• Die deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung verstößt nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Wesentlichen gegen EU-Recht.
  • Das teilte der EuGH am Dienstag in Luxemburg mit. Die Regelung liegt seit 2017 auf Eis.

Mehr aktuelle News finden Sie hier

Die deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung ist nach einem Urteil des höchsten EU-Gerichts nicht mit europäischem Recht vereinbar. Eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung von Verbindungs- und Standortdaten stehe dem Unionsrecht entgegen. Das teilten die Richter des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) am Dienstag mit.

Bei einer ernsten aktuellen oder vorhersehbaren Bedrohung für die nationale Sicherheit dürften Verkehrs- und Standortdaten allgemein vorübergehend gespeichert werden, erklärte der EuGH den Ausnahmefall. Auch eine allgemeine Vorratsdatenspeicherung der IP-Adressen ist zulässig. Der EuGH bestätigt damit seine bisherige Rechtsprechung. (Az. C-793/19 und C-794/19)

Die Richter der EU beklagen einen Eingriff in die bürgerlichen Grundrechte

Der Satz von Verbindungs- und Standortdaten, die nach der deutschen Regelung gespeichert werden sollen, kann nach Ansicht der Richter sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der Personen ermöglichen - etwa auf Gewohnheiten des täglichen Lebens oder das soziale Umfeld. Damit könne ein Profil dieser Personen erstellt werden. Dies sei ein Grundrechtseingriff, der eine gesonderte Rechtfertigung erfordere, so die Richter.

Es ist nicht das erste Urteil für den EuGH in Sachen Vorratsdatenspeicherung. Das höchste EU-Gericht hatte in den vergangenen Jahren immer wieder über die Vorratsdatenspeicherung zu entscheiden. Meist kippte er die nationalen Regelungen oder schränkte sie deutlich ein. Der EuGH erklärte am Dienstag auch die französische Regelung zur Vorratsdatenspeicherung gegen Marktmissbrauch für rechtswidrig.

Langjähriger Streit um die Speicherung von Vorratsdaten setzt sich fort

Die sogenannte Vorratsdatenspeicherung ist seit Jahren hoch umstritten: Während Sicherheitspolitiker in ihr ein zentrales Instrument im Kampf gegen organisierte Kriminalität, Kinderpornografie und Terrorismus sehen, halten Bürgerrechtler und Verbraucherschützer sie für einen unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre.

Hintergrund des Urteils ist ein Rechtsstreit der Bundesnetzagentur mit dem Internetprovider SpaceNet und der Telekom. Die Unternehmen wehren sich gegen eine Vorschrift, bestimmte Daten für den Zugriff der Behörden aufzubewahren: etwa den Zeitpunkt und die Parteien eines Telefonats. Dabei geht es zum Beispiel darum, wer wann mit wem wie lange telefoniert hat oder mit welcher IP-Adresse jemand im Internet unterwegs war. Die Inhalte der Kommunikation werden nicht gespeichert.

Die Bundesnetzagentur hatte die deutsche Regelung bereits 2017 auf Eis gelegt, nachdem das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden hatte, dass SpaceNet nicht zur Speicherung der Daten verpflichtet werden darf. Das war wenige Tage, bevor die neue Regel eigentlich in Kraft treten sollte.

Das Bundesverwaltungsgericht muss zum Urteil des EuGH Stellung nehmen

Dieses Gesetz hat nach dem EuGH-Urteil in seiner jetzigen Form keinen Bestand mehr. Die Vorratsdatenspeicherung ist in Deutschland derzeit ausgesetzt. Nun geht der Fall zurück an das Bundesverwaltungsgericht. Das müsste feststellen, dass die deutschen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung gegen EU-Recht verstoßen. Die Bundesregierung müsste dann die Vorgaben des EuGH in einem neuen Gesetz beachten.

Ob es ein neues Gesetz geben wird und wie das aussehen soll, ist allerdings noch völlig unklar. Die Bundesregierung kündigte jedoch bereits an, die Regelung reformieren zu wollen.

Die Koalition war sich bei dem Thema zuletzt aber uneins: Während Grüne und FDP die Vorratsdatenspeicherung ablehnen, sprach sich Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zuletzt zumindest für die Sicherung von IP-Adressen aus, um sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet besser verfolgen zu können. (dpa/afp/fte/hau)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.