Die Basketballer wurden Weltmeister, die Eishockey-Cracks holten WM-Silber. Welchen Effekt hatten die Erfolge auf die nationalen Ligen? Wir haben nachgefragt.

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Im Schatten von König Fußball geht es rund. Viel Platz lässt die Sportart Nummer eins dem Rest traditionell nicht, doch es gibt diese Momente, in denen Handball, Basketball und Eishockey punkten können. Aktuell sind es die Handballer, die bei der Heim-EM eine Nation mit jedem Spiel intensiver hinter sich vereinen. Immer auch verbunden mit der Hoffnung, dass die Begeisterung nachhaltig ist; dass möglicherweise etwas hängen bleibt. Ob nun hinsichtlich der Zuschauerzahlen in der jeweiligen Liga, oder aber beim Nachwuchs. Denn eine breite Basis ist das Fundament für einen längerfristigen Erfolg.

"Wir wollen die Bühne nutzen, um den Spaß, den dieser Sport bietet, und die Werte, die er vermittelt, den Menschen näherzubringen. Wenn sie in Kontakt mit der Sportart kommen, stellen sie vielleicht fest, dass Handball ihnen Freude macht – und sie dann auch den Weg in die Bundesliga-Hallen finden", betonte Sven-Sören Christophersen, ZDF-Experte und Sportchef von Bundesligist TSV Hannover-Burgdorf, unlängst in einem Interview mit unserer Redaktion: "Oder dass Kinder für die Sportart begeistert werden und ihren Eltern sagen, dass sie das einmal ausprobieren wollen. Handball ist ein tolles Spiel, weil es viele Dinge miteinander vereinigt. Und die Begeisterung und das Interesse dafür können auf höchster Ebene geweckt werden."

Welchen Effekt haben Turniererfolge?

Doch ist das tatsächlich so? Haben Erfolge bei großen Turnieren einen Effekt? Stefan Holz, Geschäftsführer der Basketball-Bundesliga (BBL), kann das im Gespräch mit unserer Redaktion bestätigen. Nach dem WM-Titel der deutschen Basketballer im September sieht er "ganz klar einen Effekt. Ja, ich will fast sogar sagen, wir erleben einen Boom. Unsere Hallen platzen aus allen Nähten, die Zahlen sind frappierend", sagte Holz. Er habe in einem Interview direkt nach der WM gesagt, dass die WM eher kein Gamechanger sei. "Aber vielleicht muss ich diese Aussage revidieren."

Die Auslastung der Hallen liegt bei rund 90 Prozent. Auch Sponsoren klopfen an, selbst für die langfristig vergebenen Namensrechte der BBL. Das Timing passt, denn die Liga hat nach neun Jahren bei MagentaSport von der Telekom in dem Streamingdienst Dyn einen neuen Medienpartner. Der WM-Erfolg hilft dabei, neue Abonnenten zu finden. Der Titel sorgt dafür, dass das mediale Interesse immer noch groß ist. Und er zahlt auf die Wachstumsstrategie "Triple Double" ein, die die Liga bereits Ende 2022 erarbeitet hatte. "In den drei Bereichen Aktive/Breite, mediale Reichweite und Club-Budgets wollen wir unsere Zahlen bis 2032 verdoppeln", erklärt Holz: "Und der Titel kann das möglicherweise beschleunigen, eine Art Boost dafür sein."

Verantwortliche sind trotzdem gefordert

Gefordert sind die Verantwortlichen aber trotzdem, "Es ist natürlich die Aufgabe, dass es nicht nur ein Strohfeuer ist. Wir können nicht nur warten, dass es von alleine passiert", betont Holz. Der aber auch ankündigt: "Wir haben im Grunde gerade erst angefangen, es gibt noch enorme Potenziale." Was laut dem BBL-Boss zum einen daran liegt, dass Basketball als Sportart "ein bisschen speziell" ist, "Basketball ist cool, mehr als nur Ergebnissport, ein Lifestyle, eine besondere Kultur mit coolen Typen". Und das spricht vor allem junge Leute an.

Weshalb der Nachwuchs laut Holz auch dem Verband förmlich "die Bude einrennt. Die Vereine werden geradezu gestürmt. Die Kinder wollen Basketball spielen", so Holz. Und das ist erst der Effekt der Heim-EM 2022. "Den WM-Effekt haben wir in den Zahlen noch gar nicht drin", so Holz, der von 40.000 Neuanmeldungen in den Vereinen spricht. Ein Problem ist aber die Infrastruktur, denn die Vereine bekommen den Ansturm kaum bewältigt. "Es gibt zu wenig freie Hallen-Kapazitäten. Auch braucht es bei mehr Kindern und Jugendlichen, die den Sport betreiben wollen, zwangsläufig mehr Trainer und auch mehr Schiedsrichter."

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Wie ist die Situation in der DEL?

In einer ähnlichen Situation steckt auch die Deutsche Eishockey-Liga (DEL). Ex-Nationalspieler Stefan Ustorf zieht im Gespräch mit unserer Redaktion "eine positive Bilanz" nach WM-Silber im vergangenen Jahr. "Ich glaube, dass Eishockey generell in einem positiven Licht dasteht im Augenblick und deshalb auch mehr Leute in die Hallen kommen." Der Sportdirektor der Nürnberg Ice Tigers ist seit 33 Jahren im Geschäft, "und ich kann mich nicht erinnern, wann das Eishockey so gut dastand wie im Moment. Die DEL macht einen guten Job, um sich zu vermarkten und die Leute von unserer Sportart zu begeistern."

Er sieht die DEL im Moment nach Fußball als "zuschauerwirksamste Sportart. Wir haben die meisten Leute bei unseren Veranstaltungen nach dem Fußball. Das hat sich so etabliert und das ist gut", so Ustorf, der sich aber auch für die Erfolge der Basketballer freut. Konkurriert wird nicht nur um Fans, sondern vor allem um den Nachwuchs. Und da ist die Infrastruktur ein noch größeres Problem als beim Basketball.

Eine komplizierte Sportart

"Eishockey ist in der Hinsicht eine komplizierte Sportart. Du brauchst sehr viel, um Eishockey zu spielen oder auszuprobieren", so Ustorf. Kinder brauchen eine Ausrüstung, Eiszeit in einer Halle, "und das ist ein großer Aufwand. Und wenn wir diesen Aufwand verringern können, dann wäre uns sehr geholfen", so Ustorf. Vor allem die Eiszeit ist ein Problem, denn die Anzahl der Hallen ist stark begrenzt. Eine Option: Ballhockey als Off-Ice-Variante des Eishockeysports in die Schulen bringen. Ustorf: "Wo man dem Kind einen Schläger und einen Ball in die Hand gibt und es spielen lässt. Vielleicht wird dadurch eine Liebe zum Eishockey entwickelt."

Die Klubs versuchen, das Beste aus der nicht ganz einfachen Situation zu machen, bestätigt Ustorf: "Die DEL ist dabei, sich wirklich sehr, sehr gut aufzustellen, was das angeht." Doch auch im Eishockey ist Stillstand Rückschritt. Es gilt, den positiven WM-Effekt nicht nur kurzfristig auszunutzen, sondern langfristig mitzunehmen. Dass man Fans und Nachwuchs nicht nur anlockt, sondern beim Eishockey hält. Ustorf würde sich wünschen, dass die DEL Wege findet, um sich noch besser als Ganzes vermarkten zu können. "Aber das sind Babyschritte. Es bewegt sich sehr, sehr viel in die richtige Richtung", so Ustorf.

Ustorf: DEL muss "den Mittelweg finden"

Wichtig ist es, dass die Liga und die einzelnen Klubs wirtschaftlich verantwortungsbewusst mit der Situation umgehen. "Dass uns nicht das passiert, was uns in der Vergangenheit passiert ist: Dass uns der eine oder andere Klub finanziell verloren geht", so Ustorf. Das wolle man auf Teufel komm raus vermeiden, weil es ein schlechtes Bild auf die Liga werfe, sagt Ustorf: "Man muss den Mittelweg finden, es finanziell verantwortungsbewusst zu machen und trotzdem relevant zu bleiben." Denn viel Platz lässt König Fußball nicht.

Über die Gesprächspartner

  • Dr. Stefan Holz ist seit 1. September 2015 Geschäftsführer der BBL. Ursprünglich aus der klassischen Unternehmensberatung stammend, war der 58-jährige promovierte Ökonom zuvor unter anderem als selbstständiger Unternehmer für Medienhäuser und Sportrechtehalter in Deutschland und der Schweiz tätig.
  • Stefan Ustorf ist ein ehemaliger Eishockey-Profi, der im Laufe seiner Karriere unter anderem über 600 Spiele in Bundesliga bzw. DEL absolviert hat, zudem 121 Länderspiele für die Nationalmannschaft. Heute ist der 50-Jährige Sportdirektor des DEL-Klubs Nürnberg Ice Tigers.

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