• Ursprünglich sollte die Einführung des Videobeweises die Diskussionen um Entscheidungen der Schiedsrichter minimieren.
  • Doch in der fünften Saison der Bundesliga mit Videobeweis kann von einem Ende der Diskussionen keine Rede sein.
  • Die Lage erscheint verworrener denn je.
  • Ex-Referee Manuel Gräfe geht deswegen den DFB scharf an. Und Rekordnationalspieler Lothar Matthäus erneuert eine Forderung.

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Nach den Schiedsrichter-Fehlentscheidungen am Bundesliga-Wochenende wird die Kritik immer größer - auch am Deutschen Fußball-Bund. Der frühere Top-Referee und ZDF-Experte Manuel Gräfe macht eine jahrelange Fehlentwicklung im DFB für die Fehler verantwortlich und fordert einen "Neustart".

Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus schlägt nach "Entscheidungen, die so einfach nicht mehr zu akzeptieren sind", ehemalige Profi-Fußballer als Unterstützung für den Video-Assistenten vor. Der DFB hatte selbst Fehler der Unparteiischen in zwei Partien eingeräumt.

Am 31. Spieltag hatte wieder einmal die Rolle des Video-Assistenten in der Bundesliga für Kritik gesorgt. Beim Topspiel zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund (3:1) griff der VAR nach einem elfmeterwürdigen Foul von Benjamin Pavard gegen BVB-Profi Jude Bellingham nicht ein. Beim 2:1-Sieg des 1. FC Union bei RB Leipzig meldete indes der Video-Assistent einen Tritt von Leipzigs Nordi Mukiele gegen den Berliner Niko Gießelmann, der Schiedsrichter revidierte seine Entscheidung aber nicht. Videobeweis-Projektleiter Jochen Drees erklärte in einer DFB-Mitteilung am Montag ein, dass in beiden Fällen falsch entschieden worden war.

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"Trotz eindeutiger TV-Bilder" werde falsch entschieden, kritisiert Gräfe. Für ihn fehle es "oft an der notwendigen Fußballkompetenz – oder an der Linie, wann man eingreifen soll oder wann nicht. Dort ist seit Jahren ein Hin und Her zu beobachten." Es sei "eigentlich unvorstellbar, dass selbst mit Bildern so viele Fehlentscheidungen (...) die Spiele beeinflussen".

Manuel Gräfe: "Der DFB hat die Schiedsrichterei gegen die Wand gefahren"

"Es wird Zeit, nachdem der DFB die Schiedsrichterei strukturell und personell zwölf Jahre gegen die Wand gefahren hat, die Verantwortungsfrage zu stellen", schrieb Gräfe in einem Gast-Kommentar bei der "Bild"-Zeitung und ergänzte: "Wenn es in einem Verein oder in einer Firma über Jahre nicht funktioniert, wird auch irgendwann zu Recht die Managementebene zur Verantwortung gezogen."

Die Schiedsrichter sind seit dem 1. Januar in einer ausgegliederten GmbH organisiert. Den Bereich "Sport und Kommunikation" verantwortet Schiedsrichter-Chef Lutz Michael Fröhlich, um "Management und Organisation" kümmert sich Abteilungsleiter Florian Götte. Der DFB ist mit 51 Prozent Mehrheitsgesellschafter, die Deutsche Fußball Liga ist ebenfalls Gesellschafter.

Fehler der Schiedsrichter blieben ungeahndet - Gräfe vermisst Leistungsprinzip

Es seien einfach zu viele und zum Teil klare Fehlentscheidungen, so Gräfe, der betonte: "Da sind wir wieder beim Leistungsprinzip, das seit Langem bei der DFB-Schiedsrichterführung leider hinten ansteht. Früher bei den Bossen Fandel und Krug, heute bei Fröhlich, Meyer und Drees." Es seien der DFB – und mittlerweile auch die DFL – gefordert, denn es könne nicht sein, dass diese Problematik der Bundesliga derart schade. "Fehlentscheidungen haben offensichtlich keine notwendigen Konsequenzen, da man lieber nach persönlichen, regionalen oder politischen Aspekten die Schiedsrichter für Positionen oder Aufgaben auswählt."

Gräfe, der im Sommer 2021 seine Karriere wegen der Altersbeschränkung beenden musste und den DFB wegen Altersdiskriminierung verklagte, fordert einen "Neustart ohne diese politischen Einflüsse". Der 48-jährige Berliner schlägt die Verpflichtung des früheren Schweizer Schiedsrichters Urs Meier vor, der "unabhängig und leistungsorientiert" agieren könne.

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Matthäus könnte sich indes vorstellen, dass ehemalige Profifußballer als Unterstützung eingesetzt werden. Neu ist der Vorschlag nicht. "Wir als ehemalige Fußballer können das deshalb besser bewerten, weil wir selber permanent und jahrelang in diesen Situationen waren und wissen, wie es aussieht, wenn man foult oder gefoult wird. Wie man fällt, wohin sich der Ball bewegt, wenn dieses oder jenes davor passiert. Und vor allem sehen wir es schneller", schrieb Matthäus in einer Sky-Kolumne. Die Intuition von Ex-Fußballern sei in solchen Fällen eine andere.

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Als Vorbild dient die Formel 1. Die Königsklasse des Motorsports setzt genau aus den von Matthäus genannten Gründen seit 2010 bei jedem Grand Prix einen ehemaligen Piloten als Rennkommissar ein. Sie entscheiden dann in strittigen Situationen über eine mögliche Bestrafung eines Fahrers und deren Ausmaß.

Lothar Matthäus will keine Abschaffung des Video-Schiedsrichters

Gleichwohl ist Matthäus aber dagegen, den Video-Schiedsrichter wieder abzuschaffen. Das wäre "ein Rückschritt", so der Weltmeister von 1990: "Ich finde schon, dass unterm Strich mehr Fehlentscheidungen verhindert werden als früher, und trotzdem ist noch Luft nach oben." (dpa/SID/hau)

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