Der BVB startet nach der Corona-Pause mit dem Derby gegen Schalke wieder in die Bundesligasaison. Was sonst ein Grund für Freude und Anspannung ist, hinterlässt nun eher ein Gefühl von Gleichgültigkeit.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Christopher Giogios dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Ein Revierderby zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 beginnt normalerweise nicht erst am Spieltag. Die Begegnung wirft einen langen Schatten, sodass sich die Gespräche mit Gleichgesinnten bereits in der Woche vor dem Spiel nur darum drehen. Die täglich steigende Nervosität, das gegenseitige Sticheln mit Schalker Fans – all diese Dinge gehören zur Faszination dazu.

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Am Tag des Derbys herrscht in der Stadt eine greifbare Anspannung. Der BVB ist in Dortmund auch sonst allgegenwärtig, aber wenn der FC Schalke zu Gast ist, scheint die Menge an Passanten, die in Schwarz-Gelb gekleidet ist, die Dichte an Fähnchen auf Balkonen und an Fenstern noch ein wenig höher als sonst.

Wenn der Ball endlich rollt, ist auch die Stimmung auf der Dortmunder Südtribüne anders als bei einem gewöhnlichen Heimspiel. Schmähgesänge spielen eine wesentlich größere Rolle, generell ist alles lauter, emotionaler.

Das wichtigste Spiel der Saison - ohne Zuschauer

So in etwa würde ein Derby-Vorbericht unter normalen Umständen lauten. Gleichzeitig ist klar: All diese Dinge fehlen mir in dieser Woche. Es wird keine Südtribüne geben, keine Gesänge, keine Fahnen, kein schwarz-gelbes Treiben in der Stadt.

Was mir aus diesen Gründen auch fehlt: die sonst übliche Vorfreude und Anspannung. Stattdessen kam es diese Woche beinahe täglich vor, dass ich mich geradezu daran erinnern musste, dass am Samstag ein Fußballspiel stattfindet – das größte Spiel der Saison.

Für die Liga ist es aber sicherlich ein Glücksfall, die Wiederaufnahme des Spielbetriebs mit einem solchen Kracher einläuten zu können. Man hat in den letzten Wochen mit viel Lobbyarbeit intensiv darauf gedrängt, wieder spielen zu können – da lässt sich das Revierderby gerade international hervorragend vermarkten.

Für mich als Fan ist die Gefühlslage hingegen genau umgekehrt, denn es fühlt sich falsch an, ausgerechnet das Derby ohne Zuschauer bestreiten zu müssen. Das Champions-League-Auswärtsspiel in Paris hat mir persönlich schon einen ersten Eindruck vermittelt, wie Fußball ohne Fans aussieht. In irgendeiner Kneipe in der französischen Hauptstadt sitzend, herrschte bei mir ein seltsames Gefühl von Gleichgültigkeit.

Fußball ohne Fans ist nicht mehr als ein Produkt

Es ist klar, welche wirtschaftlichen Zwänge die Vereine und Verbände dazu bewegt haben, unbedingt wieder den Spielbetrieb aufnehmen zu wollen. Gleichzeitig sollte man sich auch klarmachen, dass die letzten Spiele der Saison den Fußball zu einem bloßen Produkt verkommen lassen.

Es wird gespielt, um Ansprüche auf Fernsehgelder zu erwerben und die Zahlungsfähigkeit der Vereine zu sichern. Mit Emotionen und Leidenschaft hat das alles aber nichts zu tun.

Auch der sportliche Wert dieser Rest-Saison ist fraglich. Der BVB hat eine Reihe an Ausfällen zu verzeichnen, etwa Marco Reus, Neuzugang Emre Can, Axel Witsel und Dan-Axel Zagadou - allesamt mit muskulären Verletzungen. Ein Zusammenhang mit der unüblichen Vorbereitung der letzten Wochen scheint naheliegend. Aufgrund von Quarantänemaßnahmen scheint es auch fraglich, wie vollständig die Mannschaften demnächst trainieren und spielen können.

Am Samstag wird sich zeigen, wer die neue Situation besser angenommen hat. Ich werde das Spiel jedenfalls vor dem Fernseher verfolgen. Es bleibt ein wenig Resthoffnung, dass vielleicht mit Anpfiff doch noch so etwas wie Derbyfieber aufkommt.

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