Donald Trump hat die absolute Mehrheit der Wahlmänner im Kampf um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner hinter sich gebracht. Und das, obwohl er von Anfang an von seinen Gegnern als chancenlose Witzfigur verspottet wurde. Wie ist es dazu gekommen?

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Am Ende ist doch das eingetreten, was viele Beobachter nicht für möglich gehalten hatten. Donald Trump wird für die Republikaner um den Einzug ins Weiße Haus kämpfen.

Wie konnte der Milliardär, dem zu Beginn noch nicht einmal Außenseiterchancen eingeräumt worden waren, zum Präsidentschaftskandidaten werden? Wir erklären drei Aspekte, die für Trumps Aufstieg entscheidend waren.

Der Hass vieler Amerikaner auf das politische Establishment

Jeder kann es zu etwas bringen, Filmschauspieler oder Wirtschaftsboss werden, wenn er sich nur anstrengt. Der Amerikanische Traum erscheint großen Teilen der US-Bevölkerung inzwischen wie Hohn, wenn sie auf ihre eigene Lebenswirklichkeit blicken.

In den letzten Jahrzehnten ist die Schere zwischen Arm und Reich in den USA immer weiter auseinandergegangen - und die amerikanische Mittelschicht kämpft vielerorts gegen den sozialen Abstieg. Gleichzeitig gilt das politische Washington vielen Amerikanern als verfilzte Upperclass-Veranstaltung, in der die immer gleichen Familien die Macht unter sich aufteilen.

Auf Bush Senior folgte Clinton, auf Clinton, Bush Junior. Gegen Bush Junior wollte Hillary Clinton antreten - und wurde eher unerwartet von Barack Obama geschlagen. In den Vorwahlen zur kommenden Wahl traten neben anderen Kandidaten schon wieder ein (Jeb) Bush und eine (Hillary) Clinton an.

Warum unter diesen Vorzeichen noch wählen, fragten sich viele, wenn es doch immer nur das gleich Ping-Pong-Spiel zwischen wenigen Familien bleibt, die fast wie Dynastien wirken?

Donald Trump verstand es von Beginn an, sich als ein Kandidat zu inszenieren, der nicht Teil des politischen Establishments in Washington ist, der das Geld für seinen Wahlkampf nicht durch Spenden aufbringt, sondern aus eigener Tasche bezahlt - und damit zugleich unabhängig von Lobbyisten und äußerem Einfluss ist.

Die Verachtung der etablierten Politiker für den Außenseiter stärkte Trumps Position erst noch. Wer für Trump stimmte, nutzte die Chance, es der verhassten Politiker-Kaste einmal so richtig heimzuzahlen.

Trump war sich seiner Wirkung von Anfang an bewusst. Der Multi-Millionär setze auf die Mobilisierung der großen Zahl von Nichtwählern, die sich bereits lange von der Politik abgewandt hatten.

"Mein ganzer Wahlkampf ist darauf ausgerichtet, die Zahl der Menschen zu vergrößern, die an dieser Wahl teilnehmen wollen und es dann auch tun", schrieb Trump selbst in einem Kommentar in der Zeitung "USA Today".

Die Fehleinschätzung der politischen Beobachter

"Bleibt die Frage: Könnte Donald Trump tatsächlich die republikanischen Vorwahlen gewinnen? Nein. Tausend Gründe sprechen dagegen", schrieb im August 2015 die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ). Eine grobe Fehleinschätzung, die auch in Amerika weit verbreitet war.

Am Ende werde sich doch immer der Kandidat des Establishments durchsetzen, hatte zum Beispiel der Politikwissenschaftler Daniel Drezner argumentiert - und wurde in dieser Annahme von vielen seiner Kollegen bestätigt.

Die fatale Folge war, dass die Republikaner bis zum Schluss keine geschlossene Haltung gegen Trump einnahmen. Im Gegenteil: Die Kandidaten Ted Cruz, Marco Rubio, Jeb Bush und John Kasich gingen aufeinander los und blockierten sich so gegenseitig, statt sich gemeinsam gegen Trump zu wenden.

Weil keiner frühzeitig das Feld räumen wollte, zersplitterten sie bei den Vorwahlen die Stimmen des Anti-Trump-Lagers auf vier Köpfe, anstatt eine gemeinsame Antwort zu finden. Als sie ihre Fehleinschätzung bemerkten, war es bereits zu spät.

Die kollektive Lust am Regel-Übertritt

Während Politiker nicht nur in den USA gerne ein geschöntes Bild ihrer selbst zeichnen, gibt Trump ganz öffentlich den "Bad Guy", den politisch Unkorrekten, den Pöbler und Rabauken.

Viele seiner Parolen sind offensichtlich plump, absurd und gemein. Die meisten Angriffe auf politische Konkurrenten bewegen sich erkennbar unter der Gürtellinie und jenseits aller "Political Correctness".

Trump prahlt mit eigenem Fehlverhalten, brüstet sich zum Beispiel früheren Präsidentschaftskandidaten Geld gespendet zu haben, weil er sich einen wirtschaftlichen Vorteil versprach - und verspricht auch seinen Wählern ein Amerika des Egoismus.

Kurz: Trump appelliert an niedere Instinkte, die in der pseudo-korrekten politischen Debatte in den USA ansonsten totgeschwiegen werden - und die auch viele seiner Wähler im Alltag verbergen müssen.

So kann Trump für seine Anhänger viel mehr sein als ein Präsidentschaftskandidat, schrieb der Journalist Markus Günther in einem bemerkenswerten FAZ-Kommentar. Trump werde "zur Projektionsfläche unterdrückter Phantasien - zumal in der Generation derjenigen, die ihre eigenen Aufstiegsträume längst begraben mussten und sich nun als Versager fühlen".

Die Wähler des Rabauken wüssten in dieser Lesart ganz genau, dass Trump lügt, betrügt und mit falschen Versprechungen auf Stimmenfang geht. Sie wären gar nicht so verblendet, wie manche Beobachter gerne behaupten. Im Gegenteil: Sie genießen die machtvolle Grenzüberschreitung, die Provokation und die (verbale) Gewalt, die Trump an ihrer Stelle und in ihrem Namen ausübt.

Eben aufgrund dieses kollektiven Lustgewinns ist Trump mit echten Argumenten und sachlichen Diskussionen nur schwer zu stoppen - zumindest im Vorwahlkampf war er es nicht.

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