• Die Coronazahlen in Deutschland steigen täglich deutlich an.
  • Deutschland ist - wie von Experten vorhergesagt - in der dritten Welle angekommen.
  • Am Montag treffen sich erneut Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten um über das weitere Vorgehen zu beraten.
  • Es gilt als wahrscheinlich, dass zumindest große Teile Deutschlands zurück in den harten Lockdown müssen.

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Angesichts immer weiter steigender Infektionszahlen wächst der Druck auf Bund und Länder, wieder schärfere Corona-Beschränkungen zu erlassen. Vor den nächsten Beratungen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten an diesem Montag warnen Mediziner vor einer drohenden Zuspitzung der Pandemie-Lage.

Dabei rückt kurz nach ersten Öffnungsschritten nun zusehends die von Bund und Ländern vereinbarte "Notbremse" in den Blick - also die Rücknahme von Lockerungen, wenn sich zu viele Menschen anstecken. Ärztevertreter kritisierten zudem die geplante stärkere Einbeziehung von Praxen in die Impfungen als zu zögerlich.

Söder warnt vor "Dauerwelle"

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder warnte vor weiteren Öffnungen. "Wer jetzt die falschen Schritte geht, riskiert, dass aus der dritten Welle eine Dauerwelle wird", sagte der CSU-Chef der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Es gelte: "Jetzt lieber konsequent und schneller - auch wenn es noch mal Kraft kostet." Die Notbremse müsse überall in Deutschland gleich und konsequent angewandt werden.

Der Ärzteverband Marburger Bund forderte, die Notbremse definitiv zu ziehen. "Es war unverantwortlich, in die dritte Welle und die Ausbreitung der Mutanten hinein auf diese Art zu lockern. Dadurch droht den Kliniken nun die dritte Extremsituation binnen eines Jahres", sagte die Vorsitzende Susanne Johna der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag). Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sagte im Deutschlandfunk: "Die Situation ist dramatisch." Mit der Impfkampagne allein sei nun kein Damm zu bauen, "so dass nichts anderes bleibt, als in großen Teilen hier auch wieder Schutzmaßnahmen zu ergreifen".

Intensivmediziner wollen Rückkehr zum Februar-Lockdown

Die Intensivmediziner fordern ebenfalls eine Rückkehr zum bundesweiten Lockdown. "Es muss dringend gehandelt werden", sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx der "Augsburger Allgemeinen" (Samstag). Die Sieben-Tage-Inzidenz könne ohne Eingreifen sehr schnell in Deutschland auf 200 steigen und zu deutlich höheren Intensivpatientenzahlen führen. "Aus unserer Sicht kann es daher nur eine Rückkehr zum Lockdown vom Februar geben", betonte Marx. Alles andere sei nicht zu verantworten.

Dies sei jetzt der Zeitpunkt, zu dem ein entspannter Sommer leichtfertig verspielt werden könnte, warnte Marx. "Alles, was man sich jetzt erlaubt, muss man später mit Zins und Zinseszins bezahlen", fügte er hinzu. "Es geht um viel Leid", sagte der Intensivmediziner. Selbst Patienten, die nicht mit einem schweren Verlauf von COVID-19 konfrontiert seien, würden sich mit Spätfolgen wie Erschöpfungszuständen oder dem Verlust des Geschmackssinns plagen.

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Merkel hält Notbremse für notwendig

Merkel hatte bereits am Freitagabend gesagt: "Ich hätte mir gewünscht, dass wir ohne diese Notbremse auskommen, aber das wird nicht möglich sein, wenn ich mir die Entwicklung der letzten Tage anschaue."

Die "Notbremse" sieht vor, Öffnungen zurückzunehmen, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz in einer Region oder einem Land an drei aufeinander folgenden Tagen auf über 100 steigt. Bundesweit liegt die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen laut Robert Koch-Institut (RKI) nun bei 99,9 und damit höher als am Vortag (95,6). Regional gibt es aber weiterhin erhebliche Unterschiede - von 58 in Schleswig-Holstein bis 201 in Thüringen.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sagte, auch sie sehe die Entwicklung mit Sorge. Beim weiteren Vorgehen müssten Schulen und Kitas weiterhin oberste Priorität haben. "Wir haben die meisten Kinder in die Schulen und Kitas zurückgeholt. Das ist wichtig für die Kinder wie auch für die Eltern." Man sollte aber auch zumindest darüber sprechen, ob es Wege für Urlaub in der näheren Umgebung gebe. "Viele Menschen verstehen nicht, dass es Möglichkeiten für den Osterurlaub auf Mallorca gibt, aber zu Hause nicht einmal eine Ferienwohnung im eigenen Bundesland angemietet werden kann."

Arztpraxen werden bei Impfung mit einbezogen

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte, auch den Fortschritt der Impfungen beim weiteren Vorgehen stärker zu berücksichtigen. "Es braucht eine verbindliche Impfrate von 85 Prozent bei den über 80-Jährigen und 70 Prozent bei den über 70-Jährigen", sagte Vorstand Eugen Brysch der Deutschen Presse-Agentur. "Diese Menschen bedroht das Virus am meisten." Unerlässlich sei auch ein Monitoring der Belastung von Krankenhäusern und Intensivstationen vor Ort.

Um die Impfungen zu beschleunigen, hatten Bund und Länder am Freitag beschlossen, Hausärzte nach Ostern routinemäßig einzubeziehen - aber zunächst noch mit kleinen Impfstoffmengen von etwa 20 Dosen pro Woche und Praxis. Zunächst sollen eine Million Dosen pro Woche in Praxen gehen können - aber weiterhin 2,25 Millionen Dosen an die regionalen Impfzentren der Länder. Ein Schub für die Praxen soll dann jedoch in der Woche vom 26. April mit 3,2 Millionen Dosen kommen. Dann hätten sie auch erstmals mehr Impfstoff zur Verfügung als die Impfzentren.

Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, sagte: "Jetzt müssen die Länder aber auch liefern und wöchentlich 2,25 Millionen Impfdosen verimpfen. Schaffen sie das nicht, müssen sie sich dafür verantworten." Der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Wir stehen zum Impfen bereit - und wollen keine Resterampe werden."

Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt sagte, wenn alle Impfzentren unter Volllast liefen und vor allem 50.000 Arztpraxen eingebunden würden, "haben wir eine echte Chance, bis zum Sommer allen Erwachsenen ein Impfangebot zu machen." (ska/awa/dpa)  © dpa

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