Der erwartete Zuwachs für Extreme im EU-Parlament weckt beim Zentralrat der Juden Sorge. Dennoch sieht Präsident Josef Schuster die EU als starke Organisation - und sagt, was ihm besonders gefällt.

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Vor der Europawahl 2024 zeigt sich der Zentralrat der Juden sehr beunruhigt über das Erstarken von Parteien am rechten und linken Rand. "Ich muss ehrlich sagen, im Vergleich zu 2019 sehe ich die Lage heute leider noch dramatischer", sagte Zentralratspräsident Josef Schuster der Deutschen Presse-Agentur. "Insgesamt gibt es in der EU einen hohen Zuspruch für populistische Parteien links und rechts." In Deutschland erwarte sogar die teils als rechtsextrem eingestufte AfD einen deutlichen Stimmenzuwachs.

Zwar sei die Europäische Union durch Nationalisten noch nicht in akuter Gefahr – Umfragen zufolge dürften proeuropäische Parteien bei der Wahl Ende kommender Woche ihre Mehrheit halten. "Aber wenn man sieht, wo wir von 2019 herkommen, sollten wir diese Bedrohung nicht unterschätzen", mahnte Schuster.

Neue Asylregeln "gangbarer Kompromiss"

Der Zentralratspräsident stellte sich hinter die noch kurz vor der Wahl verschärften EU-Asylregeln. Die Frage sei schwierig, sagte er. "Aber schon während der Flüchtlingsbewegung 2015 nach Deutschland habe ich für eine Begrenzung plädiert, einfach deshalb, weil auch die Möglichkeit der Integration von Menschen nicht grenzenlos ist und man die eigene Bevölkerung nicht überfordern darf. Asyl aus humanitären Gründen ist ein wichtiges Grundrecht. Trotzdem muss es in meinen Augen eine Regulierung geben, die alle europäischen Staaten betrifft. Deshalb halte ich die neuen EU-Regeln für einen gangbaren Kompromiss."

Zugleich forderte Schuster die EU und ihre Institutionen auf, mehr gegen Antisemitismus zu unternehmen. "Es geht auf europäischer Ebene auch und vor allem um Religionsfreiheit", sagte der 70-jährige Arzt. "Einige EU-Staaten wie Belgien oder Polen diskutieren nach wie vor zum Beispiel ein Verbot des Schächtens – also der Schlachtung von Tieren entsprechend religiösen Vorgaben –, was letztendlich jüdisches Leben genauso unmöglich machen würde wie ein Verbot der Beschneidung. Religionsfreiheit muss EU-weit noch mehr in den Mittelpunkt rücken."

Wesentliche Errungenschaften

Außenpolitisch würde "eine klare Haltung gegen das Mullah-Regime im Iran und eine unmissverständliche Solidarität mit dem iranischen Volk der EU sicher auch gut zu Gesicht zu stehen", meinte Schuster. "Das bedeutet auch, dass die Revolutionsgarden endlich auf die Terrorliste gesetzt werden."

Schuster nannte die Europäische Union trotz der Anfeindungen von innen und außen insgesamt eine "starke Organisation". Als wesentliche Errungenschaften sehe er, "dass ich eine deutsche Außengrenze kaum noch bemerke und ohne Kontrolle in ein Nachbarland reisen kann und dass ich dort mit dem Euro zahlen kann, genauso wie auf deutschem Boden". (dpa/spl)  © dpa

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