Ein Bericht des Tüv Süd macht in sozialen Netzwerken die Runde. Manche schließen daraus, dass ein ukrainisches Auto die Tüv-Hauptuntersuchung kostenfrei bekommen habe. Dabei stammt der Bericht von einer anderen Untersuchung.

In den Kommentaren dominiert der Neid. "Toll, bezahlen wir wieder mehr", heißt es da etwa. Oder: "Als Deutscher Bürger musst du diese Gebühr bezahlen, als Ukrainer nicht." Auslöser dafür ist ein Untersuchungsbericht des Tüv Süd, der in sozialen Netzwerken kursiert.

Untersuchungsbericht des Tüv Süd
Dieser Untersuchungsbericht des Tüv Süd ist echt – allerdings geht es dabei nicht um eine reguläre Hauptuntersuchung. © Quelle: Telegram; Screenshot und Unkenntlichmachung: CORRECTIV.Faktencheck

Daraus geht hervor, dass eine technische Untersuchung für ein ukrainisches Fahrzeug kostenfrei durchgeführt worden sei. Die Tüv-Untersuchung, so meinen mehrere Nutzerinnen und Nutzer, koste aber eigentlich etwa 140 Euro. Andere beschweren sich in den Kommentaren darüber, dass ihre Steuergelder für die Gratis-Untersuchungen verwendet würden.

Manche Menschen glauben hingegen, das Tüv-Schreiben sei gefälscht und schickten es deswegen per WhatsApp an CORRECTIV.Faktencheck. Doch es ist echt.

Bei dem Untersuchungsbericht geht es aber nicht um die Hauptuntersuchung, wie Besitzerinnen und Besitzer von Autos mit deutschem Kennzeichen sie alle zwei Jahre machen müssen. Sondern um eine technische Untersuchung, die für eine Ausnahmegenehmigung nötig ist, die Ukrainerinnen und Ukrainer brauchen, um in Deutschland mit ihren Autokennzeichen zu fahren. Einige Organisationen des Tüv-Verbands, darunter Tüv Süd, bieten diese für ukrainische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger gratis an.

Tüv Süd bestätigt: Schreiben ist echt

Vincenzo Lucà, Pressesprecher des Tüv Süd, bestätigt auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck, dass der Untersuchungsbericht echt ist.

Hintergrund der nötigen Untersuchung ist Paragraf 46 in der Fahrzeug-Zulassungsverordnung, in dem geregelt ist, dass ein Auto mit ausländischer Zulassung nur ein Jahr lang in Deutschland vorübergehend gefahren werden darf – auch in diesem Zeitraum schon unter der Voraussetzung, dass es betriebs- und verkehrssicher ist. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt des Grenzübertritts.

Dieses Jahr ist im Fall vieler Menschen, die wegen Russlands Angriff auf die Ukraine geflohen sind, schon vorüber. Sie müssen ihr Auto also in Deutschland zulassen oder einen Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung stellen. Eine solche gibt es laut einem Merkblatt des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr für Ukrainerinnen und Ukrainer, die als anerkannte Geflüchtete gelten. Sie müssen für die Genehmigung auch erklären, dass sie sich nicht dauerhaft in Deutschland aufhalten wollen.

Um diese Ausnahmegenehmigung zu erhalten, so erklärt das Lucà und so steht das etwa auch auf der Website des Landesamts für Straßenbau und Verkehr Sachsen, muss eine Untersuchung durchgeführt werden. Dabei wird geprüft, ob das Fahrzeug betriebs- und verkehrssicher ist. Mitglieder des Tüv-Verbandes haben laut Lucà entschieden, diese gebührenfrei anzubieten: "Damit soll gegenüber allen ukrainischen Staatsbürgern die volle Solidarität in dieser Krisensituation zum Ausdruck gebracht werden."

Laut T-Online bietet etwa die Sachverständigenorganisation Dekra, die solche Überprüfungen ebenfalls durchführen darf, diese nicht kostenfrei an. Dass die Untersuchung gratis durchgeführt wurde, ist also eine Entscheidung von Tüv Süd. Um Steuergeld geht es dabei nicht.

Untersuchung nicht für die Tüv-Plakette, sondern für Ausnahmegenehmigung

Von dieser technischen Untersuchung zu unterscheiden ist die reguläre Tüv-Hauptuntersuchung, die Autos mit deutschen Kennzeichen für die Tüv-Plakette brauchen. Die ist aufwendiger als die Untersuchung der Autos, die vorübergehend in Deutschland sind, und kostet in der Regel etwa 140 Euro, wenn Hauptuntersuchung und Abgasuntersuchung kombiniert werden. Im Normalfall ist sie alle zwei Jahre fällig.

Die technische Untersuchung für die Ausnahmegenehmigung ist hingegen günstiger. Sie koste, so schreibt Wolfgang Sigloch, Sprecher von Dekra, "in der Regel zwei Drittel des Entgelts für eine Hauptuntersuchung", was wiederum von der Fahrzeugart und vom Bundesland abhängig sei. Bei Tüv Süd, so sagt Sprecher Lucà, wäre die Ausgangsbasis dafür rund 56 Euro, das ist der Preis für die Hauptuntersuchung ohne die Abgasuntersuchung. Die Kosten für die technische Untersuchung würden also bei rund 37 Euro liegen.

Die Möglichkeit für eine Ausnahmegenehmigung für ukrainische Geflüchtete besteht laut Verkehrsministerium voraussichtlich nur noch bis Anfang April 2024. Danach brauchen auch diese eine deutsche Zulassung für ihr Auto. Damit beginnen auch die regulären Fristen für die Hauptuntersuchung beim Tüv.

Reparatur der Schäden zahlen Autofahrer selbst

Anders als in einigen Tiktok-Kommentaren angenommen, werden die Kosten für die Reparatur der festgestellten Schäden nicht übernommen.

In dem online kursierenden Bescheid hat das Auto eine gebrochene Feder an einer Achse, einen verdrehten Bremsschlauch und falsch eingestellte Lichter. Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass das Auto nicht verkehrssicher ist. Treten bei der Untersuchung für die Ausnahmegenehmigung Mängel zutage, müssten diese unverzüglich behoben werden, schreibt Lucà.

Für die Reparatur müsse die Autohalterin oder der Autohalter zahlen. Auf der Website des Sächsischen Landesamts steht auch: "Wird Ihr Fahrzeug bei der Sicherheitsuntersuchung als nicht betriebs- und verkehrssicher eingestuft, darf man damit ab sofort am Straßenverkehr bis zu einer Behebung der Mängel nicht teilnehmen."

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