Im Halbfinale der Champions League kommt der VfL Wolfsburg gegen den FC Arsenal nicht über ein 2:2 hinaus. In der Volkswagen-Arena fehlten dem Team von Tommy Stroot Durchschlagskraft und Spielwitz. Eine Analyse.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Justin Kraft sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Am Ende muss sich Wolfsburg ärgern. Im Rückspiel gegen den FC Arsenal ist weiterhin alles drin – und das hätte durchaus anders kommen können. Vor allem in der ersten Halbzeit verpasste es das Team von Tommy Stroot, mehr als die beiden Tore zu erzielen, die sie mit in die Pause nahmen.

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VfL Wolfsburg: Kontrolliert, aber wenig dominant

Wolfsburg hatte viel Ballbesitz, machte aus diesem aber zu wenig. Immer wieder lief der Ball durch die Viererkette, Tempowechsel gab es kaum. Für die Gäste war das kein großes Problem. Im Gegenteil noch schien es der Matchplan von Arsenal zu sein, Wolfsburg aufbauen zu lassen, aber das Zentrum zuzustellen.

Das ging zunächst auf. Wolfsburg fand den Weg in die Schaltzentrale kaum und wenn doch, verlor man den Ball relativ schnell. Lena Oberdorf war nicht so involviert wie sonst. Die Ausfälle von Lena Lattwein und Alexandra Popp konnte man nicht ausreichend kompensieren. Jule Brand (28 Ballkontakte, 61 % Passquote) war auf der Zehn kein Faktor und auch Jill Roord schaffte es nicht, Oberdorf entscheidend zu entlasten, die von Arsenal mehrfach gut unter Druck gesetzt wurde.

Mit einer Passquote von 69 % war die 21-jährige Oberdorf ungewohnt fehleranfällig. Wolfsburg ging meist den Weg über außen, fand von dort aber nicht zurück in die Mitte. Wenig Überraschung, wenig Direktspiel – Arsenal wurde das Verteidigen über weite Strecken zu leicht gemacht.

Dass das prinzipiell auch anders geht, zeigten sie in der besten Szene des ersten Durchgangs: Sveindis Jonsdottir kontrollierte einen Diagonalball im Zentrum und steckte anspruchsvoll auf Ewa Pajor durch, die sich die Chance zum 1:0 nicht nehmen ließ (19.).

Wenig später gab es ein Geschenk von Arsenal, die Jonsdottir den Ball in die Füße spielte. Viel mehr kam von Wolfsburg trotz der vermeintlichen Überlegenheit aber nicht. Offensiv fehlte der Punch, es fehlte die Idee, um hinter die letzte Kette zu kommen und sich hochwertigere Chancen zu erspielen.

FC Arsenal: Den Respekt abgelegt

Auf der anderen Seite spürte auch der FC Arsenal trotz des frühen 0:2-Rückstands Wolfsburgs Anfälligkeit. In der ersten Halbzeit agierten die Engländerinnen mitunter zu passiv. Gegen den Ball stand man zwar kompakt, blieb aber zu weit weg von den Offensivspielerinnen des VfL. Jonsdottir und Pajor konnten sich mehrfach lösen.

Einerseits ging der Plan abseits der beiden Gegentore zwar auf, weil Wolfsburg kaum Gefahr erzeugte, andererseits beraubte man sich damit eigener Stärken. Der Respekt vor den Gegnerinnen war spürbar groß, die Angst davor, bei höherem Pressing überspielt zu werden, präsent. In der zweiten Halbzeit legte Arsenal diesen Respekt aber ab.

Es gab dann mehr Phasen, in denen sie den Spielaufbau des VfL aktiver störten – manchmal mit zwei, manchmal mit drei Angreiferinnen. Dadurch verlagerten sie das Spiel etwas weiter vom eigenen Tor weg, vor allem aber eroberten sie mehr Bälle in gefährlichen Zonen. Waren die Wege in Umschaltsituationen im ersten Durchgang noch sehr weit, kam Arsenal in der zweiten Halbzeit häufiger zu gut durchgespielten Angriffen. So auch beim 2:2-Ausgleich von Stina Blackstenius.

Mit dem Unentschieden im Rücken zog sich Arsenal wieder zurück. Diesmal allerdings deutlich aggressiver und griffiger in der Arbeit gegen den Ball.

VfL Wolfsburg vs. FC Arsenal: Die Erkenntnisse fürs Rückspiel

Dass Arsenal überhaupt den Weg zurück in diese Partie gefunden hat, ist zwar auch ein Verdienst der Gäste, die sich weder vom Rückstand noch von der Qualität des Gegners haben einschüchtern lassen. Doch der VfL Wolfsburg hat das eben auch zugelassen. Wie schon so oft in den vergangenen Wochen fehlte ihnen die nötige Konstanz, um eine stabile Defensivreihe ausreichend zu gefährden.

Auf einige druckvolle Minuten folgten stets Phasen, in denen Tempo und Zielstrebigkeit fehlten. Im Rückspiel wird man nur erfolgreich sein können, wenn man den Druck permanent aufrechterhält. Das wiederum geht nur, wenn die Einbindung der Schaltzentrale rund um Oberdorf besser ist. Nur dann wird man die kompakte Defensive der Gunners in Bewegung bringen und Lücken in der Abwehrkette aufreißen können.

Gleichzeitig hat der VfL in den wenigen guten Angriffen des Spiels gesehen, dass er die Mittel hat. Vieles wird davon abhängen, wie sehr man die Offensivspielerinnen in gefährlichen Räumen eingesetzt bekommt. Svenja Huth hatte nur einen Abschluss, Pajor kam auf lediglich zwei. Mut macht, dass Jonsdottir mit vier Schüssen und sieben Dribblings (drei erfolgreich) ihre Aktionen hatte.

Auch gegen den Ball wird Stroot einiges anpassen müssen. In der zweiten Halbzeit kam Arsenal auf der rechten Seite immer wieder durch, weil Victoria Pelova ein hervorragendes Spiel machte. Immer wieder schlich sie sich im Rücken ihrer Gegenspielerinnen in die Tiefe wie vor ihrem Assist zum 2:2 oder ließ sich in den Zwischenraum fallen, wo dann der Zugriff fehlte. Wolfsburg bekam sie und die dadurch entstehende Verbindung zu Blackstenius nicht in den Griff.

Ins Finale einziehen können sie aber nur mit mehr Dominanz, mehr Spielfreude und vor allem auch mehr Präzision in den Ballbesitzphasen. Der Respekt, den Arsenal anfangs noch hatte, hätte ein großer Vorteil für Wolfsburg sein können. Die fast schon geschenkte Überlegenheit im ersten Durchgang wurde aber nicht genutzt. Im Gegenzug schenkten die Grün-Weißen ihren Gästen einen kleinen Vorteil für das Rückspiel. Denn der Weg ins Finale ist durch das 2:2 eher länger als kürzer geworden.

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