserung.

Knapp einen Monat danach beginnt am 29. August in Nizza die Tour de France. Und einige Fahrer haben vor dem Start Befürchtungen, die nichts mit Corona zu tun haben.

Schachmann: "Wir sollten mit einem Gemetzel rechnen"

So rechnet der deutsche Radprofi Maximilian Schachmann auch bei der Tour wieder mit schlimmen Stürzen. "Die vorangegangen Ausgaben der Tour haben ja schon gezeigt, dass wir eher mit einem Gemetzel rechnen sollten", sagte der 26-Jährige der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Er erklärte weiter: "Manchmal schaukelt sich das im Feld auch so auf: Da fangen drei Mannschaften an, unruhig zu fahren und zu drängeln. Dann steigen die nächsten und die nächsten mit ein. Wie ein Schneeball, der ins Rollen kommt und eine Lawine auslöst."

Doch nicht nur das Verhalten der Fahrer selbst ist maßgeblich für das erhöhte Vorkommen von Stürzen im Radsport. Die Sportler üben immer wieder Kritik an der gefährlichen Streckenführung verschiedener Rennen und damit auch am Weltverband UCI, der für die Abnahme der Routen verantwortlich ist.

So war unter anderem der deutsche Radstar Emanuel Buchmann auf einer Abfahrt bei der Dauphiné-Rundfahrt schwer gestürzt und hatte danach moniert, es gebe bessere Straßen in dieser Gegend.

Auch nach Jakobsens Sturz geriet schnell der Verband in die Kritik. Schließlich hatte er die Strecke mit den schlecht befestigten Absperrgittern durchgewunken. Und Schachmann war bei der Lombardei-Rundfahrt von einem Privatauto gerammt worden, das plötzlich auf die Strecke gelangt war. Er tritt nun mit noch nicht ganz auskuriertem Schlüsselbeinbruch bei der Tour de France an.

Tour de France: Tony Martin fühlt sich von der UCI im Stich gelassen

Der siebenmalige Zeitfahrweltmeister Tony Martin ist einer, der immer wieder auf die Missstände im Radsport hinweist. Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) prangert er an: "Eine Abfahrt, auf der zuletzt Kruijswijk und Buchmann (bei der Dauphiné-Rundfahrt; Anm.d.Red.) gestürzt sind, habe ich so noch nie gesehen. Das war mutwillig, dass auf einer Straße mit solchen Schlaglöchern und Kies runtergefahren wird."

Er fühle sich "ganz klar" von der UCI im Stich gelassen. Der Verband sei für die Gesundheit der Fahrer verantwortlich. "Dazu gehört eine ordentliche Streckensicherung und eine entsprechende Besichtigung. Wenn die Straße grottenschlecht ist, kann man da nicht lang fahren." Dem Verband sei jedoch Geld verdienen wichtiger als eine Streckensicherung.

Die UCI will nach den vielen Stürzen ihre Sicherheitsmaßnahmen verstärken, teilte jedoch auch mit, dass viele Stürze das Ergebnis einer Nichtberücksichtigung der Sicherheitsbestimmung gewesen seien und nimmt so die Fahrer selbst stärker in die Pflicht.

Doch auch die Coronakrise ist ein Aspekt, den man in diesen Zeiten nicht vernachlässigen kann, wie Ex-Radprofi Jens Voigt im Gespräch mit der "Stuttgarter Zeitung erklärt: "Durch Corona wurden 200 Renntage in 100 Kalendertage gequetscht. Die Fahrer haben dadurch nur in den Monaten August, September und Oktober Zeit, sich für einen neuen Vertrag zu empfehlen."

Zudem hätten die Fahrer nicht die Zeit gehabt, sich in kleineren Wettfahrten an das hohe Renntempo zu gewöhnen. "Die Radprofis gehen dann bergab ein Risiko ein, für das sie noch gar nicht bereit sind", sagte Voigt. Generell sieht er im Radsport ein äußerst großes Risiko: "Er ist tatsächlich gefährlicher als die Formel 1." (ska/dpa)

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