China kommt in der Lösung des Atomstreits mit Nordkorea eine Schlüsselrolle zu, auch US-Präsident Donald Trump fordert das. Aber wie groß ist der Einfluss Pekings überhaupt? Der Politologe Eric J. Ballbach sagt, trotz wachsender Missstimmungen gebe es weiter eine wechselseitige Abhängigkeit - und darin liegt Hoffnung auf eine Entschärfung des Konflikts.

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Der Atomstreit mit Nordkorea spitzt sich zu. Auf der Suche nach einer Lösung nimmt der amerikanische Präsident Donald Trump mehr und mehr China in die Pflicht. Zurecht? Oder setzt Trump zu große Hoffnung auf die asiatische Großmacht? Fragen an den Korea-Experten Eric J. Ballbach:

Herr Ballbach, US-Präsident Donald Trump erwartet von den Chinesen Unterstützung bei der Lösung des Nordkorea-Konflikts. Wie viel Einfluss hat Peking überhaupt auf Pjöngjang?

Eric J. Ballbach: Der Einfluss ist in erster Linie ökonomischer Natur. Ein Großteil des Außenhandels Nordkoreas wird mit China abgewickelt – nach Schätzungen etwa 70 bis 80 Prozent. Pjöngjang importiert Nahrung, Brennstoff und Industrieprodukte aus China.

Dagegen sind die militärischen Beistandsverpflichtungen nach dem Ende des Kalten Krieges mehr oder weniger hinfällig geworden, auch wenn sie nie offiziell aufgekündigt wurden.

Wie könnte China Druck machen und Nordkorea zum Einlenken bewegen?

Ballbach: Es ist fraglich, ob China seinen großen wirtschaftlichen Einfluss auch politisch hart einsetzen wird. Die chinesische Regierung verfolgt eine Doppelstrategie gegenüber Nordkorea. Sie übt moderaten Druck wegen des Atomprogramms aus, etwa durch den Stopp von Kohlelieferungen. Andererseits will China verhindern, dass es zu einem Systemkollaps kommt, weil Nordkorea ein Puffer zum kapitalistischen Südkorea und dessen Verbündeten, den USA, darstellt.

China unterstützt die Sanktionen des UN-Sicherheitsrates, weil es eine Atommacht Nordkorea ebenfalls als Sicherheitsrisiko empfindet. Der noch größere Albtraum ist aber ein kollabierendes Regime.

Auf welcher Ebene kommunizieren China und Nordkorea? Telefonieren die Staatschefs oder die Außenminister miteinander?

Ballbach: Es kommt immer wieder zu wechselseitigen Delegationsreisen und am Rande von internationalen Veranstaltungen auch zum Austausch auf hoher diplomatischer Ebene. In erster Linie sind das jedoch informelle Treffen, von denen sehr wenig nach außen dringt.

Sprechen die Chinesen Klartext, was das Atomprogramm betrifft?

Ballbach: Ja, davon kann man ausgehen. Aber was im Einzelnen besprochen wird, dringt nicht an die Öffentlichkeit. Jedenfalls sind die Zeiten der chinesisch-nordkoreanischen Blutsbrüderschaft aus dem Kalten Krieg lange vorbei. Die wechselseitige Unzufriedenheit ist sehr groß.

Ist China nur ein einfacher Verbündeter oder ist es noch die Schutzmacht Nordkoreas?

Ballbach: China bleibt der wichtigste Verbündete. Schutzmacht ist ein Begriff, den ich nur sehr bedingt gebrauchen würde. Man weiß einfach nicht, wie sich China im Falle einer militärischen Auseinandersetzung verhalten würde. Ob Peking aktiv militärisch eingreifen würde, ist spekulativ.

Die Beziehungen der Staaten haben sich wegen des umstrittenen Atomprogramms in den letzten Jahren bereits abgekühlt. China lieferte temporär keine Kohle mehr nach Nordkorea, eine Flugverbindung wurde eingestellt. Gibt es weitere Beispiele, die für eine Verschlechterung der Beziehungen sprechen?

Ballbach: In der ersten Nuklearkrise in den 1990er Jahren hat sich China sehr zurückgenommen – mit dem Verweis auf die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten. In der zweiten Nuklearkrise seit 2002/2003 nimmt China eine ganz andere Rolle ein.

Das Land ist ein sehr aktiver, diplomatischer Akteur in der Region und versuchen Gräben zu überbrücken. Die Chinesen wollen den Frieden erhalten, um ihr ungestörtes ökonomisches Wachstum nicht zu gefährden. Die chinesische Unterstützung der UN-Sanktionen ist ein deutliches Zeichen dafür, dass sich die Beziehungen abgekühlt haben.

Ist der diplomatische Austausch zwischen Peking und Pjöngjang auf einem Tiefpunkt angelangt?

Ballbach: Ich würde nicht Tiefpunkt sagen, aber es ist eine große Herausforderung. Beiden wollen ihre eigene Position nicht weiter schwächen, zudem besteht eine beidseitige Abhängigkeit.

Deswegen werden sich die Beziehungen nicht grundlegend weiter verschlechtern. Daran haben beide Staaten kein Interesse.

Bleibt China die größte Hoffnung, um den Konflikt im Atomstreit zu deeskalieren oder erwartet Trump letztlich zu viel von den Chinesen?

Ballbach: Ich glaube schon, dass der Schlüssel in China liegt. Es ist nicht so, dass China jetzt eine oder zwei Maßnahmen ergreift und der Konflikt wäre gelöst. Aber Peking hat sich als diplomatischer Akteur in der Nuklearkrise unverzichtbar gemacht – als Ausrichter der Sechs-Parteien-Gespräche, als engster Gesprächspartner der Nordkoreaner und mit dem ökonomischen Hebel gegenüber Pjöngjang.

China ist hinter den Kulissen sehr aktiv und versucht den Konflikt zu entschärfen. Nichtsdestotrotz ist ein Dialog mit Nordkorea immer noch sehr schwierig. Insofern darf man von den Chinesen auch nicht zu viel erwarten.

Dr. Eric J. Ballbach ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Koreastudien der Freien Universität Berlin.
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