Klimaschädlich, aber dafür schnell? Viele Reisende ziehen das Flugzeug der Bahn vor, weil sie glauben, damit schneller am Ziel zu sein. Doch diese Rechnung geht gerade auf kurzen und mittellangen Strecken nicht immer auf.

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Das Schlagwort Flugscham ist in aller Munde: Spätestens seit Greta Thunberg die Fridays for Future nach Deutschland gebracht hat, ist den meisten Menschen klar, dass ihre Reisegewohnheiten einen Einfluss aus das Klima haben.

Trotzdem steigen heutzutage so viele Menschen wie nie zuvor in Flugzeuge ein: In den vergangenen 30 Jahren hat sich die Zahl der Fluggäste in Deutschland dem Umweltbundesamt (UBA) zufolge von 38 Millionen auf 122 Millionen pro Jahr verdreifacht. Dabei ist Fliegen die bei Weitem klimaschädlichste Art, sich fortzubewegen. Wer das Flugzeug der Bahn vorzieht, belastet dem UBA zufolge die Umwelt sechs Mal so sehr.

Viele Reisende fliegen trotzdem, weil sie glauben, so schneller zu sein. Doch auf einigen Strecken stimmt das nicht: Berücksichtigt man die Zeit, die beim Fliegen für die Fahrt zum Flughafen, die Strecke zum Gate, die Sicherheitskontrollen und den Check-in verloren geht*, ist die Bahn schneller als das Flugzeug – teils sogar deutlich.

Schneller mit der Bahn in Deutschland und Europa

Dies gilt für diverse Verbindungen innerhalb Deutschlands: So ist die Strecke DüsseldorfStuttgart auf der Schiene 19 Minuten schneller als mit dem Flugzeug, die Strecke Düsseldorf – Frankfurt 40 Minuten. Auch auf dem Weg Stuttgart – München sparen Bahnreisende 45 Minuten ein. Die Fahrt Frankfurt – Stuttgart ist mit der Bahn sogar eine ganze Stunde schneller als mit dem Flugzeug.

Wer in benachbarte Länder reisen will, kann mit der Bahn ebenfalls Zeit sparen: Die Verbindung Düsseldorf – Amsterdam ist auf der Schiene eine halbe Stunde schneller, die Fahrt Stuttgart – Zürich immerhin noch 20 Minuten. Außerdem gibt es diverse Städte in Nachbarländern, zu denen der Zug nur etwas länger braucht als das Flugzeug. Das gilt etwa für die Strecken Stuttgart – Paris (+22 Minuten), Wien – Budapest (+32 Minuten), Frankfurt – Brüssel (+32 Minuten), Frankfurt – Paris (+10 Minuten) und München – Wien (+24 Minuten).

Auch innerhalb Deutschlands gibt es zwei Strecken, auf denen Reisende mit der Bahn nur unwesentlich länger unterwegs sind als wenn sie ins Flugzeug steigen. Das gilt für die Verbindung zwischen Berlin und München (+34 Minuten) und Frankfurt und München (+11 Minuten).

Marodes Schienennetz führt zu Verspätungen

Urs Maier ist Infrastrukturexperte beim Think Tank Agora Verkehrswende, einem Lobbyverein, der sich für die Umstellung des Verkehrs und der Mobilität auf nachhaltige Energieträger und eine effektivere Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs für mehr Klimaschutz und eine bessere Lebensqualität einsetzt. Er plädiert dafür, auch auf Strecken, auf denen die Bahn gegebenenfalls etwas länger braucht, der Schiene den Vorzug zu geben.

"Kein anderes Verkehrsmittel ist so umweltschädlich wie das Flugzeug", begründet er seinen Appell. Außerdem habe eine Zugfahrt viele Vorteile gegenüber einem Flug, die Reisende vorab häufig nicht bedenken würden. So könne man sich während der Zugfahrt frei bewegen und könne die Zeit effektiver nutzen, etwa um zu arbeiten. Doch der Verkehrsexperte kritisiert auch, dass das Streckennetz der Deutschen Bahn teils marode und nicht ausreichend ausgebaut ist.

Die von ihm betreute Veröffentlichung Railmap 2030 zeigt, welche Verbindungen in Deutschland aktuell besonders überlastet sind. Auf ihnen kommt es häufig zu Verspätungen und Zugausfällen, die sich negativ auf die Reisedauer auswirken können. Die Karte zeigt, dass Hamburg, Berlin und Nürnberg/Fürth Knotenpunkte sind. Außerdem ist das Netz in der Region um Düsseldorf, Köln, Bonn bis nach Frankfurt, Fulda und Mannheim stark überlastet.

Auch Flüge nicht immer pünktlich

Aber auch bei Flügen gebe es Probleme, gibt Maier zu bedenken: "Die Flughäfen sind auch voll und viele Flieger verspätet, doch daran denken nur wenige Menschen."

Was die Verlässlichkeit von Flügen angeht, ist es schwierig, pauschale Aussagen wie bei der Auslastung des Streckennetzes der Deutschen Bahn zu treffen, denn hier hängt viel von dem Flughafen, der Airline und ihrem Zusammenspiel ab. Daher sollten Reisende vor der Entscheidung, welches Verkehrsmittel sie nutzen wollen, sich über diese Details informieren, etwa bei dem Portal Airhelp.

Ein Blick in die Statistik zeigt, dass keine der ausgewerteten innerdeutschen Verbindungen zu den 50 europäischen Flugstrecken mit den meisten Verspätungen und Ausfällen zählt.

Die problematischsten Flughäfen des Landes sind demnach Frankfurt, München, Köln/Bonn und Hamburg, wo jeweils mehr als ein Fünftel der Flüge unplanmäßig abfliegt. Die unpünktlichsten Airlines, die innerdeutsche Strecken fliegen, sind dem Portal zufolge die Lufthansa (26,4 Prozent Problemflüge, also verspätete oder ausgefallene Flüge), EasyJet (17,9 Prozent) und Eurowings (16,3 Prozent).

*Berechnung: Für die Flüge wurde zu der angesetzten Flugzeit noch die individuelle Anfahrt vom Hauptbahnhof zum Flughafen (mit ÖPNV laut Google Maps), 15 Minuten Umsteigezeit pro Flughafen für den Weg vom Gate bis zum Taxi oder öffentlichen Nahverkehr hinzugerechnet sowie bei nationalen Flügen 60 und bei internationalen Flügen 90 Minuten addiert, um den Zeitaufwand für Sicherheitskontrollen und Checkin einzubeziehen.

Verwendete Quellen:

  • Umweltbundesamt, Publikation: Schwerpunkt 2-2019: Fliegen.
  • Bahn Manager: DB-Pünktlichkeit: Datenexperte findet Verblüffendes zur 'Pofalla-Wende'
  • AirHelp: Airline-Ranking: Das sind die unpünktlichsten Fluggesellschaften in Deutschland.
  • Gespräch mit Urs Maier, Infrastrukturexperte von Agora Verkehrswende
  • Agora Verkehrswende: Railmap 2030
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