Die Äußerungen von Donald Trump über Nato und EU sorgen in Europa für Bestürzung. Auch seine Bewunderung für Wladimir Putin und seine Meinung zum Thema Folter sind umstritten. Aber der neue US-Präsident regiert nicht alleine. Seine Minister und Berater denken bei manchen Themen anders als ihr Chef. Und das ist durchaus von Bedeutung.

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Der neue Außenminister Rex Tillerson, der sich nach einer neuen Führungsriege für sein Ministerium umgucken muss, hat von Russland den "Freundschaftsorden" bekommen, sein Kollege im Verteidigungsministerium, James Mattis, will sich wiederum dem russischen Expansionskurs entgegenstellen. Das zeigt beispielhaft, dass der neue US-Präsident Donald Trump am Kabinettstisch Minister mit gegensätzlichen Ansichten versammelt.

Was also genau wollen die USA? Kuschelkurs oder Konfrontation gegenüber Russland? Ist die Nato großartig oder doch "obsolete", also "überholt"? Ist Folter sinnvoll - oder eben nicht?

Vielleicht stecke Kalkül hinter den gegensätzlichen Ansichten innerhalb der US-Administration, sagt Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik und USA-Experte an der Universität Köln, im Gespräch mit unserer Redaktion. "Damit legt sich die Regierung noch nicht auf eine Linie fest und hält ihren Handlungsspielraum groß."

Minister sind stark und schwach zugleich

Die Minister seien in der amerikanischen Politik schwach und stark zugleich, erklärt Jäger. Sie sind zwar einerseits verpflichtet, die Politik des Präsidenten umzusetzen. "Gleichzeitig können sie aber auch eine stärkere Stellung haben als zum Beispiel Minister in Deutschland", erklärt Jäger. Dann nämlich, wenn das Staatsoberhaupt auf ihren Rat hört: "Wenn sie das Ohr des Präsidenten haben, kann ihr Einfluss weit über das eigene Ressort hinausgehen."

Können die Minister Trump in seinen teils radikalen Ansichten beeinflussen? Die Hoffnungen der Europäer ruhen da vor allem auf James Mattis. Der neue Verteidigungsminister hat zwar den Spitznamen "Mad Dog" (verrückter Hund).

Der 66-Jährige gilt aber auch als Freund der Nato, als Kritiker Russlands und im Israel-Palästina-Konflikt als Anhänger einer Zweistaatenlösung. Auch beim Thema Folter ist er zurückhaltend und steht damit in Opposition zu Trump, der gerade erst seinen Zuspruch zum "Waterboarding" erneuert hat, einer brutalen Verhörmethode, die unter Barack Obama verboten worden war.

Allerdings erklärte der US-Präsident im gleichen Atemzug, zumindest bei der Folter-Frage auf den Rat seines Verteidigungsministers hören zu wollen.

In Sachen Russland eher auf der Linie des Präsidenten ist Rex Tillerson, der neue Außenminister. Der ehemalige Chef von Exxon Mobil ist ohne Regierungserfahrung an die Spitze der amerikanischen Diplomatie getreten.

Politikwissenschaftler Jäger wirbt aber dafür, dem 64-Jährigen einen Vertrauensvorschuss zu geben. "Tillerson hat in den Anhörungen bisher eine gute Figur gemacht. Er war beherrscht und zurückgenommen, und er hat durchaus diplomatische Erfahrung – nur eben in der Wirtschaft", so Jäger. "Er ist weltläufig und wird sich in die Gepflogenheiten des Außenministeriums einarbeiten."

Ein US-Präsident kann keine erfolgreiche Politik ohne Berater machen. Das gilt auch für Donald Trump, über den schon gelästert wurde, er vertrete in der Regel die Meinung desjenigen, mit dem er zuletzt gesprochen hat.

Wer wird zum Präsidenten-Flüsterer?

Wer letztendlich zum Präsidenten-Flüsterer wird, ist für Thomas Jäger noch nicht ausgemacht. Neben den Chefs im Außen- und Verteidigungsministerium spiele auch noch der neue Nationale Sicherheitsberater Michael Flynn eine Rolle.

"Trump hat ganz unterschiedliche Personen um sich versammelt. Wer die drei, vier Leute sein werden, mit denen er sich am engsten abstimmt, bleibt abzuwarten."

In Frage kommen dafür laut Jäger nicht nur die Minister, sondern auch Trumps Berater im Weißen Haus. Dass sein Schwiegersohn Jared Kushner und der umstrittene Chefstratege Stephen Bannon zum engsten Kreis gehören, hält er für wahrscheinlich.

Wenig Gestaltungsspielraum sieht der USA-Experte für die neue UN-Botschafterin Nikki Haley. Als Tochter indischer Einwanderer ist sie eine Ausnahmeerscheinung in Trumps Riege älterer weißer Männer.

Dass der Präsident mit ihr eine innerparteiliche Gegenspielerin ohne außenpolitische Erfahrung auf den Posten gesetzt hat, spricht laut Jäger eher dafür, dass er die Vereinten Nationen für nicht besonders wichtig hält.

Schwere Zeiten für die UNO

Auf die UNO kommen schwere Zeiten zu, weil die USA ihre finanziellen Zuschüsse verringern wollen. Daran werde Haley nicht viel ändern können, sagt Jäger: "Wenn sie nicht das macht, was Trump will, ist sie am nächsten Tag nicht mehr im Amt."

Brechen mit Trump also in der Tat schwere Zeiten an? Nicht nur für die UN, auch für die Nato? "Vielleicht wird sich an der amerikanischen Politik gar nicht so viel ändern", glaubt der Politik-Experte.

Denn vielleicht wolle Trump mit seinem Auftreten auch einfach Zugeständnisse seiner Partner herausschlagen: Kontinuität im Preis für Gegenleistungen. "Wenn die europäischen Staaten jetzt sagen, dass sie bereit sind, mehr für Verteidigung auszugeben – dann hat Trump ein wichtiges Ziel schon erreicht."

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