Die Nato stärkt ihre Ostflanke und baut in einem Mammutprojekt den Luftwaffenstützpunkt "Mihail Kogălniceanu" zur größten Nato-Basis Europas aus. Denn die Lage am Schwarzen Meer hat durch den russischen Angriffskrieg weiter an Bedeutung gewonnen. Was genau geplant ist, wieso die Region so wichtig ist und welche Interessen Russland hat, lesen Sie hier.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Marie Illner sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Mehr als doppelt so groß wie die Ramstein-Basis in Rheinland-Pfalz, bis zu 20 Jahre Bauzeit, Kosten von 2,5 Milliarden Euro: Rumänien stärkt die Ostflanke der Nato und baut den Luftwaffenstützpunkt "Mihail Kogălniceanu" zur größten Nato-Basis Europas aus.

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Die Arbeiten an dem Mammutprojekt haben bereits begonnen: Stromnetze müssen ausgebaut, Zufahrtsstraßen geschaffen werden. Ebenso soll es weitere Start- und Landebahnen, Rollfelder und Hangars für Militärmaschinen geben. Insgesamt soll das Areal am Ende rund 3.000 Hektar umfassen – und soll damit mehr als doppelt so groß werden wie die Kölner Innenstadt. Auch Schulen, Kitas, ein Krankenhaus und Geschäfte sollen an dem Stützpunkt, der Platz für 10.000 Soldaten mit ihren Familien bieten wird, entstehen.

Größter Nato-Stützpunkt entsteht - auch die Bundeswehr wird vor Ort sein

Bereits jetzt sind in Rumänien Soldaten aus dem gesamten Nato-Bündnis stationiert, auch aus Deutschland. Im Rahmen der Mission "Enhanced Air Policing South" liegen zum Beispiel Kampfflugzeuge der Nato-Partner abwechselnd auf dem rumänischen Luftwaffenstützpunkt und proben den Ernstfall. Die Bundeswehr hatte dorthin Eurofighter verlegt. Derzeit dient "Mihail Kogălniceanu" vor allem für Einsätze zur Überwachung des Luftraums an der Ostflanke.

Auch in weiteren Ländern an der Ostgrenze des Bündnisses hat die Nato multinationale Kampfgruppen stationiert – etwa in Polen, Bulgarien, Ungarn, Litauen und der Slowakei. In Polen zählt die Nato fast 100.000 Soldaten, in Rumänien über 70.000 und in Bulgarien über 30.000.

Strategisch wichtige Lage des Stützpunktes

Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine hat die Nato Truppen, Kampfflugzeuge und Kampfpanzer an ihrer Ostflanke aufgestockt. Auch der Ausbau des rumänischen Luftwaffenstützpunktes ist Teil einer Antwort auf die russische Aggression, wurde allerdings bereits 2015 angesichts der Krim-Annexion beschlossen.

Die Lage des Stützpunktes nahe der Hafenstadt Constanța am Schwarzen Meer ist strategisch von hoher Bedeutung. Das über 400.000 Quadratkilometer große Schwarze Meer ist zentraler Schauplatz der Eskalation zwischen Russland und der Nato: Hier kommen geopolitische, militärische und wirtschaftliche Interessen zum Beispiel in Form von Energiepipelines und wichtigen Handelsrouten zusammen.

Russland beansprucht das Schwarze Meer

Rumänien hat schon lange eine stärkere Nato-Präsenz gefordert, denn seit dem Einmarsch in die Ukraine 2022 geht auch in Rumänien die Angst um – es befindet sich nicht nur nahe den Kriegsschauplätzen, sondern auch in der russischen Vormarschrichtung. Rumänien hat eine 256 Kilometer lange Küstenlinie am Schwarzen Meer, an das auch unter anderem die Ukraine und Russland grenzen.

Russland beansprucht das Schwarze Meer seit jeher als ureigenstes Einflussgebiet, es bildete schon während des Zarenreiches und später zu Sowjetzeiten die Südflanke der Großmacht. Beobachter bezeichnen das Schwarze Meer deshalb auch als "Tor" oder "Sprungbrett", weil es Zugang zu einer Reihe an Staaten im Mittelmeer, Nahen Osten, Südeuropa und Nordafrika bietet. Seit Kriegsbeginn sind in der Region immer wieder Interessen aufeinandergeprallt, nicht zuletzt im Zusammenhang mit den Getreidelieferungen, die Putin dort blockierte.

Experte zu Flughäfen: "Gegenwärtige Kapazitäten viel zu gering"

Gekämpft wird derzeit (Stand 5. April) vor allem um oder nahe Welyka Nowosila, Sjewjerodonzek und Marijinka. Aber auch ganz in der Nähe des Schwarzen Meeres – in der Region um Cherson.

Militärexperte Gustav Gressel hält es für lange überfällig, die Präsenz der Nato in der Region auszubauen. "Die Nato-Präsenz im Schwarzmeerraum ist viel zu dünn, die Infrastruktur ist zu schlecht und zu alt, das zeigt auch der Krieg jetzt", sagt er. Es dauere aus den griechischen Häfen heraus sehr lange, bis Gerät in der Ukraine ankomme. "Die wenigen Militärflughäfen, die man hat, sind mit den Aufklärungsflügen, die jetzt das Geschehen in der Ukraine überwachen, schon ziemlich ausgebucht", beobachtet er.

Zusätzlich seien noch bessere Kapazitäten notwendig, um mehr Kampfflugzeuge zu stationieren. "Zum einen, um die Russen von der rumänisch-bulgarischen Küste fernzuhalten, und zum zweiten, um im Eskalationsfall Luftnahunterstützung fliegen zu können. Dazu sind die gegenwärtigen Kapazitäten viel zu gering."

Besondere Rolle der Türkei

Da die Türkei eine permanente maritime Nato-Präsenz im Schwarzen Meer verhindere, müssten weit mehr Aufgaben aus der Luft wahrgenommen werden, etwa die permanente Seeüberwachung und die Überwachung der europäischen Handelsschifffahrt.

"Das erfordert also auch in Friedenszeiten mehr Flugzeuge und verlangt nach besseren Flughäfen", sagt Gressel. Das Meerengenabkommen von Montreux gibt der Türkei die Kontrolle über den Wasserweg zwischen dem Schwarzen Meer und dem Mittelmeer.

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Experte sieht Wermutstropfen

Einen Wermutstropfen sieht der Experte allerdings: "Rumänien war im Falle der Ukraine und der militärischen Unterstützung der Ukraine weit zurückhaltender als Bulgarien. Bulgarien hat von der Bereitstellung von Munition über die Wartung ukrainischer Flugzeuge, die Abgabe von nicht unerheblichen Mengen an Kriegsgerät bis hin zur Lieferung von Su-25- und Mig-29-Flugzeugen weit mehr für die Ukraine getan als Rumänien."

Rumänien sei sehr besorgt wegen einer Eskalation gewesen, weshalb sich Kanzler Scholz gut mit Präsident Johannis verstanden habe. "Die Bulgaren waren, trotz der extrem schwierigen innenpolitischen Lage, weit mutiger – sie hätten sich dafür einen Großauftrag für Nato-Infrastruktur verdient", sagt Gressel.

Über den Gesprächspartner

  • Gustav Gressel ist Senior Policy Fellow im Berliner Büro des European Council on Foreign Relations. Zu seinen Schwerpunktthemen gehören Russland, Osteuropa und Verteidigungspolitik. Vor seinem Eintritt bei ECFR arbeitete Gressel von 2006 bis 2014 als Referent für internationale Sicherheitspolitik und -strategie im Büro für Sicherheitspolitik des österreichischen Verteidigungsministeriums.

Verwendete Quellen:

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