• Noch vor der offiziellen Eröffnung der Frankfurter Buchmesse hat die Anwesenheit des Standes eines neurechten Verlages für Diskussionen gesorgt.
  • Die schwarze Autorin Jasmina Kuhnke sagte deshalb ihre Auftritte auf der Bücherschau ab.
  • Die Frankfurter Buchmesse und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels sehen den Stand hingegen als von der Meinungsfreiheit abgedeckt.

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Mit einer Feier ist am späten Dienstagnachmittag die Buchmesse in Frankfurt am Main eröffnet worden. Doch bereits vor dem offiziellen Start hat ein Stand von Verlagen der Neuen Rechten zu einer Kontroverse geführt.

Die Bildungsstätte Anne Frank solidarisierte sich mit der Autorin Jasmina Kuhnke, die ihren Auftritt auf der Buchmesse wegen des dort vertretenen Jungeuropa-Verlags abgesagt hatte. "Von der persönlichen Betroffenheit abgesehen, finde ich es als untragbar, Nazis Raum zu bieten, sich darstellen zu dürfen", schrieb Kuhnke in einer auf Twitter veröffentlichten Stellungnahme mit Blick auf zahlreiche zurückliegende rassistische Anfeindungen gegen sie.

Sie bedauert, dass ihr nur das Mittel des Boykotts bleibe, "um mich als schwarze Frau zu schützen". Kuhnke sollte am Freitag im Rahmen einer ARD-Sendung und einer Diskussionsrunde auftreten, sowie auf der Buchmesse ihren Debütroman "Schwarzes Herz" vorstellen.

Meron Mendel: Keine Plattform für "giftige Ideologie der Rechten"

"Es ist ein Desaster für unsere offene Debattenkultur, wenn sich Betroffene von Rassismus, Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit von der Frankfurter Buchmesse als der größten Debattenmesse des Landes zurückziehen, weil sie sich dort nicht sicher fühlen", erklärte der Direktor der Bildungsstätte, Meron Mendel, in einer ebenfalls am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme.

"Wir müssen in Deutschland inzwischen täglich rassistische und antisemitische Übergriffe auf Menschen dokumentieren", sagte Mendel. "Anschläge wie in Halle, Hanau oder auch der Mord an Walter Lübcke machen überdeutlich, dass die giftige Ideologie der Rechten eine konkrete Gefahr für Menschenleben bedeutet. Wer ihnen auf prominenten bürgerlichen Plattformen wie der Frankfurter Buchmesse ein Podium bietet, trägt zur weiteren Normalisierung und Verbreitung von Menschenhass bei."

Ähnlich äußerte sich Michael Müller, kulturpolitischer Sprecher der Linken-Fraktion im Frankfurter-Römer. "Die Frankfurter Buchmesse darf diesen Verlagen keine Bühne bieten, auch nicht in der hinterletzten Ecke", betonte er. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung in Deutschland werde "damit ganz sicher nicht beschnitten".

Buchmesse verteidigt Stand von neurechten Verlag

Die Buchmesse selbst und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels bedauerten die Absage von einzelnen Autorinnen und Autoren. "Ihre Stimmen gegen Rassismus und ihr Eintreten für Diversität werden auf der Frankfurter Buchmesse fehlen", heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten gemeinsamen Statement.

Zugleich betonen sie: "Meinungs- und Publikationsfreiheit stehen für uns an erster Stelle. Sie sind die Grundlage dafür, dass der freie Austausch in unserer Demokratie und die Buchmesse überhaupt möglich sind." Solange sich Verlage im Rahmen der Rechtsordnung bewegen, können sie auf der Buchmesse ausstellen, "auch wenn wir ihre Ansichten nicht teilen".

Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut, hatte bereits am Dienstag Buchmessen-Direktor Juergen Boos betont. "Die Buchmesse ist der Ort, der dafür steht. Und wir müssen leider auch Meinungen oder die Präsenz von Menschen aushalten, die ich nicht unbedingt gerne hier hätte."

Die Buchmesse stehe für diesen möglichst offenen Diskurs. "Wir werden immer das ganze Spektrum hier haben, solange sich die Menschen hier zeigen wollen. Aber es muss uns nicht gefallen. Aber es muss möglich sein, weil für uns Meinungsfreiheit, the freedom to publish, das höchste Gut ist." Dem entgegnete Kuhnke in ihrem Statement: "Rassismus und Antisemitismus sind keine Meinung und das Argument der Meinungsfreiheit somit obsolet."

Buchmesse findet wegen Corona-Pandemie hybrid statt

Schon 2017 hatte die Präsenz neurechter Verlage zu Protesten und einer Demonstration geführt. Damals waren Mitglieder der rechtsextremen und vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung auf dem Stand eines neurechten Verlags aufgetreten und hatten Parolen gerufen. Im Zuge dessen kam es zu einem Handgemenge. Ebenso nahm damals der Chef der Thüringer AfD, Björn Höcke, an einer Podiumsdiskussion teil.

Am Mittwoch macht die weltweit größte Bücherschau ihre Tore für Fachbesucher auf, für das Publikum wird sie am Wochenende öffnen. Wegen der Corona-Pandemie findet sie in diesem Jahr als hybride Veranstaltung teils in Präsenz und teils digital statt. Gastland in diesem Jahr ist Kanada.

2019 waren rund 302.000 Besucher zur Messe gekommen. Zu den Höhepunkten zählt traditionell die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels zum Abschluss der Buchmesse am Sonntag. In diesem Jahr wird die Autorin und Filmemacherin Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe ausgezeichnet. Bereits am Montagabend erhielt Antje Rávik Strubel für ihr Werk "Blaue Frau" den Deutschen Buchpreis für den Roman des Jahres. (dpa/afp/mf)

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