Die deutschen Handballer haben nicht viel Zeit, um ausgiebig enttäuscht zu sein. Nach dem 26:29 gegen Dänemark und dem Halbfinal-Aus bei der Heim-EM wurde der Blick deshalb schnell nach vorne gerichtet. Denn im Spiel um Platz drei kann sich das DHB-Team gleich doppelt belohnen. Allerdings konnten nicht alle das Spiel gegen den Weltmeister sofort abhaken.

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Johannes Golla war die Enttäuschung deutlich anzusehen. Abgekämpft war der Kapitän der deutschen Handball-Nationalmannschaft, ziemlich fertig und auch niedergeschlagen. Trotzdem blickte der 26-Jährige schnell nach vorne. Die Zeit, um sich mit der Enttäuschung groß auseinanderzusetzen, hat die DHB-Auswahl auch gar nicht. Denn auch wenn der große Traum vom Finale durch das 26:29 gegen Weltmeister Dänemark geplatzt ist – die Handballer haben bei der Heim-EM noch etwas zu erledigen. Sie können sich nämlich gleich doppelt belohnen.

Deshalb pickte sich Golla vor allem die positiven Erkenntnisse der Niederlage heraus. "Ich bin ich sehr, sehr stolz, vor allem auf die erste Halbzeit, aber auch auf den Kampf, den wir über 60 Minuten geliefert haben", sagte Golla im ZDF. Auch Jannik Kohlbacher unterstrich, man habe alles auf dem Platz gelassen, was man gehabt habe. "Wir haben mit absoluter Leidenschaft, dazu sehr, sehr clever gespielt. Wir haben unglaublich gekämpft, haben alles reingeworfen", sagte er. Am Ende belohnten sich Golla, Kohlbacher und Co. aber nicht für den in der ersten Halbzeit dominanten und insgesamt über weite Strecken couragierten und leidenschaftlichen Auftritt.

Positive Überraschungen

Das DHB-Team bot dem großen Favoriten erfolgreich die Stirn, die Abwehr und Torhüter Andreas Wolff warfen sich förmlich in dieses Halbfinale, und die Offensive um Spielmacher Juri Knorr setzte immer wieder erfolgreiche Nadelstiche, war effektiv. Und dann gab es da auch noch positive Überraschungen wie U21-Weltmeister Renars Uscins, der sogar zum "Man of the Match" gewählt wurde und mit fünf Treffern zudem bester Torschütze war. Er stand für den mutigen, den unbekümmerten und intensiven Teil des deutschen Spiels, mit Fehlern in der zweiten Halbzeit aber auch für das, was dem jungen deutschen Kader zur Weltspitze noch fehlt. Viel war es an diesem Tag nicht.

"Ich bin sehr, sehr stolz auf die Jungs", sagte ein zufriedener Bundestrainer Alfred Gislason, der eine "phänomenale erste Halbzeit" lobte. "In der zweiten Halbzeit haben wir ein bisschen zu viel verworfen. Letztendlich hat sich die Routine der Dänen durchgesetzt. Die haben einen unglaublich breiten Kader, sie sind die beste Mannschaft der Welt. Schade, dass wir es nicht bis zum Ende geschafft haben."

Während die Dänen nach der Pause vorne effektiver, spielerisch deutlich stärker und mit einer verschärften 7-gegen-6-Taktik auftraten und so die Kontrolle übernahmen, verlor die deutsche Defensive immer mehr den Zugriff. Und vorne irgendwann den Faden, weil Torhüter Emil Nielsen unglaubliche 42 Prozent der Bälle hielt.

Gislason: "Dieses Spiel bringt der Mannschaft sehr viel"

Gislason war aber bemüht, das Positive hervorzuheben, auch um sein Team schnell aufzurichten. "Wenn die Jungs ihre eigene Leistung anschauen, werden sie merken, dass wir ein sehr gutes Handballspiel gezeigt haben", sagte Gislason. "Wir haben sehr unerfahrene Leute, die ein Riesenspiel liefern. Was die Jungs in der ersten Halbzeit gespielt haben, war phänomenal. Dieses Spiel bringt der Mannschaft sehr viel." Diese Spiele seien auch deshalb unglaublich wichtig, weil einige seiner Spieler Stars wie Mikkel Hansen und einige andere "bislang nur im Fernsehen gesehen“ hätten. "Wenn sie sehr gut gegen sie spielen, bringt es ihnen wahnsinnig viel", so Gislason.

Dem deutschen Team bleibt auch die Erkenntnis, dass an einem perfekten Tag etwas möglich ist. "Dann können wir das über 60 Minuten durchhalten. Heute war nicht der perfekte Tag", sagte Golla. "Wir werden in der Analyse noch Fehler finden und Dinge, die wir deutlich besser machen können. Von daher sind sie uns aktuell sicherlich überlegen. Aber ich finde, das Spiel hat gezeigt, dass wir auf einem guten Weg sind."

Knorr hadert mit sich selbst

Allerdings konnten an diesem Abend nicht alle nach vorne schauen und das Spiel schnell abhaken. Knorr haderte in erster Linie mit sich selbst und seiner eigenen Leistung, da er nach einer guten ersten Halbzeit in der zweiten Hälfte nicht mehr viel spielte, da er selbst bei Gislason um eine Pause bat.

Die Batterie war leer, nachdem er zuvor auch mit einer Erkältung viel gespielt hatte. "Es ging für mich nicht um den ultimativen Erfolg. Ich wollte einfach diese Erfahrung haben und mir im Nachhinein nichts vorwerfen. Leider werfe ich mir was vor", sagte der 23-Jährige: "Das Gefühl, in solch einem großen Spiel nicht alles rausgehauen zu haben, enttäuscht mich so. Es tut einfach weh, nicht alles gegeben zu haben".

In der ersten Halbzeit bereitete er vier Tore vor, erzielte vier Treffer selbst, war ein umtriebiger Taktgeber. Doch dann ging nicht mehr viel. Der Bundestrainer zeigte Verständnis für Knorr ("Er muss irgendwann mal die Batterie laden"), doch Knorr selbst betonte, er wolle kein Sportler sein, der zufrieden sei, wenn er das Halbfinale erreiche. "Ich will, dass das Größte herauskommt. Ich war hier, um zu gewinnen und hätte gern mehr gehabt", sagte Knorr. Der Stolz, den die anderen verspürten, wollte sich bei ihm noch nicht einstellen. "Aber bestimmt bin ich am Sonntag wieder motiviert", sagte er.

Gegen Schweden doppelt belohnen

Dann ist Schweden im Spiel um Platz drei der Gegner, die Skandinavier scheiterten im zweiten Halbfinale dramatisch nach Verlängerung an Rekord-Weltmeister Frankreich. In dem kleinen Finale gegen Schweden geht es aber nicht nur um Bronze, sondern auch um eine direkte Qualifikation für die Olympischen Spiele in Paris. Und natürlich um ein gutes Gefühl, einen starken Abschluss des Turniers. "Wir wollen uns mit einer Medaille belohnen für das, was wir hier geleistet haben. Es war sicherlich ein Turnier mit vielen Aufs und Abs", räumte Golla ein. "Aber wir haben unseren Traum verwirklicht. Wir haben im Halbfinale gegen die wahrscheinlich beste Mannschaft der Welt einen super Kampf geliefert", sagte er.

Der Kampf geht am Sonntag weiter, und Kohlbacher hofft, dass "keiner den gleichen Fehler machen wird wie 2019, als wir dann nach einem verlorenen Halbfinale zu Hause auch noch Vierter wurden". Damals setzte es bei der WM in der Finalrunde Niederlagen gegen Norwegen und Frankreich. Man wolle sich unbedingt belohnen und die Quali für Olympia im Sommer sichern, so Kohlbacher, "und bis dahin sind wir auch noch einen Schritt weiter". Damit man die Dänen dann möglicherweise noch mehr ärgern kann.

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