Robert Lewandowski zählt zu den besten Stürmern der Welt und hat nun eine eigene Dokumentation erhalten, die seinen Weg dorthin zeigt. Emotional wird es dabei nur in einem Moment, und Kenner des Polen erfahren nur wenig Neues.

Eine Kritik
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Dokumentationen und Biografien, die noch während der aktiven Laufbahn produziert werden, sind wohl nur den bedeutendsten Persönlichkeiten vorbehalten. Dazu zählt offenbar auch Robert Lewandowski – über den polnischen Stürmerstar hat nun der Streaming-Dienst Prime Video eine Dokumentation mit dem Titel "Lewandowski – The Unknown" veröffentlicht.

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In einem vorab veröffentlichten Pressestatement wurde Lewandowski, aktuell im Dienste des FC Barcelona, dazu zitiert: "Ich bin immer noch aktiv, aber es gab im Laufe meiner Karriere viele Dinge im Hintergrund, über die ich nie öffentlich gesprochen habe und die mich als Fußballer und als Mensch geprägt haben. Diese beiden Komponenten lassen sich nicht voneinander trennen, denn sie ergänzen und beeinflussen sich gegenseitig. Ich denke, das ist der Kernaspekt des Films."

Lewandowski wird wegen Beinen gehänselt

In der 90-minütigen Dokumentation wird Lewandowskis Weg vom schmächtigen Jungen aus der Nähe von Warschau zu einem der besten Stürmer in der Historie des Fußballs nachgezeichnet. Neben privaten Bildern sowie Videoaufnahmen kommen auch Familie, Freunde und (ehemalige) Fußball-Weggefährten zu Wort, um über ihre Eindrücke und Erlebnisse von und mit Lewandowski zu erzählen.

Dabei erhalten die Zuschauenden vor allem aus der Kindheit des Polen interessante Einblicke. So spielt der kleine Robert mangels vorhandener Mannschaften bereits früh mit zwei Jahre älteren Kindern und muss dort Hänseleien ertragen wegen seiner dünnen Beine, infolgedessen er Komplexe entwickelt. Zudem berichten mehrere Weggefährten aus Jugendtagen, dass ihm schon früh klar gewesen sei, was er im Fußball erreichen wolle, nämlich einer der besten Spieler der Welt zu werden.

Natürlich erlebt Lewandowski auf dem Weg dorthin auch zahlreiche Rückschläge und muss, im Vergleich zu den Bedingungen, unter denen er heutzutage arbeiten kann, Abstriche in Sachen Spielfeld und Umgebung hinnehmen. So birgt eine Laufstrecke die Gefahr, in verlassene Bunker unter der Erde einzubrechen und so mancher abgebildete Fußballplatz firmiert unter der Woche wohl eher unter dem Begriff "Acker".

Lewandowski zeigt Emotionen bei Gedanken an toten Vater

Aber zielstrebig und mit dem nötigen Vertrauen in seine Fähigkeiten geht er seinen Weg aus Polens vierter Liga in Richtung Weltklasse, die ihn 2010 schließlich zu Borussia Dortmund führt. Dort trifft er auf Trainer Jürgen Klopp, der ihm zu Beginn, laut eigener Aussage, erst einmal beibringen muss "alles zu geben". Lewandowski habe die Aggressivität und Leidenschaft damals gefehlt, erinnert sich der heutige Liverpool-Trainer zurück.

Klopp macht aber auch beim polnischen Stürmer seinem ihm vorauseilenden Ruf als "Menschenfänger" alle Ehre und wird für Lewandowski ein väterlicher Freund. "Ich habe ihn auf dem Platz als Spieler beurteilt und neben dem Platz habe ich ihm geholfen", erinnert sich Klopp. Denn Lewandowski verlor bereits im Teenager-Alter seinen Vater. Bei der Erinnerung an diesen Moment wird der Pole noch immer emotional und spricht vom "schwersten Tag in meinem Leben". Außerdem sei er von dort an "ohne Rückhalt, den ich brauchte" gewesen.

Es ist einer der wenigen emotionalen Momente im Rahmen der Dokumentation. Denn der Mensch Lewandowski scheint allein für den Fußball und inzwischen für seine Familie zu leben, so zumindest der Eindruck in der Dokumentation. Fast beiläufig erzählt er von einer Fehlgeburt seiner Frau Anna Lewandowska kurz vor der EM 2016. Ausführlicher wird es wieder, wenn es um seine sportlichen Meriten geht. Karl-Heinz Rummenigge hält seine ablösefreie Verpflichtung 2014 für den "besten und wichtigsten Transfer in der Geschichte" des FC Bayern.

Lewandowski erklärt Abschied aus München

Lewandowski hat den Anspruch "die größte Attraktion im Disneyland" zu sein, was er in München mit unzähligen Toren, Rekorden und Titeln unter Beweis stellt. Doch ihm geht es vor allem um den Gewinn der Champions League, was ihm 2020 mit den Münchnern schließlich gelingt. Aber genau dieser Moment offenbart, warum Lewandowski für seine Leistungen geschätzt und bewundert wird, aber nicht den Status eines "Fußball-Heiligen" erreicht. Den Moment des Triumphs erlebt er für sich allein und mit seinem unmittelbaren Umfeld, das er per Videocall zuschaltet. Im Team hat er seinen größten Traum erreicht, doch nun lebt er diesen allein aus, statt im Kreis derer, die ihn auf dem Weg dorthin unterstützt haben.

Lewandowski, das verdeutlicht die Dokumentation, ist kein Mann der großen Emotionen und Gefühle – weder auf noch neben dem Platz. Ihm geht es allein darum, Tore schießen zu können und die Chance auf die prestigeträchtigsten Titel zu haben. Seinen Abschied aus München in Richtung Barcelona, der auch bei den Fans im Sommer 2022 für viel Zündstoff sorgt, begründet er so: "Meine Leidenschaft würde gedämpft werden und die zusätzlichen Reize würden fehlen."

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Für Lewandowski-Kenner kaum Neues enthalten

Wer in der Dokumentation ein emotionales Rührstück über einen der besten Goalgetter aller Zeiten sucht, wird enttäuscht sein, denn der Mensch Lewandowski kommt nur wohldosiert und ausgewählt zum Vorschein. Umso ausführlicher wird über seine Arbeit gesprochen und berichtet, die natürlich weit über das normale Training auf dem Rasen hinausgeht. Aber für Personen, die Lewandowskis Werdegang bereits seit Jahren verfolgen, bietet "The Unknown" nur wenig neue Aspekte, wie es vorab angekündigt wurde.

Und so bleibt die Frage, ob es nicht auch hier, wie so oft, besser gewesen wäre, die Dokumentation wäre erst nach dem Karriereende von Lewandowski entstanden. Frei von geschäftlichen Zwängen und ein ehrlicher Rückblick. So reiht sich der Film lediglich in die Reihe der bedeutungslosen und inhaltsarmen Fußball-Dokumentationen ein, anders als Lewandowskis Anspruch als Fußballer.

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