• Am Donnerstagabend (30.) kamen bei "Maybrit Illner" die ganz großen Fragen auf den Tisch: Was kann den Krieg beenden? Was heißt "Sieg"? Und: Wie lange hält der Westen durch?
  • Antworten darauf gab es wenige. Spannend war die Sendung dennoch: Zum Beispiel, als Omid Nouripour und Manfred Weber beim Thema Atomstrom aneinander eckten und Claus Kleber den "Eiertanz" bei den Kriegszielen kritisierte.
Eine Kritik
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In ihrem neuen strategischen Konzept hat die Nato die Verstärkung der Ostflanke, der Vorneverteidigung und der Luftverteidigung beschlossen. Künftig sollen sich mehr als 300.000 Soldaten in hoher Einsatzbereitschaft befinden - zuvor waren es nur 40.000. Beschlossen wurde außerdem die offizielle Beitrittseinladung für Finnland und Schweden sowie ein Hilfsprogramm für die Ukraine. Es umfasst unter anderem Kommunikations- und Anti-Drohnen-Technik.

Das ist das Thema bei "Illner"

G7- und nun Nato-Gipfel: Bei Maybrit Illner ging es um die Krisentreffen gegen Putin und die daran angeschlossene Frage: "Wie lange hält der Westen durch?". Ebenso wollte sie wissen: "Wurde durch den Konflikt die todgesagte NATO wiederbelebt?" und "Kann der Westen eine gemeinsame Linie durchhalten?" Die Debatte führte aber auch diesmal wieder zu Kriegszielen, Energiesicherheit und Waffenlieferungen.

Das sind die Gäste

Manfred Weber: "Ich lasse mir von russischer Propaganda nicht einreden, dass die Nato-Erweiterung irgendetwas Aggressives hat, sondern es ist etwas Beschützendes, was da ausgedrückt wird", betonte der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei. Man müsse sich klarmachen: "Wir sind nicht Kriegspartei, aber wir sind Kriegsziel". In Bezug auf Waffenlieferungen lobte Weber: "Rot-Grün hat eine große Lernkurve durchgemacht."

Jens Stoltenberg: Der Nato-Generalsekretär machte deutlich: "Unsere Botschaft ist, dass wir noch mehr leisten können und müssen. Zusätzlich müssen wir auf lange Sicht planen". Die Nato sei stärker und größer geworden und sei bereit, mit den Herausforderungen der Zukunft umzugehen. "Dieser Krieg wird, wie die meisten Kriege, wahrscheinlich am Verhandlungstisch enden", war sich Stoltenberg sicher. Es gebe eine enge Verbindung zwischen dem, was man am Verhandlungstisch erzielen könne und der militärischen Stärke auf dem Schlachtfeld.

Stefanie Babst: Die ehemalige Nato-Chefstrategin meinte: "Von einem Epochenwechsel würde ich sicherlich nicht reden. Ich habe eher den Eindruck, dass die Staats- und Regierungschefs in Madrid sich in einen kleinen Euphorie-Rausch hineinbegeben haben." Die Staatschefs seien begeistert von den eigenen Beschlüssen. Zwar sei die Abschreckung verstärkt worden, die Nato müsse aber auch beantworten, "wie sie die strategische, politische und militärische Dynamik in Europa in Zukunft beeinflussen will", so Babst.

Claus Kleber: Der Journalist gab zu: "Meine große Sorge ist die Existenz der Demokratie in den USA. Die Zukunft dieser Führungsmacht, die intern zerstritten ist." Die USA hätten nur zögernd unter einem Joe Biden in eine leitende Rolle in der westlichen Wertegemeinschaft zurückgefunden. "Das ist alles sehr brüchig. Da habe ich in Madrid nicht viele Antworten drauf gehört", sagte er zum Nato-Gipfel.

Omid Nouripour (Grüne): "Deutschland ist von Freunden umgeben, aber die Freunde nicht zwingend", stellte der Parteivorsitzende fest. Putin wolle, dass die Solidarität im Westen breche. Deshalb sei es notwendig, klar und deutlich zu sagen: "Leute, es wird schwer. Wir tun alles dafür, dass es aushaltbar ist und bleibt. Wir werden zusammenstehen müssen". Putin nutze Ernährung als Waffe, dennoch galt für Nouripour: "Es ist keine Option aufzugeben".

Nicole Deitelhoff: Die Politikwissenschaftlerin sagte: "Wir sind noch nicht Kriegspartei, das ist ganz klar, aber der Balanceakt wird immer schwieriger!" Russland mache Gebietsgewinne, die Verluste der Ukraine würden steigen. Die große Aufgabe sei jetzt, die Frage zu beantworten: "Was ist denn gemeinsame Ziel, das Nato und EU haben mit Blick auf diesen Krieg?", so Deitelhoff.

Das ist der Moment des Abends bei "Illner"

Journalist Claus Kleber stellte fest: "Es findet ein allgemeiner Eiertanz um die Kriegsziele statt." Niemand erkläre offiziell, dass der Rückzug der Russen von der Halbinsel Krim unbedingt das Ergebnis dieses Krieges sein müsse. "Weil sich niemand genau in die Abgrenzungsgebiete dieser Forderungen begeben will, der politische Verantwortung trägt, ist das etwas, das im Feuilleton stattfindet", so Kleber.

Es werde eine Lösung geben müssen, die nicht ein völliger Rückzug russischer Soldaten aus jedem ukrainischen Quadratkilometer sein könne, aber auch kein auf Dauer akzeptiertes Beherrschen von 20 Prozent des ukrainischen Staatsgebietes. Eine diplomatische Phase, in der das verhandelt werden müsse, sah Kleber aber noch nicht kommen.

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Das ist das Rede-Duell des Abends

Grünen-Politiker Omid Nouripour sprach das Thema Energieversorgung im kommenden Herbst und Winter von sich aus an. Er sagte: "Es gibt in der Situation jetzt keine einfachen Lösungen. Es ist nicht schön für uns, dass wir Kohlekraftwerke jetzt hochfahren müssen". Für die Grünen sei das sehr schwierig zu verdauen. "Aber das ist jetzt der Weg, der uns die Wärme bringt und die Energieversorgung gewährleisten kann", so Nouripour.

Da schaltete sich Weber ein: "Ganz Europa geht einen anderen Weg! Die Niederländer bauen zwei neue Kernkraftwerke, Frankreich, die Tschechische Republik, die polnischen Freunde – alle versuchen aus Kohle auszusteigen", setzte er an, da grätschte Nouripour schon dazwischen: "Der Atomausstieg ist beschlossen, das hat doch mit Frankreich nichts zu tun!" Weber legte nach, erntete aber nur Kopfschütteln: "Alle versuchen aus den CO2-Brennstoffen auszusteigen, und die Grüne Regierung steigt jetzt wieder ein."

So hat sich Maybrit Illner geschlagen

Der Wurf, den Maybrit Illner am Donnerstagabend (30.) versuchte, war zu groß. Erst machte sie die großen historischen Linien zum Kalten Krieg auf und sprach von "Epochenbruch" und "Paradigmenwechsel". Sie wollte beispielsweise wissen: "Fällt ein neuer eiserner Vorhang?". Dann widmete sie sich zu vielen großen Fragen: "Was wäre ein Sieg der Ukraine?" und "Setzen wir unsere Werte in Zukunft militärisch durch?". Ein wenig mehr Kleinschrittigkeit im Hier und Jetzt wäre geboten gewesen.

Das ist das Ergebnis bei "Illner"

Dass die zu Beginn der Sendung aufgeworfene Frage nicht beantwortet werden würde, war von vornherein klar. Sie hatte gelautet: "Wie ist die vermutlich größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg zu lösen?"

Anstatt so große Fragen zu diskutieren, die eher in andere Gesprächsrunden gehören, hätte sich das Studio lieber auf die Aspekte konzentrieren sollen, an denen es plötzlich hitziger wurde: Atomkraftwerke in Deutschland, Ausrüstung der Bundeswehr und die Nato-Osterweiterung beispielsweise. Schade auch, dass die Rolle der USA, die Kleber ansprach, nicht mehr weitergehend thematisiert wurde.

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