Die Kommunen klagen, dass sie bei der Unterbringung von Flüchtlingen an ihre Grenze stoßen. Und auch um Abschiebungen tobt in Deutschland ein politischer Streit. Bei der Diskussion zum Thema Migration geriet ein FDP-Politiker mit Markus Lanz aneinander.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

"Ärgerlich" und "ernüchternd": Mit diesen Worten kommentierten Kommunalpolitiker die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels von Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die keine weiteren finanziellen Mittel versprechen wollte. Dabei drängt die aktuelle Lage: Die sogenannte Asyl-Schutzquote hat im vergangenen Jahr ein Rekordniveau erreicht. Doch wie soll man mit dem Thema Abschiebungen und illegale Migration umgehen?

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Auch bei "Markus Lanz" waren die migrationspolitischen Herausforderungen Deutschlands das Thema am Dienstagabend. Unter Druck kam in der hitzigen Debatte vor allem der FDP-Politiker und neue Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Joachim Stamp.

Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Das Thema Zuwanderung ist schon seit Jahren ein zentrales Problem in der deutschen Politik. Eine der Aufgaben von FDP-Politiker Joachim Stamp als Migrationsbeauftragter ist es unter anderem, für "faire Migrationsabkommen" zu sorgen. Doch wie geht die Bundesregierung dabei vor?

Bei "Markus Lanz" wurde der FDP-Politiker kritisch befragt und lieferte sich vor allem mit dem ZDF-Moderator ein hitziges Wortgefecht, als es um Abschiebungen ging. Stamp musste sich dazu auch Fragen von Juristin Seyran Ateş sowie Journalist Martin Machowecz gefallen lassen, die dem Politiker unter anderem eine gewisse "Scheinheiligkeit" vorwarfen.

Das sind die Gäste

  • Joachim Stamp, FDP-Politiker und Migrationsbeauftragter der Bundesregierung: "Ich bin ausdrücklich nicht der Abschiebe-Beauftragte."
  • Martin Machowecz, Journalist und "Zeit"-Redakteur: "Abschiebungen lösen nicht die Migrationsproblematik."
  • Kristin Helberg, Nahost-Expertin: "Die bürokratischen Hürden erschweren Flüchtlingen den Eintritt in die deutsche Berufswelt."
  • Seyran Ateş, Juristin und Frauenrechtlerin: "Wir müssen über den Islam, der vermittelt wird, sprechen."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

In der ZDF-Sendung begrüßte Markus Lanz seinen Gast Joachim Stamp mit den Worten: "Er hat den vielleicht schwierigsten Job in der Politik überhaupt. Er sei der Abschiebe-Beauftragte, heißt es." Ein Titel, den der FDP-Politiker und Migrationsbeauftragte der Bundesregierung nicht so einfach stehen lassen wollte.

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Er erklärte, dass sich das Bundesinnenministerium stets auf die Rückführungen und Abschiebungen konzentriert habe. Jetzt wolle man aber versuchen, ob man die "unterschiedlichen Ansätze" so zusammenführen könne, "dass wir auf der einen Seite reguläre Migration stärken und auf der anderen Seite irreguläre Migration verringern können." Journalist Martin Machowecz stellte daraufhin genervt fest: "In der Koalition redet keiner von Abschiebungen, stattdessen redet man von Rückführungen."

Markus Lanz fragte den Journalisten daher interessiert: "Diese Flucht in die Semantik - Abschiebung oder Rückführung. Warum machen wir das?" Der "Zeit"-Redakteur antwortete prompt: "Das ist leider die Art und Weise, wie wir hier zu Kompromissen kommen. Dann können die Grünen ihren Wählerinnen und Wählern weiterhin sagen, dass sie an Abschiebungen kein Interesse haben. Wir Deutschen sind besonders schlecht darin, zu sagen, was wir meinen und was wir wollen."

Juristin Seyran Ateş fügte bei "Markus Lanz" hinzu: "Es ist nach wie vor ein gewisses Schönreden, dass wir seit ungefähr 40 Jahren ein brennendes Problem haben!" Als die Frauenrechtlerin daraufhin über Straftäter mit islamistischem Hintergrund sprach, schaltete sich Nahost-Expertin Kristin Helberg besorgt ein, denn: "Wir können straffällige Menschen nicht darauf reduzieren, dass sie sich wegen ihrer Religion falsch verhalten. Das sind einzelne Verfehlungen von Personen. Wir sollten die Straftäter nicht reduzieren auf ihren Glauben."

Seyran Ateş war damit nicht einverstanden und konterte: "Wir stecken in der Debatte genau hier fest. Wir müssen über den Islam, der vermittelt wird, sprechen!"

Das ist das Rede-Duell des Abends

Hitziger wurde die Diskussion, als Markus Lanz erneut auf die Position von Joachim Stamp zu sprechen kam. Der ZDF-Moderator stichelte beim Thema Migration mit Blick auf den FDP-Politiker: "Es ist das Jahrhundertthema auf der Welt - warum dauert es dann ein Jahr lang, bis jemand wie Sie seinen Job antritt?"

Der Politiker reagierte überrascht: "Wir hatten eine absolute Ausnahmesituation mit der Pandemie und dem Überfall Putins auf die Ukraine. Das hat die Prozesse sehr gelähmt." Lanz ließ jedoch nicht locker und fragte erneut: "Das Thema war dann nicht wichtig genug?" Stamp antwortete fast kleinlaut: "Das Thema hat man vielleicht zu dem Zeitpunkt unterschätzt."

Ein Satz, der beim ZDF-Moderator für Fassungslosigkeit sorgte. Lanz forderte seinen Gesprächspartner erneut heraus und fragte konkret: "Herr Stamp, bitte. Seit wie vielen Jahrzehnten streiten wir über dieses Thema? Seit wie vielen Jahren läuft es so schlecht?"

Der Politiker wollte auch darauf keine Antwort geben und redete sich raus: "Das müssen Sie die Kollegen fragen, die das verhandelt haben. Ich halte davon nichts, zurückzuschauen. Wir haben ja viele Jahre Dinge liegen lassen und haben auch viele Projekte gestartet, die dann in der Praxis nicht funktioniert haben." Der ZDF-Moderator hakte nach: "Können wir einfach sagen, dass wir versagt haben?" Das wollte der Migrationsbeauftragte der Bundesregierung nicht so einfach mit 'Ja' beantworten und sagte stattdessen schlicht: "Versagt ist ein großes Wort."

Daraufhin schaltete sich Seyran Ateş in die Diskussion mit ein und kritisierte den FDP-Politiker: "Herr Stamp, wir kennen uns ja nun eine Weile. Sie gehörten auch zu einem gewissen System, das die Situation unterschätzt hat. Das ist zum Teil auch ein Vorwurf an Sie! Wann haben Sie das Amt denn selbst vorgeschlagen? Es wundert mich, dass man das jetzt so feiert." Nach dieser Ansage musste sogar Markus Lanz lachen: "Der arme Herr Stamp!"

Dann wurde der ZDF-Moderator jedoch wieder ernst, als er wissen wollte: "Wie viele Menschen müssten wir abschieben? 50.000? Wir wissen es nicht?" Joachim Stamp reagierte prompt: "Wir haben eine Größenordnung von 50.000 bis 60.000, bei denen es schneller geht und weniger Hindernisse gibt."

Die Zahl wollte sich Martin Machowecz jedoch nicht gefallen lassen. Er ergänzte mit ernster Miene und Blick auf Joachim Stamp: "Ich finde die Debatte scheinheilig. Sie schüren Erwartungen bei Leuten und sagen, dass ein Teil des Asylproblems mit den Abschiebungen gelöst wird. Abschiebungen lösen nicht die Migrationsproblematik."

Der Politiker stimmte teilweise zu und erklärte abschließend: "Wir werden mit Rückführungen nicht das Problem grundsätzlich lösen, was wir zum Teil jetzt auch in den Kommunen haben. Wir müssen in der Konsequenz aber schlichtweg besser werden. Das wird richtig dauern und das benötigt sehr viel Diplomatie."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Lanz moderierte solide und ließ seine Gäste, allen voran Joachim Stamp, ausgiebig zu Wort kommen. Der FDP-Politiker musste sich von dem ZDF-Moderator jedoch einige unbequeme Fragen gefallen lassen, die teilweise aufdeckten, dass es an vielen Stellen noch an echten Argumenten oder Lösungsansätzen mangelt.

Dennoch ließ Markus Lanz konkrete Fragen an den Migrationsbeauftragten der Bundesregierung im Sande verlaufen, der sich mit teils schwammigen Aussagen durch die Sendung rettete.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Das Thema der Integrations- und Asylpolitik wird Deutschland noch lange beschäftigen und für viel Diskussionsstoff sorgen. Auch ZDF-Moderator Markus Lanz musste in seiner Sendung am Dienstagabend häufiger in hitzige Debatten einschreiten und versuchen, sich an einem roten Faden entlangzuhangeln.

Lanz stellte passend dazu am Ende der durchaus lebhaften Sendung fest: "So weit, so komplex und auch so deprimierend."  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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