Moskau fahndet nach der Premierministerin Estlands. Zu den Hintergründen hat sich auch Kreml-Sprecher Peskow geäußert. Jüngst hatte Kaja Kallas deutlich zu den Aussagen Donald Trumps zur Nato-Beistandspflicht Stellung bezogen.

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Russland hat Estlands Regierungschefin Kaja Kallas wegen "feindlicher Handlungen" zur Fahndung ausgeschrieben. Auch weitere Regierungsvertreter baltischer Staaten würden gesucht, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Dienstag in Moskau. "Dies sind Leute, die feindliche Handlungen gegen die historische Erinnerung und gegen unser Land ausführen."

Zuvor war auf der Internetseite des russischen Innenministeriums ein Fahndungsvermerk für Kallas zu sehen. Demnach wird die estnische Regierungschefin in Russland wegen "einer Strafsache" gesucht - genauere Angaben wurden zunächst nicht gemacht.

Ebenfalls zur Fahndung ausgeschrieben wurden unter anderem der estnische Staatssekretär Taimar Peterkop und der litauische Kulturminister Simonas Kairys. Da angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine keiner von ihnen eine Reise nach Russland plant, dürfte der Schritt aber vor allem symbolischer Natur sein.

"Für Verbrechen gegen das Andenken an die Befreier der Welt von Nazismus und Faschismus muss man sich verantworten. Und das ist erst der Anfang", schrieb Russlands Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa bei Telegram. Sacharowa bezog ihre Aussagen explizit auf Kallas und Peterkop.

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Spannungen zwischen baltischen Staaten und Russland

Infolge der seit zwei Jahren andauernden russischen Offensive in der Ukraine sind die Beziehungen zwischen Moskau und den baltischen Staaten äußerst angespannt. Kallas ist eine der schärfsten Kritikerinnen des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Sie steht in Estland seit 2021 an der Spitze der Regierung.

Die baltischen Staaten Estland, Litauen und Lettland, die immer wieder vor weitergehenden militärischen Ambitionen des Kremls warnen, gehen davon aus, dass sie zu Sowjet-Zeiten besetzt waren. Dagegen sieht sich Moskau als "Befreier" dieser Staaten und bezeichnet jede andere Sichtweise als "Geschichtsfälschung", was in Russland eine Straftat ist.

Estland hatte im Sommer 2022, wenige Monate nach Beginn des Krieges in der Ukraine, ein sowjetisches Kriegsdenkmal – die Nachbildung eines Panzers T-34 mit rotem Stern – in Narva an der Grenze zu Russland abgerissen. Dagegen gab es vereinzelte Proteste in der Stadt. "Wir werden Russland nicht die Möglichkeit geben, die Vergangenheit zu benutzen, um den Frieden in Estland zu stören", begründete Kallas damals unter anderem auch mit Verweis auf die russische Invasion in der Ukraine den Abbau.

2007 löste die Verlegung einer Bronzestatue, eines weiteren sowjetischen Kriegsdenkmals, aus einem Park in Tallinn an den Stadtrand tagelange Proteste aus. Bei den Ausschreitungen wurde ein Mensch getötet, mehr als 1.000 Menschen wurden festgenommen. Russischsprachige Esten erklärten, mit der Entfernung des Denkmals werde ihre Geschichte ausgelöscht.

Kallas: "Soll vielleicht einige der Alliierten aufwecken"

Zu Beginn der Woche hatte Kallas unbeeindruckt auf die Aussagen des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump zur Nato-Beistandspflicht reagiert. "Ich denke, was der Präsidentschaftsbewerber in Amerika sagt, soll vielleicht auch einige der Alliierten aufwecken, die nicht so viel getan haben. Hoffentlich werden wir alle mehr tun und gemeinsam sind wir stärker", sagte die Regierungschefin des an Russland grenzenden Landes am Montag nach einem Treffen mit EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola in Tallinn.

Für einen möglichen Zusammenhang zwischen dieser Äußerung von Kallas und der nun initiierten Fahndung durch Russland gab es zunächst keine Hinweise.

Der ehemalige US-Präsident Trump will im November erneut für das Amt kandidieren. Bei einem Wahlkampfauftritt am Samstag hatte er deutlich gemacht, dass er Nato-Partner, die ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen, keinen Schutz vor Russland gewähren würde.

Estland hatte seine Verteidigungsausgaben vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs zuletzt deutlich erhöht und will in diesem Jahr 3,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts dafür ausgeben. (fte/afp/dpa)

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