Ein Endlager mit Atommüll will niemand in der Nachbarschaft haben. Aber irgendwo müssen die 1.900 Behälter hin, die übrig bleiben, wenn 2022 das letzte deutsche Atomkraftwerk vom Netz geht. Ein Bericht zeigt nun, welche Gegenden geologisch - ganz grundsätzlich - infrage kämen.

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90 Gebiete in Deutschland haben nach Erkenntnissen der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) günstige geologische Voraussetzungen für ein Atommüll-Endlager. Der Salzstock Gorleben in Niedersachsen ist nicht darunter, wie aus dem am Montag veröffentlichten Zwischenbericht Teilgebiete hervorgeht.

"Die Geologie ist von Nord bis Süd und Ost bis West so günstig, dass sich ein Standort wird ermitteln lassen", sagte BGE-Geschäftsführer Stefan Studt am Montag in Berlin. Mit Blick auf den zuvor vorgelegten ersten Teilbericht zur Endlagersuche seien die nun ausgewählten Regionen aber "noch lange kein Endlagerstandort".

54 Prozent der Fläche in Deutschland sind "grundsätzlich geeignet"

Der Bericht enthält eine erste Vorauswahl von Regionen, die grundsätzlich für ein Endlager in Frage kommen könnten. Er umfasst Gebiete in fast allen Bundesländern, lediglich das Saarland ist komplett außen vor.

Berücksichtigt man die Überlagerung einiger Gebiete, ist laut der BGE in Deutschland ein Anteil von 54 Prozent der Landesfläche als Teilgebiet ausgewiesen. Teilgebiete liegen etwa in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen, aber auch in den ostdeutschen Ländern.

Eine Vorfestlegung auf einen Standort ist damit aber nicht verbunden. In den kommenden Monaten und Jahren werden die möglichen Standorte nach und nach weiter eingegrenzt, indem weitere Kriterien - etwa die Bevölkerungsdichte - berücksichtigt werden.

Gorleben fällt wegen geologischer Mängel raus

Der Salzstock Gorleben kommt indes wegen geologischer Mängel nicht mehr für ein Endlager infrage. "Gorleben ist nicht der bestmögliche Standort", sagte BGE-Geschäftsführer Steffen Kanitz.

Unter anderem weise der Salzstock ein nicht intaktes Deckgebirge vor, auch die Gewässerchemie spreche gegen den Standort. Er betonte auf Nachfrage, dass die Entscheidung rein wissenschaftlich erfolgt sei, es habe keinen politischen Druck gegeben. Gorleben habe bei der ersten Prüfung der Geologie die Hürde genommen, weise aber keine "günstige Gesamtsituation auf.

Tonformationen in der näheren Umgebung Gorlebens sind dem Zwischenbericht zufolge aber weiterhin im Auswahlverfahren enthalten.

Neuer Nährboden für Debatte über Atommüll

Dennoch dürfte die Debatte über die Endlagerung von hoch radioaktivem Atommüll damit in Fahrt kommen - vor allem in den Gebieten, die nun näher unter die Lupe genommen werden sollen.

Das Endlager soll unterirdisch in Salz, Ton oder Kristallin, also vor allem Granit, entstehen. 2031 soll der Standort gefunden sein, ab 2050 sollen Behälter mit strahlendem Abfall unterirdisch eingelagert werden.

Der Bericht listet erst einmal alle Regionen in Deutschland auf, "die günstige geologische Voraussetzungen für die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle erwarten lassen", so schreibt es das entsprechende Gesetz vor. Deswegen sind es noch ziemlich viele und teils auch recht große Gebiete.

Konkreter wird es erst in den kommenden Jahren. Aus den Teilgebieten werden sogenannte Standortregionen ausgewählt, die übertägig genauer erkundet werden. Einige davon werden dann auch untertägig erforscht. Schwerpunkte der Vorauswahl sind die norddeutschen Bundesländer sowie Sachsen, Thüringen, Bayern und Baden-Württemberg. Dazu komme kleinere Gebiete in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen.

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Politik wird Entscheidung über Standort treffen

Nach langem Ärger um den Salzstock Gorleben war die Endlager-Suche komplett neu gestartet worden. Ausgehend von einer "weißen Landkarte", auf der erst mal jeder Ort grundsätzlich in Frage kommt, werden mögliche Standorte nun nach wissenschaftlichen Kriterien nach und nach eingegrenzt.

Am Ende soll dann aber die Politik die Entscheidung über den Standort treffen - basierend auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen. Über verschiedene Formate können sich Bürger, Gemeinden und Organisationen in den Prozess einbringen.

Zoff hatte es vor allem um Gorleben gegeben, das zu einem Symbol der Anti-Atomkraft-Bewegung geworden war. Manche forderten schon vor der Veröffentlichung des Berichts, den Salzstock als "politisch verbrannt" aus der Suche auszunehmen.

Aber auch die bayerische Landesregierung hat Ärger auf sich gezogen, weil sie den Suchprozess anzweifelt und darauf pocht, dass der Untergrund in Bayern nicht geeignet sei. Beides stellte das Prinzip der "weißen Landkarte" infrage, die erst nach und nach anhand messbarerer Kriterien eingegrenzt wird.

Auf dieses Prinzip pochen unter anderem die Grünen, deren Wurzeln auch in der Anti-Atomkraftbewegung liegen. "Jetzt ist erst einmal die Wissenschaft am Zuge und die sollte man auch in Ruhe machen lassen", sagte Bundestags-Fraktionsvize Oliver Krischer der dpa.

Im Fall Gorleben habe es in erster Linie eine politische Entscheidung gegeben. In den 70er Jahren war beschlossen worden, dort ein Endlager einzurichten. Deswegen habe "ein Landstrich fast komplett rebelliert". (dpa/AFP/fte/ank)

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