Euphorisch und siegessicher laden Anhänger der Demokratischen Partei auch in München zur Wahlparty. Es entwickelt sich eine dramatische Nacht, an deren Ende nur zerstörte Hoffnungen und fassungslose Menschen stehen.

Eine Reportage

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Mittwochmorgen, 4:26 Uhr in München. Verwunderung weicht purem Entsetzen im "Wirtshaus am Bavariapark". Knapp 300 Meter weiter auf der Theresienwiese feiern Menschen aus aller Welt alljährlich im September auf dem wohl bekanntesten Volksfest der Welt - dem Oktoberfest.

Heute, Anfang November, draußen schneit es bereits, wollen wieder Menschen gemeinsam feiern, am liebsten ein Trump-Verhinderungsfest. Doch mit jedem eingehenden Wahlergebnis wird die Party der "Democrats Abroad Germany" mehr zu einem kollektiven Hoffen und Bangen. Am Ende: Ernüchterung. Enttäuschung. Verbitterung. Sie sind beinahe greifbar um kurz vor halb fünf Uhr morgens.

Die Reihen im großen Wirtssaal haben sich längst gelichtet. Am Anfang des Abends waren hier noch 300 Menschen. Parteimitglieder der amerikanischen Demokraten, ihre Familien und Freunde, Gegner des Republikaners Donald Trump und deutsche Studenten, die einfach mal sehen wollten, wie spektakulär eine US-Wahlparty wirklich ist. Von ihnen allen sind nur halbleere Biergläser geblieben.

Die Plakate mit der Aufschrift "Hillary Clinton" sind fein säuberlich in einer Sitzecke des knarzig-dunstigen Biersaals gestapelt, sie werden nicht mehr gebraucht.

Tiefe Trauer über Ergebnis

An der Mitte eines großen Tisches sitzt Carolyn Kirwin. Längst kann die junge Frau, blondes Haar, heller Teint, modisches Halstuch, nicht mehr an sich halten. Sie hat die Hände vor dem Gesicht zusammengeschlagen und weint bitterlich.

Vor drei Jahren kam sie aus Washington D.C. nach München, um in Deutschland in der IT-Branche zu arbeiten.

Zuletzt hatte sie wochenlang gebannt in ihre Heimat geblickt. "Ich komme aus der politischen Mitte. Trump ist so extrem. Er ist ein Symbol für Rassismus und rückschrittliche Ideen. Die Ideen und die Mentalität, die er bedient, waren immer schon da. Aber jetzt hat diese Mentalität in Trump einen Vertreter", sagt sie.

Sie tut es mit zittriger Stimme, schon zwei, drei Stunden, bevor die Pleiten in Ohio, Wisconsin, Pennsylvania und Florida über die Demokraten hereinbrechen. Später, um kurz vor halb fünf, kann sie kaum noch sprechen.

Sie ist fassungslos. "Ich bin Amerikanerin, irischstämmig. Wir sind ein Melting Pot. Wenn wir nun Trump wählen, gehen wir in die Vergangenheit zurück", erklärt sie. "Mit Trump ist einer gekommen, der gegen Minderheiten ist, gegen alle, die nicht weiße Amerikaner mit blonden Haaren sind."

Auch Dave Dowdy passt nicht in dieses Bild. Der Mittsechziger, schwarze Hautfarbe, gräuliches Haar, schmale Brille, hat an diesem Abend geladen. Noch um 22:30 Uhr tanzt er über die kleine, provisorische Tanzfläche. Passend werfen große Scheinwerfer blaues und rotes Licht auf den rustikalen Holzboden.

Die Band Soul Crew spielt einen Hit von Maroon 5. Es ist eine Symbiose aus bayerischer Lebenslust und amerikanischem Optimismus. Auf der Karte stehen, stilecht für die englischsprachigen Gäste: Cheese Spätzle, Bavarian Cream Cheese und Freshly Baked Apple Strudel.

Die Gäste verlassen die Party

Das Bier fließt. Die Stimmung zu diesem Zeitpunkt – ausgelassen. Um 4:26 Uhr ist Dowdy dann nicht mehr da. Er hat die Veranstaltung, seine eigene Veranstaltung, frustriert verlassen, noch vor den letzten Gästen.

Unter diesen ist noch Julian Williams, 31, Musiker. Williams ist Sohn eines Amerikaners aus Oakland, Kalifornien. Sein Vater ist begeisterter Demokrat, erzählt er. Als Trump Maryland verliert, brüllt der junge Mann - dunkler Vollbart, Mütze tief ins Gesicht geschoben, Hipster-Look - laut "In your face!".

Wenig später rutscht er nervös auf einem Bierstubenstuhl hin und her. "Ich war jede Sommerferien drüben. Ich bin schwer verbunden mit der Heimat meines Vaters", erzählt der gebürtige Münchner, rechtfertigt seinen "Ausbruch der Emotionen", wo es nichts zu rechtfertigen gibt.

"Ich schäme mich seit Wochen. Ich schäme mich, seit dieser Mensch aufgestellt worden ist, um für das Präsidentenamt zu kandidieren", meint er. "Mein Vater war schon immer Demokrat und Verfechter liberaler Werte. Ich schäme mich dafür, wie die Welt gerade zusieht, bei dieser Wahl. Du kannst doch keinen Mann an die Macht lassen, der eine Mauer bauen und Ausländer rausschmeißen will."

Resignation in München

4:26 Uhr: Ohio ist für die Demokraten verloren, Florida noch nicht. Williams macht sich auf den Weg. Er halte jetzt noch ein bisschen durch, werde "im Bett weiterzittern", verspricht er und lächelt. Ein paar Stunden später steht das Wahlergebnis fest.

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