Der FC Bayern München schlägt den VfL Wolfsburg in der Bundesliga mit 1:0. Während die Münchnerinnen mit Mut und Spielwitz überzeugen, müssen sich die Gäste unangenehme Fragen gefallen lassen. Fünf Erkenntnisse zum Spitzenspiel.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Justin Kraft sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Während die Wolfsburgerinnen noch etwas ratlos auf dem Rasen des Münchner Campus standen, sprangen und jubelten die Spielerinnen des FC Bayern München nach einer kurzen Ansprache von Alexander Straus durch die Gegend und feierten den Sieg gegen den größten Konkurrenten. Die Münchnerinnen haben in dieser Saison bereits den FC Barcelona mit 3:1 geschlagen und doch war dieser Triumph womöglich der größte in der noch kurzen Amtszeit von Trainer Straus.

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FC Bayern: Die Belohnung für einen mutigen Auftritt

Auch deshalb, weil die Bayern das Spiel über weite Strecken kontrollierten und fast durchgängig das umgesetzt haben, was der Norweger von ihnen einfordert: Viel Bewegung ohne Ball, ein präzises und sicheres Kombinationsspiel, gleichzeitig aber auch Zug zum Tor. Die erste Halbzeit war eine kleine Demonstration. Der Matchplan des VfL Wolfsburg, erstmal abwartend zu agieren und mögliche Fehler der Bayern zu bestrafen, ging schlicht nicht auf.

Die Gäste wurden in der eigenen Hälfte eingeschnürt und konnten von Glück reden, dass sie mit einem 0:0 in die Pause gingen. Aluminiumtreffer und starke Paraden von Torhüterin Merle Frohms sicherten das Remis. In den letzten Jahren gab es kein Spiel der Bayern gegen Wolfsburg, in dem sie so erwachsen und so dominant aufgetreten sind – nicht mal in der Saison 2020/21, als sie daheim mit 4:1 gewinnen konnten, waren sie derart stabil. Das hohe Ergebnis täuschte über einiges hinweg.

Gerade nach dem etwas wackeligen Auftritt unter der Woche gegen den FC Arsenal war unklar, wie gefestigt die Bayern wirklich sind. Dass sie trotz der verpassten Chancen in der ersten Halbzeit auch im zweiten Durchgang in der Lage waren, das Spiel zu ihren Gunsten zu gestalten, hat alle Zweifel beseitigt. Mit dem FC Bayern ist in dieser Saison zu rechnen, wenn die Titel vergeben werden. Auch wenn es einen Elfmeter in der 84. Minute brauchte, bis sich die Münchnerinnen für ihren starken und mutigen Auftritt belohnten.

FC Bayern: Das Herz schlägt im Zentrum

Gewonnen haben die Bayern dieses Spiel vor allem deshalb, weil sie als Team insgesamt eine starke Leistung gebracht haben. Und doch gibt es im Moment einzelne Spielerinnen, die ganz besonders für die Stabilität stehen, die die Münchnerinnen in den meisten Spielen auf den Platz bringen. Glodis Perla Viggosdottir, Georgia Stanway und Sarah Zadrazil – sie sind derzeit das Herz des Spiels.

Straus legt viel Wert darauf, dass sein Team im Zentrum gut aufgestellt ist. "Am Ende haben wir verdient gewonnen, weil wir die bessere Kontrolle über das Spiel hatten", analysierte er dementsprechend nach dem Sieg gegen Wolfsburg. Sowohl mit dem Ball als auch gegen den Ball gibt dieses Dreieck entscheidende Impulse.

Viggosdottir spielte auch gegen den VfL wieder unermüdlich ihre präzisen diagonalen Bälle, mit denen sie einen Gegner selbst dann auseinanderziehen kann, wenn er tiefer verteidigt. Stanway war fast immer anspielbar, hat sich durch ihre gute Vororientierung häufig in die richtigen Positionen gebracht und war anschließend in der Lage, mit all ihrer Qualität und ihren Dribblings Dynamik in die Offensive zu bringen. Mit ihrer unermüdlichen Art bringt sie eine Komponente in das Spiel, das den Bayern in der Vergangenheit fehlte – gerade in solchen Spielen.

Hinzu kommt die Zweikampfstärke von Zadrazil, aber eben auch von ihren beiden Kolleginnen. Wolfsburg hatte eine etwas stärkere Phase in der zweiten Halbzeit, in der sie aber nur selten gefährlich wurden. Es scheint, als gäbe es einfach kein Vorbeikommen an Viggosdottir, Stanway und Zadrazil.

VfL Wolfsburg: Bestraft für eine zurückhaltende Leistung

Tommy Stroot zeigte sich nach der Niederlage erwartbar enttäuscht – vor allem mit der ersten Halbzeit. Dort konnte sich Wolfsburg nur selten aus der eigenen Hälfte befreien. Kaum eine Kombination gelang, die Wege zum Tor des FC Bayern wurden zu weit und die Gegenspielerinnen konnten auch nicht richtig unter Druck gesetzt werden.

Schon gegen Paris Saint-Germain deuteten sich unter der Woche ähnliche Probleme an. Auch da agierte der VfL zurückhaltend, mitunter zu passiv. Vom begeisternden Offensivfußball, den Wolfsburg unter Stroot bereits gespielt hat, ist derzeit nicht viel zu sehen.

In der zweiten Halbzeit agierte Wolfsburg etwas offensiver. Außerdem wechselte Alexandra Popp vom linken Flügel in die offensive Zentrale, wo sie als Fixpunkt mehr Bälle festmachen konnte als zuvor Ewa Pajor. Stroot sprach dahingehend bei "Magenta Sport" von "mehr Zugriff". Doch als sich die Bayern besser auf Popp eingestellt hatten, verpuffte auch dieser Effekt wieder.

Dass Stroot mit Popp und Pajor zwei Weltklassestürmerinnen hat, ist für ihn ohnehin Luxus und Problem zugleich. Da er meist mit nur einer echten Spitze spielt, stellt er Popp meistens auf dem Flügel auf. Das Zusammenspiel der beiden leidet aber darunter, dass die Abstände zu groß sind. Auf der linken Außenbahn scheint sich die DFB-Stürmerin hin und wieder mit der Risikoabwägung unsicher zu sein, also wann sie in die Tiefe gehen kann und wann nicht. In einer Doppelspitze könnten Pajor und Popp sich womöglich noch besser ergänzen. Haben sie gemeinsame Aktionen, zeigen sie in dieser Saison oft genug, dass sie kaum zu stoppen sind.

Gegen den FC Bayern gab es, wie Stroot richtig anmerkte, auch Szenen, in denen der VfL hätte in Führung gehen können. Insgesamt ist die Niederlage aber dennoch verdient. Womöglich auch deshalb, weil man zu sehr auf Unentschieden spielte. Der abwartende Spielstil passt nicht zu dem, was dieser Kader leisten kann.

FC Bayern – VfL Wolfsburg: "Werbung für den deutschen Frauenfußball"

Insgesamt hielt das Spitzenspiel, was es versprochen hatte: Beide Teams hatten ihre Momente in der Offensive, beide lieferten sich im Mittelfeld viele intensive Zweikämpfe und beide zeigten hier und da schöne Passstafetten. Der FC Bayern eben den entscheidenden Tick häufiger als der VfL Wolfsburg. Und doch untermauerte dieses Spiel die Qualität, die der deutsche Fußball der Frauen hat.

"Das Spiel heute war beste Werbung für den deutschen Frauenfußball", wird deshalb auch Alexander Straus vom FC Bayern zitiert: "Beide Teams haben auf sehr hohem Niveau agiert."

"Gegen Wolfsburg ist es immer sehr emotional", erklärte Lina Magull, die sich in einer Situation eine Gelbe Karte abholte, weil sie Lena Oberdorf geschubst hatte. Eine Szene, wie man sie von der Bayern-Kapitänin sonst nie zu sehen bekommt. Es war interessant zu beobachten, wie beide Teams emotional aufgeladen waren und sich trotzdem in den überwiegenden Szenen gegenseitig fair behandelt haben. Auch diese Komponente hat das Aufeinandertreffen zu einem echten Spitzenspiel gemacht.

FC Bayern oder VfL Wolfsburg? Die Meisterschaft ist noch nicht entschieden

Eigentlich gab es nur ein Szenario, das die Meisterschaft entschieden hätte: Ein Sieg des VfL Wolfsburg. Fünf Punkte Vorsprung hätten sie nicht mehr verspielt. So ist es nun ein Punkt Rückstand für das Team von Stroot. Die Bayern übernehmen mit dem 1:0-Sieg die Tabellenführung.

Voraussichtlich wird es mindestens bis zum 20. Spieltag eng bleiben. Dann haben die Bayern ihr Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim und der VfL Wolfsburg gastiert bei Eintracht Frankfurt – im Waldstadion. Es sind mutmaßlich die letzten großen Stolpersteine für beide Klubs.

Doch Georgia Stanway sagte auch etwas, das noch ganz entscheidend werden könnte: "Jetzt sind wir Tabellenführer und der Druck liegt auf uns." Eine Situation, wie sie der FC Bayern schon länger nicht mehr hatte. Sechs Spiele sind es noch für die Münchnerinnen. Mit den englischen Wochen und der aktuell hohen Verletzungsquote wird jedes dieser Spiele nochmal fordernder sein.

"Wir stecken voller Kraft", zeigte sich Stanway bei "Magenta Sport" zuversichtlich. Wolfsburg wird darauf hoffen, dass sie ihnen ausgeht. Eine schönere Konstellation hätte es für die Bundesliga kaum geben können.

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