Niemals zuvor war die Expertise von Immunologen und Virologen weltweit gefragter als in der Corona-Pandemie. Einer von ihnen ist Anthony Fauci. Dessen Problem: Der 79-Jährige kämpft gleichzeitig gegen die Verbreitung des Coronavirus und die Beratungsresistenz des US-Präsidenten Donald Trump.

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Sein Rederecht vor dem Senat hat Anthony Fauci, der Trumps Expertenkreis in der Coronakrise angehört, genutzt. Der Immunologe warnte vor dem Kurs, den US-Präsident Donald Trump im Kampf gegen das Coronavirus einschlägt.

Trump ermuntert die Bundesstaaten, die bestehenden Corona-Einschränkungen zu lockern. Dem Staatschef geht es angesichts dramatisch zunehmender Arbeitslosigkeit und zeitgleich abnehmender Wirtschaftsleistung darum, seinen potenziellen Wählern diesbezüglich Erfolge vorzuweisen.

Donald Trump ignoriert die Rekordzahl an Corona-Toten und -Infizierten

Dabei ignoriert Trump die auf der Infektion mit dem Coronavirus beruhende Zahl der Toten in den USA. Sie liegt bei mehr als 80.000 (Stand: 13. Mai 2020) und damit höher als irgendwo sonst auf der Welt. Gleiches gilt für die Zahl der offiziell Infizierten. Die Johns Hopkins Universität gibt sie mit mehr als 1,4 Millionen an.

"America First"-Aspekte, die Fauci ängstigen. Er vermutet gar, dass die Anzahl der COVID-19-Todesfälle in den USA noch höher liegt.

Bei einer Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss des Senats in Washington warnte der Immunologe, die Konsequenzen eines vorschnellen Handelns könnten "wirklich schwerwiegend" sein. Das "echte Risiko" einer drohenden zweiten Infektionswelle sei "vielleicht nicht mehr zu kontrollieren".

Fauci empfahl dem Senat und den Gouverneuren der einzelnen Bundesstaaten, auf den Rat der Gesundheitsexperten zu hören.

Fauci aber steckt mittendrin in einem Spiel aus Macht und Deutungshoheit. Trump möchte im Herbst als US-Präsident erstmals wiedergewählt werden. Aus politischem Kalkül heraus verhinderte er deshalb kürzlich auch Faucis Aussage vor einem Ausschuss des Repräsentantenhauses. Dieses dominieren die oppositionellen Demokraten. Sie missbilligen wie Fauci Trumps Drang nach Lockerung der Corona-Auflagen und feiern Fauci seit Wochen als "Stimme der Vernunft" in dem chaotisch anmutenden Anti-Corona-Kampf der Trump-Regierung.

Anthony Fauci pariert Angriff des Senators Rand Paul

Teile von dessen Gefolgschaft nahmen Faucis Worte vor dem Senats-Ausschuss mindestens wohlwollend auf.

"Ich denke, wir sollten in diesem Fall auf die Experten hören", sagte Lisa Murkowski aus Alaska im Anschluss an die Anhörung. Murkowskis Parteikollege Bill Cassidy reagierte zumindest nachdenklich. "Diese Aussage ist schon etwas nuancierter als die Stellungnahmen des Präsidenten", hielt der Senator aus Louisiana fest.

Der republikanische Senator Rand Paul aus dem Bundesstaat Kentucky jedoch attackierte Fauci. Den Vorwurf, Fauci maße sich an, darüber entscheiden, wann und wie die Wirtschaft wieder hochgefahren werde, konterte der Angegriffene souverän. "Ich gebe keine Ratschläge zu wirtschaftlichen Dingen. Ich gebe zu nichts anderem Ratschläge als zur öffentlichen Gesundheit."

Wer ist Anthony Fauci?

Als Leiter der US-Forschungsbehörde "NIAID" kämpft Fauci bei der Eindämmung der Coronakrise an vorderster Front.

Als er im März im Briefing Room des Weißen Hauses fehlte, war in der amerikanischen Internetgemeinde regelrecht Panik ausgebrochen. "#WhereIsDrFauci?" – "Wo ist Dr. Fauci?" twitterten Tausende Nutzer damals unverzüglich.

Die Abwesenheit des 79 Jahre alten US-Forschers und Regierungsberaters verunsicherte die US-Amerikaner. Seine Abwesenheit konnte schnell aufgeklärt werden: Fauci nahm an einem parallel stattfindenden Arbeitsgruppentreffen in Sachen Coronavirusbekämpfung teil.

Pionier in der Aidsforschung

Dem Enkel von Einwanderern aus Italien und der Schweiz liegt die Medizin im Blut: Faucis Vater war Apotheker in Brooklyn, als Kind trug der Junge Medikamente mit dem Fahrrad aus. Nach seinem Medizin-Studium und seiner Arbeit als Arzt in New York folgte Fauci bereits 1968 dem Ruf ans "NIAID" (National Institute of Allergies and Infectious Diseases), einer Behörde des National Institutes of Health (NIH) in Maryland. Dort arbeitete er sich beharrlich nach oben, wurde erst Abteilungs- und Laborleiter, seit 1984 ist er Direktor der Forschungsbehörde.

Als Pionier in der Aidsforschung machte er sich schon Anfang der 1980er Jahre einen Namen, auch beim Ausbruch des Zika-Virus, von Ebola und der Schweinegrippe forschte Fauci an der Front. Der Top-Epidemiologe verschaffte sich außerdem durch Forschungen zur Immunregulation und die Behandlung von Autoimmunerkrankungen weltweites Ansehen. Auf seinen Ergebnissen basieren Behandlungsmethoden für Krankheiten, die zuvor regelmäßig tödlich verliefen.

Langjähriger Präsidentenberater

Die Folge: Zahlreiche Auszeichnungen, darunter die Robert-Koch-Medaille und die National Medal of Science, 45 Ehrendoktorate und die Mitgliedschaft in der National Academy of Science. Er gilt laut "Google Scholar" als einer der 41 renommiertesten Wissenschaftler weltweit, das "Web of Science" zählt ihn in der Immunologie zu den acht wichtigsten Forschern.

Vor Trump hat der 79-Jährige bereits fünf weitere Präsidenten in globalen Gesundheitsfragen beraten und sich dabei als unaufgeregter Wissenschaftler verdient gemacht. Schon Ronald Reagan zählte auf seinen Rat. Bei der Bekämpfung des Coronavirus ist der renommierte Wissenschaftler deshalb ganz vorne mit dabei.

Verliert Trump die Geduld mit Fauci?

Vor der Kamera – ob im Gespräch mit Journalisten oder bei Pressekonferenzen - spricht der grauhaarige Brillenträger Tacheles, vermittelt ruhig die Fakten und ist dabei stets bescheiden. "It’s a team effort" - "Es ist ein Erfolg des Teams", entgegnete der Wissenschaftler im Gespräch mit "Fox News", nachdem die Moderatorin ihm für seine aktuellen Anstrengungen im Kampf gegen das Coronavirus gedankt hatte.

Der Vater von drei Kindern gilt als messerscharfer Beobachter und Arbeitstier, außerdem als talentierter Kommunikator und loyaler Kollege. Auch Trump sagte kürzlich vor Pressevertretern: "He's a good man. I like Dr. Fauci a lot" - "Er ist ein guter Mann. Ich mag Dr. Fauci sehr."

Ganz offensichtlich ist jedoch nicht alles rosig zwischen den beiden. Die "New York Times" meint zu wissen, dass Trump Fauci zwar ungewöhnlich viel Spielraum gegeben habe. "Berater sagen aber, er verliere die Geduld."

Fauci widerspricht Trump konsequent

Das könnte vor allem daran liegen, dass Fauci Trump immer wieder korrigiert und ihm widerspricht. Zunächst höflich und besonnen, zuletzt aber in einem immer schrofferen Ton. Die Wirtschaft könne in zweieinhalb Wochen wieder den gewohnten Geschäften nachgehen, ließ Trump beispielsweise verlauten. "Man kann ein Datum ins Auge fassen, aber man muss sehr flexibel sein", widersprach Fauci auf diplomatische Weise.

Den Begriff "China Virus", den Trump immer wieder verwendet, lehnt Fauci außerdem strikt ab. Auch der Behauptung, die Chinesen hätten den Ausbruch des Virus bereits drei bis vier Monate zuvor mitteilen können, widersprach der Wissenschaftler.

Gerade erst feierte ihn das Netz für einen ganz besonderen Auftritt an der Seite Trumps: Während der US-Präsident bei einer Pressekonferenz über Verschwörungstheorien sinnierte, konnte sich Dr. Fauci das Lachen kaum verkneifen und schlug die Hand vor den Kopf – im Englischen kurz: "to facepalm".

Pelosi nennt ihn "truth teller"

Von der Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, wird Fauci mittlerweile als "truth teller" bezeichnet. Fauci gilt als eine der glaubhaftesten Stimmen in einer Krise, in der andere Politiker die Wahrheit verzerren und ist in den Augen von Trumps Kritikern zum Helden avanciert. Die Twitter-Gemeinde erfand dafür die Hashtags #DrFauciIsANationalHero und #DrFaucirocks ("Dr. Fauci ist ein Nationalheld" und "Dr. Fauci rockt"). Die User forderten: "Nur Ärzte im Presseraum!"

Gegenüber dem Wissenschaftsmagazin "Science" gab Fauci zu: "Manchmal muss man dem Weißen Haus Dinge zwei-, drei-, viermal sagen, bis sie passieren." Beispiel: Als Trump im Rosengarten Dutzenden Menschen die Hände schüttelte, konnte Fauci nur danebenstehen – obwohl er davon immer wieder abgeraten hatte. "In wesentlichen Dingen hört er aber auf das, was ich sage", sagte Fauci gegenüber dem "Science Magazine".

Lachend fügte er hinzu: "Bislang bin ich noch nicht gefeuert worden." Viele Amerikaner hoffen, dass das so bleibt.

Verwendete Quellen:

  • Biographie beim NIAID und NIH
  • The Guardian: 'Where's Fauci?' America panics as doctor absent again from White House briefing
  • Science Magazine: Anthony Fauci tries to make the White House listen to facts of the pandemic
  • Fox News: Dr. Fauci has a hopeful message for the American people
  • MSNBC: Trump's Patience With Dr. Fauci Begins To Wear Thin
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