Der nächste US-Präsident bleibt seinem Ruf treu. Donald Trump giftet gegen die Medien, schafft sich seine eigene Realität. Wissenschaftler glauben, dass sein Politikstil auch in anderen Ländern Nachahmer finden wird.

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Am 20. Januar ist es soweit. Donald Trump wird als 45. Präsident der USA ins Weiße Haus einziehen. Dann wird sich zeigen, was aus seinen Versprechen und Plänen wird. Eines scheint schon jetzt sicher zu sein: Seine Impulsivität wird er wohl nicht ablegen.

Bei seiner ersten Pressekonferenz seit Monaten gab der Republikaner jedenfalls schon mal einen Vorgeschmack: Auf Berichte über ein mögliches russisches Geheimdossier reagierte Trump alles andere als gelassen, warf den Medien "Fake-News" vor und fragte über Twitter: "Leben wir in Nazi-Deutschland?"

Experte: Trump wird sich nicht ändern

Bisher konnte sich Trump noch viel erlauben, weil er "nur" Kandidat war. "Ich sehe keinen Grund anzunehmen, dass er sich im Amt ändern wird", sagt Josef Braml, Amerika-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, im Gespräch mit unserer Redaktion.

Der bald mächtigste Mann der Welt hat sich in den vergangenen Monaten zahlreiche Ausrutscher geleistet. Geschadet haben sie ihm selten. Oft hatten Beobachter und Konkurrenten erwartet, dass ein erneuter Fehltritt oder Wutanfall für Trump negative Folgen haben würde.

Einreisestopp für Muslime, gehässige Witze über Behinderte, pubertäres Gerede über Frauen: Seine Anhänger haben ihm das verziehen – oder sich an seinem ungehobelten Stil sogar erfreut.

"Trump hat den Protest am bestehenden System aufgenommen", sagt Josef Braml. "Was viele ihm als Schwäche ausgelegt haben, hat sich als seine Stärke erwiesen. Er hat es geschafft, sich als Milliardär mit dem Volk zu solidarisieren."

Dass er so wettert, macht Trump erfolgreich

Dass der Unternehmer und Politiker gegen Minderheiten wettert, macht in den Augen seiner Fans gerade seinen Erfolg aus – das sagt auch Thomas Kliche, Professor für Bildungsmanagement an der Hochschule Magdeburg-Stendal und Experte für Politische Psychologie.

"Viele seiner Anhänger finden in Trump ihre eigenen negativen Gefühle gegenüber der Politik und den Regeln der Gesellschaft wieder", so Kliche gegenüber unserer Redaktion.

Dabei vertrete der designierte US-Präsident eigentlich ein überholtes Sozialmodell: ein Chef, der ausfallend und beleidigend wird. "Wenn seine Wähler so mit Kollegen oder Mitarbeitern umgehen würden wie er, wäre Amerika ein Land im Bürgerkrieg."

Nehmen die "kleinen Leute", die Trump in großer Zahl gewählt haben, es dem Geschäftsmann wirklich ab, dass er Politik für sie machen wird?

Immerhin habe Trump, der im Wahlkampf gegen das große Geld gewettert hat, danach "die halbe Wall Street am Kabinettstisch" versammelt, sagt Josef Braml. Ob die Verlierer der amerikanischen Gesellschaft da auf seiner Seite bleiben? "Das werden wir sehen", sagt der Politikwissenschaftler.

Sein Stil ruf Ablehnung hervor

Auch wenn Trump die Präsidentschaftswahlen nach dem geltenden System gewonnen hat: Der Stil ruft auch Ablehnung hervor. "Sein Auftreten stößt einen erheblichen Teil der Menschen massiv ab", sagt Thomas Kliche.

Die Polarisierung aber gehört für den Politiker zur Strategie: Je lauter seine Gegner gegen ihn wettern, desto mehr fühlen sich seine Anhänger bestätigt.

Deswegen glaubt auch der Psychologe nicht, dass der 70-Jährige sein Auftreten mäßigen wird: "Trump orientiert sich nicht an Versöhnung. Seine Methode ist die Mobilisierung von Menschen um den Preis, Feindschaften in der Bevölkerung zu schaffen."

Seit Jahren wird über die wachsende Kluft in den Vereinigten Staaten gesprochen. Nicht nur zwischen den Bevölkerungsgruppen, auch zwischen den Bürgern und der politischen Elite.

Da könnte ein Populist wie Trump, der im Wahlkampf nicht nur über die Demokraten, sondern auch über seine eigenen Republikaner hergezogen war, doch ein Brückenbauer sein. Jemand, der die Kluft zwischen dem politischen Establishment und dem Volk wieder schließt.

Josef Braml glaubt das nicht. "Auf Kosten der Freiheit", lautet der Titel des Buchs, das Braml über die amerikanische Politik geschrieben hat. Er ist sicher: Trump bedroht die Demokratie. Nicht nur in den USA, auch in anderen Ländern.

"Illiberale Demokratie" hat Auftrieb

Experten beobachten seit Jahren, dass in immer mehr Ländern die sogenannte "illiberale Demokratie" Auftrieb hat. Darunter verstehen Politikwissenschaftler ein demokratisches System, in dem zwar freie und faire Wahlen stattfinden – in dem die Regierenden ihre Macht aber dazu nutzen, Freiheiten einzuschränken. Etwa indem sie Gerichte und Medien kontrollieren.

Trump schlägt in diese Kerbe, wenn er die Arbeit der Medien in Frage stellt. Bei ihm schreibt oder sendet jeder, der nicht auf seiner Linie ist, die Unwahrheit. "Fake-News" ist dabei offenbar sein neuer Lieblingsvorwurf. CNN etwa verbreite falsche Nachrichten, twitterte er am Donnerstag.

Die Glaubwürdigkeit von CNN werde bald dahin sein, so Trump. Der Sender hatte über das Geheimdossier berichtet, das die russischen Geheimdienste angeblich über Trump gesammelt haben sollen.

Josef Braml sieht die Gefahr, dass Trumps Stil auch in Europa Einzug hält. Nicht nur, weil auch in Russland, der Türkei oder Ungarn Politiker mit umstrittenem Führungsstil an der Macht sind.

"Wir werfen Putin vor, uns zu beeinflussen. Aber noch problematischer ist, dass unser eigenes Immunsystem nicht mehr funktioniert", sagt Braml. "Es besteht hohe Ansteckungsgefahr, dass die illiberalen Tendenzen auch auf andere Länder übertragen werden."

Auch Thomas Kliche sieht im Erfolg des nächsten amerikanischen Präsidenten eine "Ermutigung für ähnlich gestrickte Politiker. Für eine brutale, auf Eigennutz und Ausgrenzung setzende Politik weltweit".

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