Auf dem Platz läuft es für den VfB Stuttgart aktuell ausgezeichnet, nach sieben Spielen ohne Niederlage sind die Schwaben derzeit auf Champions-League-Kurs. Doch hinter den Kulissen hat sich ein Machtkampf um die Vereinsführung entwickelt, den der bisherige Aufsichtsratsvorsitzende Claus Vogt nun verloren hat.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Julian Münz sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Eigentlich könnte beim VfB Stuttgart gerade alles bestens sein. Wenn in dieser Saison nichts mehr komplett Ungewöhnliches passiert, wird der Verein zur nächsten Saison wohl erstmals nach zehn Jahren wieder auf die europäische Bühne zurückkehren. Sogar die Champions League ist dank der guten Leistungen in den vergangenen Wochen kein Wunschtraum mehr. Doch in der Führungsebene des Klubs ist vom Teamgeist aktuell eher wenig zu spüren. Stattdessen ist kurz nach dem millionenschweren Einstieg des Investors Porsche beim VfB Stuttgart mal wieder ein neuer Machtkampf entfacht.

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Beziehungsweise: Der Machtkampf ist bereits entschieden, die ersten personellen Konsequenzen sind gezogen. Bei einer außerordentlichen Versammlung des Aufsichtsrats der AG am Dienstag (12. März) wählten die Mitglieder des Gremiums ihren bisherigen Vorsitzenden Claus Vogt erfolgreich ab. Vogt hatte gleichzeitig auch als Präsident des Vereins fungiert. Seine Nachfolgerin wird die langjährige CDU-Politikerin Tanja Gönner - als erste Frau, die einem Bundesligaklub vorsteht. Das brisante Detail: Hinter dem Personalwechsel stehen auch die Interessen des Investors Porsche, der erst im Januar 2024 5,49 Prozent der Anteile der VfB Stuttgart AG erworben und zwei Sitze im Aufsichtsrat übernommen hatte.

Vogt hat Unterstützung der Fanszene

In der VfB-Führung galt Vogt schon länger als umstritten, geriet unter anderem auch mit dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Thomas Hitzlsperger aneinander. Dabei vertrat der 54-Jährige in der Vergangenheit häufig die Interessen der aktiven Fanszene, die ihn wiederum bei den Wahlen im Verein unterstützte. Als einer der ersten Vereinsvertreter forderte er Anfang Februar 2024, noch einmal über den umstrittenen und letztlich abgesagten Investoren-Deal der DFL abzustimmen. Zudem machte er sich für den Erhalt der 50+1 Regel stark, die den Vereinsmitgliedern bei in Unternehmen ausgegliederten Profiklubs das Mitbestimmungsrecht sichern soll. Den Interessen von Porsche, die erst im Sommer 2023 ankündigten, sich mit etwa 100 Millionen Euro beim VfB Stuttgart zu engagieren, scheint dies nicht entsprochen zu haben.

VfB-Stuttgart-Fans
Die Fans des VfB Stuttgart protestierten im Heimspiel gegen Union vergeblich gegen die Absetzung von Claus Vogt. © IMAGO/Michael Weber IMAGEPOWER

Der Investor hatte die Abwahl von Claus Vogt im Vorfeld ausdrücklich vorangetrieben. "Nach intensiven Gesprächen mit Claus Vogt und den Mitgliedern des Aufsichtsrates möchte Porsche - wie von Claus Vogt zugesagt - einen Neuanfang im Aufsichtsrat mit einem neuen AR-Vorsitzenden, der idealerweise aus dem Kreis der vom e.V. gestellten AR-Mitglieder stammen sollte", hieß es von Porsche in einer öffentlichen Stellungnahme. Kein konzerneigener Vertreter an der Spitze des VfB Stuttgart sollte es also sein, wie von manchen Medien bereits ins Spiel gebracht - aber eben auch nicht mehr der bisherige, von den Mitgliedern des Vereins gewählte Präsident. Vogt fungierte nämlich wie seine Vorgänger in einer Doppelrolle als Präsident des Vereins und Aufsichtsratschefs der Spielbetriebs-AG.

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Aufsichtsrat bricht Versprechen an die Fans

Mit seiner Abwahl hat der Aufsichtsrat des VfB Stuttgart mit dieser Tradition gebrochen - mehr noch mit dem Versprechen, das Ex-Präsident Wolfgang Dietrich den Vereinsmitgliedern bei der Ausgliederung 2017 gegeben hatte. So war der Präsident des Vereins seitdem immer auch gleichzeitig der Aufsichtsratschef der AG. Mit der Absetzung von Vogt ist dies nun nicht mehr der Fall, in der Satzung steht eine solche Regelung auch nicht festgeschrieben. Vogt selbst soll laut Informationen des Kicker zuvor beantragt haben, dass die Mitglieder des Vereins zunächst zu einer Trennung der beiden Ämter befragt werden sollten.

Dementsprechend missbilligte vor allem die aktive Fanszene des VfB Stuttgart den Führungswechsel in den Stuttgarter Gremien - und bezog bereits beim vergangenen Heimspiel gegen Union Berlin klar Stellung. "Meschke & Co. in die Schranken weisen", hieß es auf einem Spruchband, das die Ultragruppe Commando Cannstatt 97 an Lutz Meschke, Vorstandsmitglied bei Porsche und seit Kurzem auch beim VfB, richtete. Und darunter die Frage: "Präsidium! Habt ihr uns verkauft? Antworten jetzt!"

Gönner legt Zukunft von AG und Verein dar

Mit Gönner hoffen Investoren und Aufsichtsrat eine neue Aufsichtsratschefin gefunden zu haben, die sowohl die Interessen des Investors als auch die der Vereinsmitglieder vertreten kann. "Ich freue mich über das große Vertrauen und die neue Herausforderung. Ich versichere allen Mitgliedern, in engem Austausch mit ihnen die Interessen des Vereins bei allen wichtigen Entscheidungen zu vertreten", erklärte die neue VfB-Chefin zu ihrer Einführung auf der Website des VfB. Und legte gleich auch dar, wie sie sich das zukünftige Zusammenspiel zwischen Verein und AG vorstellt. Der Aufsichtsratsvorsitzende sollte idealerweise auch in Zukunft Teil des Vereinspräsidiums sein, aber eben nicht mehr unbedingt dessen Präsident.

Der amtierende Vereinspräsident Vogt bleibt derweil immerhin als einfaches Mitglied im Aufsichtsrat vertreten. Dass sich die Fans, insbesondere die lautstarken Ultragruppen, mit diesem drohenden Verlust an Mitbestimmung abfinden werden, kann fast ausgeschlossen werden. Stattdessen warten auf die neue VfB-Führung unruhige Wochen - mit Kritik, die auch die größte Europapokal-Euphorie nicht verdrängen kann.

Verwendete Quellen:

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