• Alexej Nawalny hat Klarheit: Der Gift-Anschlag auf ihn wurde vom russischen Inlandsgeheimdienst verübt.
  • Nawalny erfährt vom Ergebnis entsprechender Recherchen vor deren Veröffentlichung.
  • Er beschließt daraufhin, die Täter mit seinem Wissen zu konfrontieren und gibt sich als ein Berater Präsident Wladimir Putins aus - und erhält ein Geständnis.

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Der Gift-Anschlag auf den russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny geht offenbar auf das Konto des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB. Dies haben gemeinsame Recherchen des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" mit den Investigativplattformen Bellingcat und The Insider sowie dem US-Nachrichtensender CNN ergeben. Demnach war ein "Killerkommando" des FSB jahrelang auf Nawalny angesetzt gewesen. Diese Ergebnisse wurden Nawalny vor deren Veröffentlichung bekannt.

Alexej Nawalny überlistet seine Attentäter

Nawalny selbst habe daraufhin, wie er in einer Video-Botschaft mitteilte, einen Trick angewandt, um Gewissheit zu erlangen. Nawalny gab sich gegenüber dem Inlandsgeheimdienst als ein Berater von Russlands Präsident Wladimir Putin aus, genauer: als Assistent des Chefs des russischen Sicherheitsrats. Nawalny hatte seinem Gesprächspartner erklärt, dass er für Sicherheitsratschef Nikolai Patruschew das missglückte Attentat aufarbeiten müsse. Er führte das Telefonat von Deutschland aus, weil er sich dort nach einer wochenlangen Behandlung in der Berliner Charité noch zur Reha aufhält, um wieder zu Kräften zu kommen.

Nach mehreren Telefonaten habe schließlich Konstantin Kudrjawzew, ein Chemieexperte des FSB, gestanden, ein Mitglied der Agententruppe zu sein, die im August dieses Jahres auf Nawalny angesetzt gewesen war und den Gift-Anschlag auf ihn umsetzte.

Alexej Nawalny: "Mein Mörder hat gestanden"

Unter dem Titel "Ich habe meinen Mörder angerufen. Er hat gestanden" veröffentlichte Nawalny auf Youtube den Mitschnitt eines Telefonats mit dem mutmaßlichen FSB-Agenten.

Das Video mit dem Telefonat selbst war drei Stunden nach der Veröffentlichung bereits mehr als eine halbe Million Mal aufgerufen worden. Immer wieder gerät der Mann in dem rund eine Dreiviertelstunde dauernden Gespräch ins Stocken, doch Nawalny - Deckname Maxim - bleibt beharrlich.

Er brauche nur "zwei Absätze" für einen ersten, vorläufigen Bericht. Ob er auch andere Männer anrufe? - "Aber natürlich." Und ob es nicht ausmache, über solche Dinge am Telefon zu sprechen? - "Aber wir haben doch nichts Besonderes besprochen."

FSB streitet ab: "Untersuchungen" seien "geplante Provokation zur Diskreditierung"

Der FSB reagierte am Abend auf die Veröffentlichung: Es handele sich um eine Fälschung, teilte der Geheimdienst nach Angaben der Staatsagentur Ria Nowosti mit. Die "sogenannten Untersuchungen" Nawalnys seien eine "geplante Provokation zur Diskreditierung des russischen FSB". Es würden Ermittlungen eingeleitet.

Nawalny war im August dieses Jahres auf einem Inlandsflug zusammengebrochen. Die Befunde mehrerer westlicher Labore wiesen später in seinem Organismus den Kampfstoff Nowitschok nach. Der mutmaßliche FSB-Mann sagte in dem nun veröffentlichten Telefonat, das Gift sei an der Innenseite der Unterhose angebracht gewesen.

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Nawalny überlebte den Anschlag nur wegen Notlandung

Nawalny habe den Anschlag nur überlebt, weil der Flug nicht lange genug gedauert habe und Sanitäter ihn so schnell versorgt hätten. Der Pilot hatte damals eine Notlandung in der sibirischen Stadt Omsk unternommen, als Nawalny im Flieger zusammengebrochen war. Nawalny wurde zunächst dort in ein Krankenhaus gebracht und später in die Berliner Charité geflogen. Eine solche "Verkettung von Ereignissen" sei "der schlimmste Faktor, der bei unserer Arbeit passieren kann", meinte Kudrjawzew am Telefon.

Nawalny soll mit einem in der Sowjetunion entwickelten chemischen Nervenkampfstoff der Nowitschok-Gruppe vergiftet worden sein. Russland hatte wiederholt Vorwürfe zurückgewiesen, nichts zur Aufklärung des Falls beizutragen, und das Vorlegen von Beweisen gefordert.

Wladimir Putin gibt nur die Beobachtung Nawalnys zu

Auf seiner großen Jahrespressekonferenz hatte Putin eine Beobachtung Nawalnys durch den Geheimdienst zwar eingeräumt. Für eine Vergiftung seines schärfsten Gegners gebe es aber keinen Grund, hatte der Präsident betont. "Wenn das jemand gewollt hätte, dann hätte er das auch zu Ende geführt", sagte Putin mit Blick auf die Mordvorwürfe.

Nawalny selbst, sein Stab, aber auch viele Experten werteten bereits diese Worte Putins als Teilgeständnis. Russland hatte eine Vergiftung des Putin-Gegners bestritten und erklärt, alle Nowitschok-Vorräte vernichtet zu haben.

Teile der russischen Führung warfen sogar westlichen Geheimdiensten vor, den Fall konstruiert zu haben, um Moskau international an den Pranger zu stellen und zu bestrafen. Die EU hat wegen der Vergiftung Sanktionen gegen Russland erlassen. (dpa/hau/ash)

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