Trotz des Derby-Sieges des Hamburger SV war Trainer Steffen Baumgart angefressen. Er weiß, dass der Stadt-Rivale FC St. Pauli im Gegensatz zum HSV vermutlich aufsteigen wird. Die Kräfteverhältnisse in der Stadt würden sich dadurch verschieben.

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Jonas Boldt möchte den Traum vom Aufstieg noch nicht verwerfen. Als der Hamburger SV am Freitagabend den 1:0-Derbysieg gegen den Stadt-Rivalen FC St. Pauli feierte, sagte der HSV-Sportvorstand im Gespräch mit unserer Redaktion. "Die Hoffnung ist ungebrochen. Wenn man sieht, was für eine Leidenschaft wir an den Tag legen und dass wir immer wieder zurückkommen – egal was passiert – dann werden wir bis zum letzten Spieltag nicht aufgeben."

Der HSV bewahrte sich durch den Heimsieg eine kleine Restchance. Vier Punkte beträgt der Rückstand auf Fortuna Düsseldorf, die auf dem Relegationsplatz stehen. Das bedeutet: Hamburg muss die restlichen zwei Spiele gewinnen und hoffen, dass die Fortuna maximal noch einen Punkt holt.

"Ich habe den Glauben daran, dass wir die letzten zwei Spiele gewinnen können", sagte Robert Glatzel, der gegen St. Pauli in der 85. Minute den Siegtreffer für den HSV erzielte. Die Aufstiegschance schätzt er dennoch eher gering ein: "Dass Düsseldorf noch die Punkte liegen lässt, wird schwer. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt."

Dem HSV ging es im Derby ohnehin nicht nur darum, die eigene Aufstiegschance aufrechtzuerhalten. Es galt auch zu verhindern, dass der FC St. Pauli ausgerechnet im Volksparkstadion den Aufstieg feiert. Dieses Albtraum-Szenario vieler HSV-Fans wäre eingetroffen, hätte St. Pauli gewonnen.

Baumgart wirft St. Pauli mangelnden Respekt vor

Dass die Emotionen hochkochen, war bereits vor Spielbeginn zu spüren – nicht nur auf den Rängen, sondern auch auf dem Platz. Rund 30 Minuten vor Anpfiff, als die Spieler sich aufwärmten, ergab sich eine Auseinandersetzung und eine Rudelbildung zwischen den beiden Mannschaften.

Auslöser war, dass St. Pauli-Spieler Jackson Irvine beim Warmup die andere Hälfte betrat und mit jemandem vom HSV aneinandergeriet. "Das passiert, wenn eine Mannschaft in die falsche Hälfte läuft. Und das ist Absicht. Es ist nicht zum ersten Mal passiert", sagte HSV-Trainer Steffen Baumgart danach vorwurfsvoll in Richtung St. Pauli. Einen ähnlichen Aufreger hatte es im Hinspiel gegeben.

"Ich hatte meinen Jungs die Szene gezeigt und gesagt: Wenn es noch einmal passiert, dass jemand in unsere Hälfte läuft, der da nichts zu suchen hat…" Weiter führte er seine Anweisung nicht aus, fügte aber hinzu: "Also ich bin nun 30 Jahre dabei. Und eines steht fest: In meiner Hälfte hat keiner etwas zu suchen. Das ist auch eine Art von Respekt, dass ich nicht in die Übung des Gegners hineinlaufe."

Glatzel hingegen konnte der Auseinandersetzung vor dem Spiel Gutes abgewinnen: "Man ist gleich hochgefahren, so konnten wir die Fans mitnehmen. Das war richtig geil!"

Übernehmen Magath und Raul den HSV?

Der HSV hat nun erstmals in der Amtszeit von Baumgart zwei Spiele hintereinander gewonnen. Worauf das zurückzuführen ist? "Ich habe Zeit gekriegt zum Arbeiten. Lassen sie mir einfach Zeit zum Arbeiten", sagte der Trainer gegenüber den Medien.

Baumgart hat zehn Spiele als Trainer des HSV absolviert – und bekommt bereits jetzt viel Unruhe zu spüren. Seitdem der Aufstieg in die Ferne gerückt ist, gibt es Spekulationen um seine Zukunft. So berichtete unter anderem die "Sport Bild", HSV-Ikone Felix Magath könnte als Sport-Boss einsteigen und den früheren Star-Stürmer Raul als Trainer mitbringen. Baumgart wäre dann überflüssig.

Steffen Baumgart: Zusammenarbeit mit HSV ist gut

"Ich habe nicht das Gefühl, dass jemand vom HSV Handlungsbedarf sieht", stellte Baumgart klar. "Unsere Zusammenarbeit ist gut. Ich lese hier sehr viel, damit müssen wir alle umgehen. Wir werden sehen, ob etwas kommt. Ich glaube es nicht."

Sein Vorwurf galt den Medien, die solche Geschichten veröffentlichen: "Das ist mittlerweile in unserem Job so, dass wir spekulieren, dass wir Geschichten haben. Jeder geht darauf wie ein kleines Karnickel. Und dann wird das von der einen zur anderen Ecke getragen."

Die Spekulationen in den Medien dürften weitergehen, sollte der HSV den Aufstieg tatsächlich auch im sechsten Anlauf verpassen. St. Pauli hingegen dürfte der Schritt in die Erstklassigkeit kaum noch zu nehmen sein. Mit einem Heimsieg kommende Woche Sonntag gegen Tabellen-Schlusslicht VfL Osnabrück wäre dieser bereits fix.

Was das für den HSV bedeutet? "Ich bin mir relativ sicher, dass deren Aufstieg unseren Fans wehtun wird", sagt Baumgart. "Trotzdem ist er verdient, wenn er am Ende gelingt, weil über die ganze Saison gute, konstante Arbeit geleistet wurde."

St. Pauli könnte den HSV wirtschaftlich überholen

Eines ist jedem Beteiligten klar: Durch einen Aufstieg von St. Pauli und einen Nicht-Aufstieg des Hamburger SV könnten sich die Kräfteverhältnisse in der Stadt verschieben – vor allem wirtschaftlich.

St. Pauli kassierte in der laufenden Spielzeit Fernseh-Einnahmen von rund 11,7 Millionen Euro, würde als Zweitliga-Meister in der Bundesliga aber rund 22 Millionen Euro mehr einnehmen, also insgesamt rund 33,7 Millionen Euro. Steigt der Verein als Tabellen-Zweiter der 2. Bundesliga auf, wären es ca. 31,6 Millionen Euro. Der HSV hingegen erhält in der 2. Liga aktuell TV-Einnahmen von rund 18,9 Millionen Euro.

Dies hat Auswirkungen: Der Spieler-Etat des HSV liegt aktuell bei rund 24 Millionen Euro, der von St. Pauli soll bei rund 20 Millionen Euro liegen. Würde St. Pauli allerdings aufsteigen, soll der Etat steigen und bei knapp 30 Millionen Euro liegen. St. Pauli hätte erstmals einen teureren Kader als der einst so ruhmreiche Stadtnachbar.

Verwendete Quellen

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