Der DFB präsentiert den Kader für die Heim-EM 2024 anders als jemals zuvor. Um den Hype hochzuhalten, wurden die Namen stückchenweise an außergewöhnlichen Orten und zu unbekannten Zeiten veröffentlicht. Diese Aktion richtete sich am digitalen Zeitalter und einem jungen Publikum aus. Ist das gelungen? Ein Pro und Contra.
Pro: Der DFB kann doch noch Euphorie erzeugen
von Julian Münz
Hätte man noch vor wenigen Jahren prophezeit, der DFB würde in Sachen Öffentlichkeitsarbeit bei der Nationalmannschaft mal etwas richtig machen, wäre man wahrscheinlich für verrückt erklärt worden. Aber hier sind wir nun: Mit seiner ungewöhnlichen Art der Nominierung zeigt der Fußballverband nach seinem viral gegangenen Video zur Trikotvorstellung erneut, dass er das mit dem "Euphorie erzeugen" eben doch noch kann.
Ob das dieses Mal auch wirklich Absicht war, sei vorerst dahingestellt. Falls diese Art von Nominierung tatsächlich eher vorzeitige Leaks verhindern sollte, ist sie dabei jedenfalls wenig überraschend gescheitert. Dafür hat sie aber etwas viel Besseres erreicht: Sie hat den naturgemäß etwas langwierigen Prozess der Kadernominierung zu einer wirklichen spannenden Sache gemacht. Denn so sehr diese im Vorfeld mit Spannung erwartet werden, ist die Verkündung im Endeffekt nicht mehr als eine schnöde Pressekonferenz, auf der eine Liste mit 23 bis 26 Spielernamen vorgestellt wird.
Jahrelang machte der DFB vor großen Turnieren aber genau das. Schlimmer noch, er versuchte die Kadervorstellung künstlich (und geografisch) zu erhöhen, indem er sie wie zur EM 2008 an die Zugspitze verlegte. Dass der normale Zuschauer von solchen Veranstaltungen wenig hatte, abgesehen von der Erkenntnis, der Verband müsse bis zum höchsten Berg Deutschlands, um weit genug entfernt von seiner Basis zu sein, war dabei egal.
Eine weitere langwierige Nominierungs-Veranstaltung dieser Art hätte die Begeisterung vor der EM sicher nicht groß befeuert. Anders ist es mit der Strategie, die der DFB jetzt verfolgt. Sie ist überraschend mutig, bezieht die Zuschauer auf Augenhöhe mit ein und macht das DFB-Team in den sozialen Medien zum Thema der Woche. Das Versprechen: Wer nur genau guckt, kann womöglich der erste sein, der von der Nominierung eines Spielers erfährt. Egal ob RTL Exclusiv oder die handelsübliche Bäckertüte, überall kann sich ein neuer Hinweis verstecken. Eine landesweite, gemeinsame Schnitzeljagd - besser als jede noch so pompöse Show.
Contra: Diese Kader-Präsentation erzielt keine Wirkung
von Jörg Hausmann
Um eines vorab klarzustellen: Ich persönlich gehöre nicht zu den Menschen, die den Adventskalender im Vorhinein plündern. Das passiert schön Tag für Tag. Aber eine Kaderbekanntgabe ist nun mal kein Adventskalender.
Tag für Tag hat der DFB in der laufenden Woche Spielernamen rausgehauen. Nicht selbst, aber gesteuert. Spieler, deren Traum von der Teilnahme an der zweiten Heim-EM nach 1988 in Erfüllung gegangen ist, sind den wartenden Fans scheibchenweise präsentiert worden. Der DFB, der zeigen will, mit der Zeit zu gehen, benutzte ganz verschiedene Plattformen, um die EM-Euphorie in Gang zu bringen und sich einen jugendlich-frischen Anstrich zu verpassen: TV-Nachrichten, YouTube-Kanäle, Podcasts, TV-Shows und auch den Bäcker und den Döner-Verkäufer von nebenan.
Der Auftritt von Bundestrainer Julian Nagelsmann am 16. Mai, wenn ab 13 Uhr der Vorhang sich nur noch für den Rest-Kader hebt, ist damit spürbar entwertet, viel Spannung raus. Fraglos erreicht der DFB mit seinem innovativen Vorgehen die digital umworbene, junge Zielgruppe. Ältere Menschen indes - und zu denen muss ich mich auch schon rechnen, weil meine erste bewusste EM-Erfahrung zurückreicht zum wenig glorreichen Turnier 1984 - lieben es klassisch.
Schon dieser ganze Präsentations-Popanz, der heutige Kader-Bekanntgaben ohnehin umrankt, ist mir zuwider. Er lenkt vom Wesentlichen ab. Namen verlesen, fertig. Aber nein, diese Veranstaltungen werden künstlich aufgebläht und verlängert. Und nun noch diese Salami-Taktik mit Überraschungseffekt, die an das Verstecken und Finden von Ostereiern erinnert.
Dieser Einfall ist in meinen Augen kreativ, aber überflüssig. Niemanden hätte eine klassische Kader-Bekanntgabe gestört oder weniger interessiert.
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