Ein Israeli bejubelt gemeinsam mit einem Iraner ein Tor - dieses für die Regierung Teherans "Horrorszenario" könnte in dieser Saison Realität werden. Bei zwei internationalen Profi-Klubs stehen in dieser Spielzeit Fußballer beider Nationen unter Vertrag.

Mehr Sport-Themen finden Sie hier

Es sind Transfers mit enormer politischer Sprengkraft: Anfang August hat Olympiakos Piräus die Verpflichtung von Bibras Natcho, Kapitän der israelischen Nationalmannschaft, bekannt gegeben.

Das Brisante am Wechsel des 30-Jährigen von ZSKA Moskau zum griechischen Spitzenklub ist, dass sich mit Ehsan Hajsafi und Karim Ansarifard zudem zwei Profis aus dem Iran im Kader der Griechen befinden.

Ähnlich ist die Situation beim englischen Premier-League-Klub Brighton & Hove Albion. Dort spielt ab dieser Saison mit Alireza Jahanbakhsh ein Iraner mit den beiden Israelis Biram Kayal und Tomer Hemed. Der Unterschied: In diesem Fall war es der Iraner Jahanbakhsh, der sich zu einem Wechsel zu einem Verein entschloss, bei dem bereits zwei Israelis unter Vertrag stehen.

Der Iran und Israel sind seit fast vier Jahrzehnten politische Erzfeinde. Sie standen schon mehrmals am Rande eines militärischen Konflikts.

Iranische Sportler dürfen wegen dieser Feindschaft seit der islamischen Revolution von 1979 nicht gegen israelische Sportler oder Mannschaften antreten. Das Verbot gilt in der Sportpolitik des Landes als rote Linie und ein Verstoß als Tabubruch.

Nationalspieler wurden nach Partie gegen Israel-Klub suspendiert

Wie ernst die iranische Führung das Verbot nimmt, zeigt ein Beispiel aus dem August des vergangenen Jahres. Der damals noch für Panionios Athen spielende Hajsafi und sein damaliger Teamkollege Masoud Shojaei wurden auf Drängen der Politik von der iranischen Nationalmannschaft suspendiert, weil sie mit ihrem Klub in der Europa-League-Qualifikation gegen Maccabi Tel Aviv gespielt hatten.

"Die beiden Spieler haben die rote Linie überschritten", begründete Vizesportminister Mohamed Resa Dawarsani damals diese Entscheidung.

Für das Sportministerium seien die Verpflichtungen der Spieler mit Blick auf die Werte des Volkes und die Rechte der Palästinenser wichtiger als die Pflichten bei ihrem Verein, sagte Dawarsani laut iranischen Medienberichten.

Bereits vor dem verkündeten Ausschluss der beiden Spieler gab es eine massive Protestwelle im Iran, die sich insbesondere über Social-Media-Kanäle bemerkbar machte. Unter dem Hashtag "Fußball ist nicht politisch" starteten Fans eine Kampagne gegen eine eventuelle Strafe.

Es herrschte im Iran weitestgehend Konsens darüber, dass das fast vier Jahrzehnte alte Verbot absurd sei und beide Spieler lediglich ihren Job gemacht hätten.

Spieler halten sich nicht an Sperre

Trotz der von der Politik auferlegten Sperre liefen Shojaei und Hajsafi im Vorfeld der WM 2018 in Russland weiter für ihr Nationalteam auf, sehr zum Missfallen konservativer Politiker.

Es gehe hier nicht nur um Sportpolitik, sondern "um ideologische Prinzipien", sagte der Abgeordnete Mohamed-Al Purmochtar im März dieses Jahres, nachdem Schojaei und Hajsafi für zwei WM-Vorbereitungsspiele nominiert worden waren und Schojaei bei diesen gar die Kapitänsbinde getragen hatte. Auch während der Weltmeisterschaft kamen beide Profis zum Einsatz.

Nach Piräus' Verpflichtung des Israelis Natcho steht nun Hajsafi - zusammen mit seinem Landsmann Ansarifard - im Fokus. Das Verhalten der beiden Iraner auf dem Fußballplatz dürfte in der Heimat ebenso wie im Fall Jahanbakhsh genau beäugt werden.

Selbst die Nachrichtenagentur dpa spricht von einem "Horrorszenario" für die Führung Teherans, sollten ein Israeli und ein Iraner gemeinsam auf dem Platz jubeln. Nie zuvor standen zwei Spieler dieser Nationen für denselben Verein auf dem Platz.

Zahlreiche Vorfälle zwischen arabischen und israelischen Sportlern

In der jüngeren Vergangenheit gab es immer wieder Zwischenfälle, in denen arabische Sportler ihre Ablehnung gegenüber Israel durchscheinen ließen.

Ägyptens Superstar Mohamed Salah verweigerte 2013 als Spieler des FC Basel in beiden Champions-League-Qualifikationspartien gegen Maccabi Tel Aviv den Handschlag und wurde dafür in der Heimat gefeiert. "Mit seiner ehrenhaften Haltung hat er ein ganzes Land stolz gemacht", hieß es vonseiten der Regierung in Ägypten.

Bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio boykottierten libanesische Sportler eine Busfahrt mit Israelis. Eine saudi-arabische Judoka täuschte vor einem Duell mit einer Israelin eine Verletzung vor. Ein iranischer Ringer verlor bei der U23-WM auf Drängen seines Trainers absichtlich, um einem Kampf mit einem Israeli zu entgehen.

Und der tunesische Tennisprofi Malek Jaziri verweigerte mehrfach Spiele mit Israelis, bis er im September 2016 doch erstmals gegen Dudi Sela antrat. Ein Jahr später folgte ein weiteres Aufeinandertreffen mit dem Israeli im Doppel.

Kommt es jemals zu einem gemeinsamen Auftritt?

Seit Piräus' politisch brisantem Transfer standen Hajsafi, Ansarifard und Natcho noch nicht gemeinsam auf dem Platz. Bislang absolvierte Olympiakos erst zwei Pflichtspiele in dieser Saison. Bei den beiden Siegen in der Europa-League-Qualifikation gegen den FC Luzern stand Natcho nicht im Kader.

Ob es jemals zu einem historischen gemeinsamen Auftritt kommt? Ungewiss. Iranische Journalisten halten es für nicht ausgeschlossen, dass Hajsafi und Ansarifard ihre Verträge auf Drängen Teherans kündigen könnten.

Sie möchten sich zum Thema Fußball auf dem Laufenden halten? Abonnieren Sie doch unsere Fußball-News per WhatsApp: Hier geht's zur Anmeldung.

Verwendete Quellen:

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.