"Schluss mit dem Vermarktungswahn!", "Nein zu Investoren in der DFL!" - zahlreiche Spruchbänder in den Stadien machen deutlich, dass die Fanszenen Gesprächsbedarf haben. Doch wogegen richten sich die Proteste eigentlich?

Christopher Giogios
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Christopher Giogios dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die Deutsche Fußballliga (DFL) ist auf der Suche nach einem Investor. Motiviert ist dieses Vorhaben vor allem durch die wirtschaftliche Lücke, die sich zu anderen europäischen Ligen auftut. Auslandsvermarktung, Infrastruktur, Digitalisierung: Investitionsbedarf sieht die Vertretung der 36 deutschen Profiklubs an einigen Stellen.

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Der gewählte Lösungsansatz ist dem Fußballbusiness nicht fremd: Ein noch unbekannter Investor soll der Liga kurzfristig zwei bis drei Milliarden Euro für einen noch nicht genau definierten Anteil an einer DFL-Tochtergesellschaft überweisen, welche die Medienrechte der DFL lizenziert. Als aussichtsreiche Kandidaten gelten internationale Private Equity-Gesellschaften, die, das sollte niemanden überraschen, mit den DFL-Anteilen Geld verdienen möchten.

An dieser Stelle beginnen bei aktiven Fußballfans alle Alarmglocken zu schrillen. Investoren werden von den Fankurven äußerst kritisch betrachtet, weil sich deren Streben nach Profitmaximierung typischerweise nicht mit den Bedürfnissen der Fans in Einklang bringen lässt.

Das Bündnis "Südtribüne Dortmund" als Sprachrohr der Dortmunder Fanclubs und Ultras zeichnet ein düsteres Bild des DFL-Vorhabens. Man befürchtet etwa fanunfreundliche Anstoßzeiten, die ausschließlich der internationalen TV-Vermarktung dienen, Spielansetzungen im Ausland und damit die weitere Zerstörung des "Volkssports Fußball".

Bereits in der Vergangenheit haben die Fans gezeigt, dass man in Grundsatzfragen imstande ist, deutschlandweite Protestaktionen durchzuführen. Man erinnere sich nur an das Jahr 2012, als in nahezu allen Kurven zwölf Minuten und zwölf Sekunden lang geschwiegen wurde, um gegen das damalige Sicherheitskonzept der Liga zu protestieren.

Auch in Sachen DFL-Investor haben sich die Fanszenen vernetzt und von Hamburg bis München bundesweit Spruchbänder und Informationstexte präsentiert.

Demut des Profifußballs? Fehlanzeige.

Dabei wurde immer wieder auf ein Relikt der Corona-Pandemie Bezug genommen: die viel beschriebene "Demut" des Profifußballs, die sich seinerzeit von Funktionären auf die Fahne geschrieben wurde. Wie von den Fans richtig bemerkt wurde, ist hiervon im Jahre 2023 nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil: anstatt nachhaltige Lösungen zu forcieren, suchen die Verantwortlichen der Klubs nach der nächsten großen Einnahmequelle.

Die Fanszenen beschränken sich jedoch nicht nur auf reinen Protest, sondern schlagen auch alternative Maßnahmen vor. Häufig ist davon die Rede, dass der Wettbewerb innerhalb der Liga gestärkt werden muss, etwa durch die gerechtere Verteilung der TV-Gelder. Auch sinnvolle Lösungen auf europäischer Ebene werden gefordert, wo Instrumente wie das "Financial Fairplay" der Uefa im Ergebnis nichts weiter als ein Papiertiger ist.

International schmücken sich DFL und Klubvertreter gerne mit ausverkauften Stadien, bunten Fankurven und mitgliedergeführten Vereinen. Gleichzeitig sägt man am eigenen Stuhl, wenn man ausgerechnet diese Charakteristika des deutschen Fußballs zur Disposition stellt und die Basis gegen sich aufbringt.

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Das zeigen auch die Spruchbänder, die nicht nur den Investoreneinstieg adressierten. HSV-Anhänger kritisieren etwa hohe Eintrittspreise, die sich nach Jahren in der 2. Liga weiterhin auf Champions-League-Niveau bewegen. Auch die Einhaltung der 50+1-Regel und die unliebsamen Ausnahmen in Hoffenheim, Wolfsburg und Leverkusen werden immer wieder kritisiert.

Eines muss den Klubvertretern bewusst sein: Bis zur endgültigen Entscheidung über den Einstieg eines Investors werden sich die Fankurven weiter lautstark Gehör verschaffen. Die Funktionäre täten gut daran, die Sorgen der Fans ernst zu nehmen.

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