• Der ehemalige Schachweltmeister und Kreml-Kritiker Garri Kasparow rechnet im Interview mit dem "Spiegel" mit Russlands Präsident Wladimir Putin ab.
  • Seiner Ansicht nach tragen aber auch die russischen Bürgerinnen und Bürger eine kollektive Verantwortung für den Krieg gegen die Ukraine und müssten sich daher klar positionieren.
  • Zudem gibt er eine Einschätzung ab, wann Putins militärische Macht erschöpft sein könnte.

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Garri Kasparow, russischer Ex-Schachweltmeister und Kreml-Kritiker, hat gegenüber dem "Spiegel" (kostenpflichtiger Inhalt) drastische Worte in Bezug auf Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine gefunden. Er habe schon immer gesagt, dass das Regime des russischen Präsidenten Wladimir Putin "zwangsläufig zu einer faschistischen Bedrohung wird – nicht nur für Russland, nicht nur für die Nachbarn, sondern für die ganze Welt".

Weiter warf er Russland Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Im Interview teilt Kasparow aber auch gegen die russische Bevölkerung aus und fordert die Bürgerinnen und Bürger auf, sich auf eine Seite zu stellen.

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Kasparow: "Russische Bürger tragen kollektive Verantwortung für diesen Krieg"

Der Kreml-Kritiker, der sich zum Zeitpunkt des Gesprächs mit dem "Spiegel" in Berlin aufhielt, appellierte: "Es ist Krieg, da steht man entweder auf der einen oder auf der anderen Seite der Front. Jeder russische Bürger, auch ich, trägt kollektive Verantwortung für diesen Krieg, wenn auch keine persönliche." Jeder, der derzeit noch in Russland lebe, sei "Teil dieser Kriegsmaschinerie, ob er das will oder nicht".

Damit Kriegsflüchtlinge in der EU aufgenommen werden können, macht Kasparow der Vorschlag, geflohene Russinnen und Russen eine Erklärung unterzeichnen zu lassen. Diese solle aus drei Punkten bestehen, wie er dem "Tagesspiegel" (kostenpflichtiger Inhalt) sagte: "Der Krieg ist verbrecherisch, das Regime ist illegitim und die Krim gehört zur Ukraine."

Von den "Spiegel"-Redakteuren darauf angesprochen, dass diese Idee für Empörung gesorgt habe und von einem "Gute-Russen-Pass" die Rede sei, entgegnete Kasparow: "Es geht nicht um 'gut' oder 'schlecht'. Es ist für die Ukrainer wichtig zu sehen, dass nur jene Russen in den Westen gelassen werden, die sich von Putin distanzieren."

Russische Atomspezialeinheit Richtung Grenze unterwegs

Beunruhigende Entwicklungen im Ukrainekrieg: Es sei ein Zug mit militärischer Ausrüstung von Russland in die Ukraine unterwegs, der von einer Atomspezialeinheit des Kremls stammen soll. Droht die nächste Eskalation? © ProSiebenSat.1

Kasparow rechnet mit militärischer Erschöpfung Russlands

Kasparow rechnet mit einem absehbaren Kriegsende. "Putins militärische und wirtschaftliche Kapazität wird im Frühjahr erschöpft sein", so der 59-Jährige. Er gehe davon aus, dass Putin im April die Munition ausgehe und die Wirtschaft werde "nicht einmal mehr die Grundbedürfnisse der Russen decken können".

Zudem zeigte sich Kasparow überzeugt, dass Russlands Unterstützung "von Tag zu Tag" schrumpfe. "Putin ist allein", sagte er in Bezug auf Russlands Verbündete. Der Iran, China, Kasachstan und Serbien würden sich nicht ausreichend für Putins Krieg einsetzen. Kasparows Fazit: Die Ukraine anzugreifen, sei ein riesiger Fehler gewesen.

Garri Kasparow, der in der Sowjetunion zur Welt kam, wurde weltbekannt, als er 1985 mit 22 Jahren jüngster Weltmeister der Schachgeschichte wurde. 2005 beendete er seine Karriere, 2013 zog er von Moskau nach New York. Er setzt sich für Menschenrechte ein und gilt als russischer Oppositionsaktivist.

Verwendete Quellen:

  • Spiegel.de: "Jeder, der jetzt noch in Russland lebt, ist Teil der Kriegsmaschinerie" (5. Oktober 2022)
  • Tagesspiegel.de: "Kreml-Kritiker Kasparow im Interview: 'Putin kann die Niederlage nicht überleben'"
  • Offizielle Website von Garry Kasparov (www.kasparov.com)
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