Der verheerende Brand in der Kathedrale Notre-Dame bestürzt Frankreich tief. In der Stunde des Infernos zeigt sich, welchen immensen historischen und emotionalen Wert das Pariser Wahrzeichen hat. Auch in Deutschland gibt es Gotteshäuser mit vergleichbarer Bedeutung. Ist eine solche Katastrophe auch in Köln, Dresden oder Aachen denkbar?

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"Ich dachte, mir bleibt das Herz stehen", sagt Barbara Schock-Werner über den Moment am Montagabend, als sie die ersten Bilder vom Großbrand in der Pariser Kathedrale Notre-Dame im Fernsehen sah.

Jenen Menschen, die wie die ehemalige Kölner Dombaumeisterin ein besonderes Verhältnis zu Deutschlands großen Sakralbauten haben, geht das Inferno in Frankreich besonders nahe. Doch Schock-Werner weiß: "Ein so infernaler Brand wie in Notre-Dame ist im Kölner Dom nicht denkbar."

Diese Tatsache ist in erster Linie der Weitsicht der Baumeister zu verdanken, die den jahrhundertelang unvollendeten Bau im 19. Jahrhundert fertiggestellt haben. Sie entschieden - nach zähen Diskussionen -, den Dachstuhl aus Stahl statt aus Holz zu fertigen, anders als in Notre-Dame. Auch verfügt der Kölner Dom über Leerrohre in der Fassade, über die die Feuerwehr schnell Löschwasser ins Gebäude pumpen kann.

Nichtsdestoweniger ist die Gefahr eines Brandes bei den Verantwortlichen immer präsent. Regelmäßige Feuerwehrübungen und strenge Brandschutzvorgaben für Mitarbeiter, Bauarbeiter und Besucher seien selbstverständlich, sagt Schock-Werner im Gespräch mit unserer Redaktion.

"Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht"

Helmut Mainzt, Dombaumeister in Aachen, kennt das nur zu gut. Der Aachener Dom ist in Teilen über 1.200 Jahre alt. Der Dachstuhl von 1656 ist aus Holz. Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt Mainzt, was er und seine Kollegen in Zusammenarbeit mit der Feuerwehr und der Stadtverwaltung unternehmen, um das Risiko möglichst gering zu halten - und den Schaden im schlimmsten Fall möglichst klein:

Der Dom verfüge über eine Brandmeldeanlage, die verhindern soll, dass ein Feuer lange unentdeckt bleibt, außerdem über eine Sprinkleranlage, die Flammen gleich im Keim ersticken soll. Die Anlagen werden regelmäßig gewartet, sagt Mainzt. "Just nächste Woche steht die große Prüfung an."

Überhaupt: Mit der Feuerwehr stehe er in ständigem Kontakt. "Neue Führungskräfte führe ich immer durch den Dachstuhl, damit sie die Gegebenheiten nicht im Ernstfall das erste Mal sehen." Auch wer bei der Aachener Berufsfeuerwehr als Maschinist einsteige, müsse mit Drehleiter und Hubwagen zum Üben anrücken.

Bei Veranstaltungen rund um den Dom wird laut Mainzt "peinlichst genau" darauf geachtet, dass der Rettungsweg zum Gebäude frei bleibt. Bei Bauarbeiten – wie sie ersten Erkenntnissen nach Notre-Dame zum Verhängnis geworden sind, würden strenge Vorschriften gelten: Striktes Rauchverbot. Keine Späne vom Sägen oder Fräsen liegen lassen. Nach Feierabend sämtliche Maschinen vom Strom nehmen.

Trotz allem, das weiß auch der Dombaumeister: "Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht." Ein detailliertes Konzept lege deshalb fest, was im Fall eines Brandes zu tun ist. Es regele zum Beispiel dem Umgang mit jedem einzelnen Kunstwerk im Kircheninnern. Welches ist am wertvollsten? Welches lässt sich leicht nach Draußen bringen? Welches ist mit einer Brandschutzdecke gut geschützt?

Rauchmelder und Brandschutztüren gut versteckt

Die Bilder von der lichterloh brennenden Pariser Kathedrale haben Mainzt sehr berührt. "Ich bin schockiert, das wünscht man keinem", sagt er.

Welchen Verlust das Feuer für die Menschen in Frankreich bedeutet, weiß man auch in Dresden, wo im Februar 1945 die Frauenkirche durch Luftangriffe ausbrannte und zusammenstürzte. Die Stiftung Frauenkirche Dresden teilt mit, sie verfolge die Nachrichten aus Paris "bestürzt und tief traurig".

Die wiederaufgebaute Frauenkirche entspreche modernen Brandschutzanforderungen, teilt der leitende Architekt Thomas Gottschlich auf Anfrage mit: Beim Neubau zwischen 1994 und 2005 sei weit weniger Holz verbaut worden als im barocken Original. Die Tragkonstruktion der Emporen beispielsweise bestünden aus Stahl. Wer heute den Kirchenraum betrete, durchschreitet Brandschutztüren - wenn auch, ohne sie optisch als solche wahr zu nehmen. Gleiches gelte für die zahlreichen Rauchmelder oder die hitzebeständigen Verkleidungen von Bauteilen und Kabeln, die Brandschäden 90 Minuten hinauszögern.

Die Frauenkirche begeistert heute wieder jedes Jahr Millionen Besucher. Die Verantwortlichen hoffen, diese Geschichte möge den Franzosen Mut machen.

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