Der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger ist inzwischen einer der führenden Kritiker der FIFA - und somit eines Systems, dem er selbst angehörte. Er kritisiert unter anderem, dass die Fußball-WM 2022 in Katar stattfinden soll. Er rät dem DFB trotzdem, nicht dagegen vorzugehen.

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Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger hält einen deutschen Vorstoß, Katar noch die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 zu entziehen, nicht für ratsam. Dennoch bezeichnet Zwanziger den Ausrichter des kommenden Turniers nach wie vor als "Krebsgeschwür des Fußballs".

Wegen dieses Begriffs war der katarische Fußball-Verband mit einer Unterlassungsklage gegen Zwanziger vorgegangen, die 2016 vom Landgericht Düsseldorf abgewiesen wurde.

Der DFB soll nicht gegen die WM 2022 vorgehen

"Wenn mich Herr Grindel fragen würde, ob er beantragen soll, Katar die WM wegzunehmen, würde ich ihm davon abraten", sagte der 73-Jährige in einem Interview mit dem Magazin "11 Freunde" mit Bezug auf den heutigen DFB-Präsidenten.

"Es würde dem DFB nur schaden, etwa wenn es darum geht, wieder ein großes Turnier auszurichten. Denn selbst wenn der DFB der mitgliederstärkste Verband ist, hat er im UEFA-Kongress wie alle anderen nur eine Stimme", erklärte Zwanziger weiter.

Katar trägt erste Fußball-WM im Winter aus

Katar steht als WM-Gastgeber schon lange in der Kritik - wegen Korruptionsvorwürfen bei der Stimmenvergabe, der Menschenrechtslage im Land und der klimatischen Bedingungen. Wegen der großen Hitze findet das Turnier vom 21. November bis 18. Dezember 2022 statt.

Der Deutsche Fußball-Bund, so Zwanziger, sei aber nicht machtlos: "Er sollte mit anderen fortschrittlichen Verbänden in der UEFA an nachhaltigen Verbesserungen arbeiten."

Mit Alleingängen verändere man nichts im System von Gianni Infantino, dem Präsidenten des Fußball-Weltverbandes. "Die FIFA geht nach dem Prinzip vor: 'Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Und momentan isst die FIFA das Brot von Katar."

"Speichellecker" umgeben FIFA-Boss Infantino

Infantino sei von "Speichelleckern" umgeben. "Für Infantino war unvorstellbar, dass er als Präsident in die Schusslinie gerät", erklärt Zwanziger. "Also ersetzte er die beiden Juristen Cornel Borbely aus der Schweiz und Hans-Joachim Eckert aus Deutschland an der Spitze der Ethikkommission durch Verbündete und Speichellecker."

Eine Reform der von Korruption, entsprechenden Skandalen und Vetternwirtschaft geprägten FIFA anzustoßen, verwarf Zwanziger. "Wenn ich einen Kriegsschauplatz herbeigeführt hätte, wäre das Unverständnis bei vielen groß gewesen und meine Möglichkeiten eingeschränkt worden. Da muss man manchmal um der Sache willen mit den Wölfen heulen."

Es bestünden "Abhängigkeitsverhältnisse in einem korruptionsgeneigten Umfeld", so Zwanziger weiter. "Vereinfacht gesagt: Wer dort von der Basis nach ganz oben kommen möchte, stellt sich gut mit seinen Vorgesetzten. Wer oben bleiben möchte, tut gut daran, seine Mitarbeiter nicht zu vergraulen."

Theo Zwanziger war von 2006 bis 2012 DFB-Präsident und ist selbst auch in die "Sommermärchen"-Affäre um die WM 2006 in Deutschland verwickelt. (hau/dpa)

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