Sind Elektrofahrzeuge im Hochwasser nicht mehr fahrtauglich, weil es zu einem Kurzschluss kommt? Das wird in zahlreichen Beiträgen auf Facebook behauptet. Doch Experten widersprechen – und sehen E-Autos in einem Punkt sogar im Vorteil gegenüber Verbrennern.

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Auf Facebook werden in zahlreichen Beiträgen (hier, hier, hier und hier) Fotos von Bundeswehr-Krankenwagen geteilt, die durch überflutete Straßen fahren. Dazu wird die Behauptung verbreitet, wenn künftig bei Hochwasser-Katastrophen nur noch E-Autos eingesetzt würden, würden "mal kurz ein paar Funken sprühen, es gäbe einen Kurzschluss und das war’s dann".

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Darin steckt die Behauptung: Elektroautos wären bei Hochwasser nutzlos, ganz im Gegensatz zu Verbrennern, die mit Kraftstoff wie Benzin oder Diesel fahren. Für einen Faktencheck hat CORRECTIV mit Experten vom Verband der Automobilindustrie (VDA) und der Initiative Elektromobilität NRW gesprochen. Sie sagen ganz klar: Die Einsatzfähigkeit und Sicherheit von Elektroautos bei Hochwasser unterscheidet sich nicht von der eines Autos mit Verbrennungsmotor – im Zweifel kommt ein E-Auto sogar besser weg.

Elektroautos können auf überfluteten Straßen fahren

Eine Sprecherin des VDA erklärte: "Die maximale Wassertiefe, durch die ein Elektroauto fahren kann, entspricht mit circa 30 Zentimetern der eines Verbrenners." Der genaue Wert sei je nach Hersteller, Konzept und Design unterschiedlich. Speziell für Wasserdurchfahrten ausgerüstete Geländewagen könnten sogar erheblich höhere Wassertiefen meistern.

Das bestätigte auch ein Sprecher von Elektromobilität NRW, einer Initiative des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums: "Im Normalfall – ohne vorherige Beschädigungen – bleibt ein E-Fahrzeug auch im Wasser fahrtüchtig." Die vom Hersteller zugelassene maximale Wassertiefe (Wattiefe), durch die ein Landfahrzeug sicher fahren kann, sei jedoch von Fahrzeug zu Fahrzeug unterschiedlich.

Weiter erklärte der Sprecher, dass ein E-Fahrzeug im Hochwasser im Zweifel sogar im Vorteil gegenüber einem Verbrenner sein kann. Denn für einen Verbrenner gelte: "Solange der Motor mit ausreichend Luft versorgt wird, läuft er weiter. Die Abgase strömen weiterhin über den Auspuff nach außen und verhindern so den Wassereintritt. Die Luftansaugung befindet sich in der Regel knapp unterhalb der Motorhaube im Kühlergrill, so dass der Verbrennungsmotor nur bis zu einer gewissen Wassertiefe mit Luft versorgt werden kann." Wenn folglich Wasser in die Brennkammer des Motors gelange, gehe der Motor aus – weil keine Verbrennung mehr stattfinden kann. Das Fahrzeug kann nicht mehr weiterfahren.

Hier seien E-Fahrzeuge sogar im Vorteil, "da Hochvoltbatterie und Elektromotor als wasserdichte Systeme gekapselt sind und sie keine Luft für die Fortbewegung benötigen", sagte der Sprecher von Elektromobilität NRW.

E-Autos bekommen keinen Kurzschluss im Hochwasser – auch vor einem Stromschlag müssen sich Insassen nicht fürchten

Wie bei Verbrennerfahrzeugen sorgen auch bei Elektrofahrzeugen Sicherheitssysteme für die Sicherheit der Insassen, erklärte die VDA-Sprecherin. Deshalb bestehe keine Gefahr, einen Stromschlag zu bekommen. "Eine Struktur aus zahlreichen Sicherungen des Hochvolt-Systems garantiert hier den höchsten Grad an Sicherheit." Selbst für den "äußerst unwahrscheinlichen Fall", dass sich ein Hochvolt-Kabel löse und mit der Karosserie in Kontakt komme, bestehe für eine Person, die die Karosserie anfasse, keine Gefahr.

Im Normalfall komme es bei Hochwasser nicht zu einem Kurzschluss von Elektroautos, erklärte der Sprecher von Elektromobilität NRW weiter. "Sollten beschädigte elektrische Leitungen doch einmal mit Wasser in Berührung kommen, wird dies von den Sicherheitssystemen im Fahrzeug erkannt und die Hovchvoltbatterie abgeschaltet. In diesem Fall wäre das Fahrzeug natürlich nicht mehr fahrtüchtig."

Wenn das Stromnetz zusammenbricht, können auch Verbrenner nicht mehr tanken

Übrigens: Die Behauptung, dass Stromausfälle bei Hochwasser ein weiterer Nachteil von Elektroautos im Vergleich zu Verbrennern seien, lässt sich so verkürzt nicht bestätigen. Natürlich geschieht es, dass bei Überflutungen das lokale Stromnetz zusammenbricht. Aber auch Tankstellen können von Hochwasser betroffen sein. Zudem benötigen auch Tankstellen Strom, damit Benzin und Diesel gezapft werden können.

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