Neuigkeiten im Fall Uwe Barschel: Erstmals erteilt der Bundesnachrichtendienst (BND) Auskünfte über die bisher geheim gehaltenen Akten zum Tod des ehemaligen CDU-Politikers. Aus dem 5100 Seiten starken Dokument gehen neue Hinweise über den mysteriösen Todesfall aus dem Jahr 1987 hervor. Muss die These des Selbstmords jetzt zurückgenommen werden?

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Wie die "Bild"-Zeitung berichtet, offenbaren die bisher geheim gehaltenen Akten des BND neue Erkenntnisse zum mysteriösen Tod des CDU-Politikers, der 1987 leblos in der Badewanne des Genfer Hotels "Beau Rivage" gefunden wurde.

So soll der BND in den Jahren nach dem Ableben Barschels immer wieder Hinweise zu möglichen Mordverdächtigen bekommen haben. Laut der Zeitung soll der BND bereits im November 1987 Hinweise erhalten haben, wonach "The Long Arm of the Canary Islands", eine Splittergruppe der deutschen Mafia, Barschel exekutiert haben soll.

Im Mai 1992 sei dann der "nicht verifizierbare Hinweis", Barschel sei infolge von Streitigkeiten mit Waffenhändlern ermordet worden, bei dem Nachrichtendienst eingelaufen. Zwei Jahre später, im April 1994, habe der BND erfahren, dass eine Arbeitsgruppe der Stasi an Barschels Tod beteiligt gewesen sein soll.

Die "Bild" hatte bereits im November versucht, per Klage vor dem Bundesverfassungsgericht die Freigabe der vollständigen Barschel-Akte zu erzwingen. Der Klage der Zeitung wurde jedoch nicht stattgegeben.

Tod von Uwe Barschel gibt immer noch Rätsel auf

Uwe Barschel wurde am 11. Oktober 1987 von Stern-Reporter Sebastian Knauer tot und vollständig bekleidet in der Badewanne seines Zimmers 317 im Hotel "Beau Rivage" in Genf aufgefunden. Nach offiziellen Ermittlungen soll Barschel durch Suizid ums Leben gekommen sein. Die Ermittlungsergebnisse sind aber bis heute umstritten, da nach wie vor viele Ungereimtheiten bestehen.

Laut dem toxikologischen Bericht, der bei der Autopsie durchgeführt wurde, wurden in Barschels Körper acht verschiedene Medikamente gefunden - ein tödlicher Cocktail. Dies spreche für einen bewusst ausgeführten Suizid.

Gegner der These führen jedoch an, dass laut Bericht bestimmte Medikamente erst später eingenommen wurden, Barschel aber zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr zur Selbsteinnahme imstande gewesen sei.

Erst im Juli 2012 berichtete die "Welt am Sonntag", dass Spezialisten des Kieler Landeskriminalamtes DNS-Rückstände einer fremden Person an den von Barschel getragenen Kleidern festgestellt hätten. Das führt zu dem Schluss, dass der Politiker in der betreffenden Nacht nicht alleine in dem Hotelzimmer war. Dieser Spur wurde aber nie wirklich nachgegangen, da die Staatsanwaltschaft Lübeck mitteilte, diese neue Spur nicht weiter verfolgen zu wollen. "Die Untersuchungsergebnisse bieten keine zureichenden Anhaltspunkte, die es erlaubten, eine Linie zu eventuell tatverdächtigen Personen zu ziehen", hieß es damals in der offiziellen Begründung.

Von möglichen Tätern ...

Wie jetzt durch die "Bild" berichtet wurde, gibt es laut dem BND-Bericht mit Mafia, internationalen Waffenhändlern und Stasi gleich drei mögliche Kandidaten für den Mord an Uwe Barschel. Tatsächlich werden dem CDU-Politiker zahlreiche Verbindungen zu dubiosen Kreisen nachgesagt. Bei genauerem Hinsehen zeichnet sich das Bild eines Mannes ab, der entweder zu viel wusste oder zu lange in den falschen Kreisen tätig war.

Barschel war zu Lebzeiten mehrfach in die DDR gereist. Günter Bohnsack, ehemaliger Oberst im Ministerium für Staatssicherheit der DDR, erzählt in der Dokumentation "Der Tod des Uwe Barschel", dass Barschel guten Kontakt zur Staatssicherheit pflegte. Bei diesen Reisen stieg der Politiker zumeist im Warnemünder Hotel "Neptun" ab, dass laut Ermittlungen auch als Treffpunkt für Waffengeschäfte der Stasi diente.

Tatsächlich taucht das Schlüsselwort "Waffenhandel" im Fall "Barschel" immer wieder auf. Victor Ostrovsky, ein ehemaliger Agent des israelischen Geheimdienstes Mossad, behauptet in seinem Buch "Geheimakte Mossad", Barschel sei Opfer eines Mossad-Tötungskommandos gewesen.

Ostrovsky glaubt, der Politiker sei umgebracht worden, weil er sich bei der Abwicklung geheimer Waffengeschäfte zwischen Israel und Iran via Schleswig-Holstein widersetzt und gedroht habe, mit den Informationen an die Öffentlichkeit zu gehen. Auch Abu I-Hasan Banisadr, bis 1981 Staatspräsident des Iran, ist laut seiner Aussage davon überzeugt, dass Barschel "eine wichtige Rolle im Waffenhandel mit dem Iran" gespielt habe.

... und verstummten Zeugen

Der südafrikanische Waffenhändler Dirk Stoffberg gab 1994 in einem Entwurf einer eidesstattlichen Versicherung an, Barschel habe mit Enthüllungen gedroht, die mehrere Regierungen und Waffenhändler in Schwierigkeiten gebracht hätten. Deswegen sei Barschel von dem CIA-Direktor und späteren Verteidigungsminister Robert Gates nach Zürich beordert worden. Die eidesstaatliche Erklärung wurde jedoch nie offiziell, denn Stoffberg starb kurz davor. Als offizielle Todesursache wurde Selbstmord angegeben.

Der Name Robert Gates tritt auch in Verbindung mit einer weiteren Person, die in der Ermittlungsakte Uwe Barschel vorkommt, auf. In der Akte heißt es, dass in dem gleichen Flugzeug, in dem der Politiker von Frankfurt nach Genf flog, auch ein Passagier namens Gates saß. Das Ticket, das den Ermittlern als Beweis diente, bekamen sie von dem Piloten des Fluges. Der inzwischen pensionierte Pilot will sich jedoch zu dem Thema nicht äußern. Seine Frau sagte der Zeitung "Die Welt", sie und ihr Mann seien bedroht worden.

Die einfachste Lösung

Für einen Mord, in welcher Form oder durch wen auch immer, gibt es bis heute keine handfesten Beweise. Die Waffenhandel-Verschwörung erweist sich als Sackgasse. Deswegen bleibt die offizielle Aussage über den Hergang der Todesnacht bis jetzt die stimmigste: Es war Selbstmord. Gründe für einen Suizid Barschels sind schnell gefunden.

Nur einen Tag nach seinem Tod hätte der Politiker vor einem Untersuchungsausschuss in Schleswig-Holstein erscheinen müssen, um sich Fragen zur Barschel-Affäre oder auch "Waterkantgate" zu stellen. Barschel wurde vorgeworfen, eine Verleumdungsklage gegen seinen direkten Konkurrenten für die anstehende Landtagswahl, Björn Engholm, betrieben zu haben. Nachdem diese Informationen durch den "Spiegel" an die Öffentlichkeit geraten war, geriet der Politiker stark in Kritik.

Auch seine eigene Partei wandte sich von ihm ab, da der mögliche Koalitionspartner FDP sich weigerte, mit der CDU zu verhandeln, solange Barschel im Spiel war. Aufgrund des zunehmenden Drucks trat Barschel am 2. Oktober vom Amt des Ministerpräsidenten zurück. Dadurch wurde der als weithin extrem ehrgeizig bekannte Politiker schnell vom Siegertypen zum geächteten Verlierer. Der Schritt vom Posten des Ministerpräsidenten zur Anklagebank des Untersuchungsausschusses war so rasch, das Verlassen von Parteifreunden und Getreuen so schmerzvoll - für Barschel eine aussichtlose Situation. Vielleicht zu aussichtslos. Vielleicht aussichtslos genug, um sich das Leben zu nehmen. Zumindest ist diese Version die wahrscheinlichste, ja, vielleicht die einfachste Lösung.

In der Öffentlichkeit wird diese Lösung als die Wahrheit akzeptiert. Um den Todesfall Uwe Barschel ranken sich Gerüchte und Verschwörungstheorien in Hülle und Fülle. Nur eines ist sicher: Bis der BND mit einer kompletten Veröffentlichung der Akten Licht in das Dickicht der Theorien bringt, wird der Fall Uwe Barschel nicht ruhen können.

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