Nachdem Dennis Aogo Jens Lehmanns rassistische WhatsApp-Nachricht veröffentlicht hatte, folgte eine Stellungnahme des Ex-Nationaltorwarts auf Twitter. Doch auch diese bezeugt nur einmal mehr, wie es um das Thema Alltagsrassismus im Fußball steht. Die Konsequenzen für sein Handeln setzen ein sichtbares Zeichen dagegen.

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Bei zu vielen Fußballprofis fasst man sich an den Kopf, wenn sie öffentlich Stellung beziehen, und fragt sich: Was ist bloß in ihn gefahren? Der Unterschied zum ehemaligen Nationaltorwart Jens Lehmann ist: Bei ihm passiert es gleich dreimal in einem Vorgang.

Gleich drei Fehltritte in einem Vorgang

Erstens: Was muss schiefgelaufen sein, dass der Begriff "Quotenschwarzer" überhaupt Einzug in seinen Wortschatz gefunden hat? Zweitens: Warum benutzt und schreibt er die offensichtliche Beleidigung in Bezug auf Dennis Aogo, einem Kollegen, den er bestens kennt?

Und drittens: Warum ist die Anspielung auf die Hautfarbe eine Privatsache für ihn, wie er in seiner selten dämlichen Stellungnahme auf Twitter beteuert? Jens Lehmann gibt Rätsel auf und lässt jeden, der ihn 2006 fürs Elfmeterkillen mit Spickzettel bewundert hat, ratlos zurück.

Nur ein Beispiel von vielen für Alltagsrassismus im Fußball

Leider erlaubt sein Fall einen unschönen Einblick, wie’s in der Branche um den Alltagsrassismus bestellt ist. Die Amazon-Doku "Schwarze Adler", die online zu sehen ist, erzählte ja schon frühere und aktuelle Vorfälle von Rassismus, die im deutschen Fußball passiert sind.

Über Jahre hat man sich einzureden versucht, dass es sich bei Rassismus-Vorfällen um Einzelfälle handelt und der reine Menschenverstand den Anstand über den Reflex siegen lässt. Wenn man aber Menschen wie Erwin Kostedde zuhört, verfliegt diese Vorstellung schnell.

Kostedde und die anderen Ohrenzeugen von rassistischen Übergriffen berichten im Detail davon, was sie wegen ihrer Hautfarbe zu ertragen hatten: Affenlaute, Schmähungen, Bedrohungen - nicht irgendwo, sondern in der Bundesliga, mitten in unserer Gesellschaft.

Konsequenzen als sichtbares Zeichen gegen Rassismus

Einer, der gefragt wurde und Auskunft gab: Jordan Torunarigha, Spieler von Hertha BSC, also von jenem Verein, wo Jens Lehmann bis Mittwoch im Aufsichtsrat saß. Hat Lehmann vergessen, wie Torunarigha im Februar 2020 auf Schalke rassistisch beleidigt wurde?

Ein viertes Mal fasst man sich an den Kopf und findet keine Erklärung für Lehmanns Handeln. Dass ihn Hertha BSC via Investor von allen Aufgaben im Verein entband, war ein sichtbares Signal, was gegen Alltagsrassismus hilft: die Konsequenzen aufzeigen.

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Nach rassistischer WhatsApp-Nachricht: Lehmann entschuldigt sich

Nachdem er Dennis Aogo als "Quotenschwarzen" betitelt hatte, hat sich Jens Lehmann bei dem Ex-Nationalspieler entschuldigt. © ProSiebenSat.1
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